Obwohl die Bibel viele Beispiele dafür gibt, daß durch die Macht des Gebets böse Mächte überwunden und Katastrophen verhütet werden, zeigen die Christen von heute bei ähnlichen Problemen, daß sie nur geringen Glauben an eine solche Macht haben. Unter den Theologen scheint man heute besonderen Wert darauf zu legen, hinauszugehen und etwas zu tun, anstatt niederzuknien und zu beten. Die Christliche Wissenschaft enthüllt die Tatsache, daß für Gott jetzt alle Dinge ebenso möglich sind wie in biblischen Zeiten. Die Heilungen, die durch Gebet in der Christlichen Wissenschaft vollbracht werden, beweisen diese Tatsache.
Damit aber heute die Macht des Gebets bei der Lösung schwieriger menschlicher Probleme wirksam wird, ist das eine erforderlich: die Zustimmung des menschlichen Gemüts. Eine einfache Veranschaulichung dafür enthält ein Brief von James J. Rome an Mary Baker Eddy, der kurz nach der Errichtung des Erweiterungsbaues Der Mutterkirche in Boston im Jahre 1906 geschrieben wurde. Es erschien unmöglich, das Gebäude für den Eröffnungsgottesdienst am 10. Juni fertig zu haben, doch durch die Gebete der Christlichen Wissenschafter zur Unterstützung des Baues wurden alle Hindernisse beseitigt, und das Gebäude wurde rechtzeitig fertiggestellt.
Herr Rome schreibt: „Ein Merkmal der Arbeit interessierte mich besonders. Ich stellte fest, daß alles wie durch Zauber vorwärtsging, sobald die Arbeiter zuzugeben begannen, daß die Arbeit geschafft werden konnte; das menschliche Gemüt gab seine Zustimmung. Dies lehrte mich, daß ich willens sein sollte, Gott wirken zu lassen.“ The First Church of Christ, Scientist, and Miscelany, S. 61; Hieraus geht klar hervor, daß das menschliche Gemüt, das seine Zustimmung gab, nicht das Gemüt einer bestimmten Person war, sondern das Gemüt derjenigen, kollektiv wie individuell, die das Ereignis miterlebten. Soweit wir wissen, rief niemand die Arbeiter zusammen und munterte sie auf, noch sprach jemand mit den betreffenden Personen, um sie zu überzeugen, daß das Werk vollbracht werden könnte. Gebet allein erreichte das menschliche Gemüt und wandelte es um.
Wie ging das vor sich? Gebet in der Christlichen Wissenschaft ist nicht die Einwirkung eines menschlichen Gemüts auf ein anderes. Es ist die Erkenntnis des Christus, des Wirkens Gottes. Wenn eine Heilung vonnöten ist — ob es sich bei der Krankheit um ein geringfügiges Unwohlsein oder um etwas handelt, was als unheilbar angesehen wird —, ist diese wahre Idee da, um zu heilen. Unter Bezugnahme auf die Heilungswerke, die sich zu Jesu Zeit ereigneten, schreibt Mrs. Eddy in Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift: „Heute wie damals sind diese mächtigen Werke nicht übernatürlich, sondern im höchsten Grade natürlich. Sie sind das Zeichen des Immanuel oder ‚Gott mit uns‘ — ein göttlicher Einfluß, der im menschlichen Bewußtsein immer gegenwärtig ist, sich wiederholt und heute kommt, wie vor alters verheißen ward:
Zu predigen den Gefangenen [des Sinnes],
daß sie los sein sollen,
Und den Blinden, daß sie sehend werden,
Und den Zerschlagenen, daß sie frei und ledig
sein sollen.“ Wissenschaft und Gesundheit, Vorw., S. xi;
Dieser göttliche Einfluß wird nicht immer erkannt. Wenn er aber erkannt wird, ereignet sich im menschlichen Bewußtsein das großartigste aller Phänomene. Der Christus, die Wahrheit, kommt als Licht und erleuchtet nicht nur das Bewußtsein desjenigen, der es erkennt, sondern auch anderer, die von der Situation, derentwegen der einzelne beten mag, betroffen sind. Die Hindernisse, die sich Heilungen oder friedlichen, harmonischen und konstruktiven Lösungen menschlicher Probleme in den Weg stellen, sind in Wirklichkeit keine Hindernisse; sie sind der Glaube an die Abwesenheit von Intelligenz, die Abwesenheit von Licht. Gott ist göttliche Intelligenz, und der Christus, die Wahrheit, tut diese Intelligenz dem menschlichen Denken kund.
Als Christus Jesus zu dem Menschen mit der verdorrten Hand sprach: „Strecke deine Hand aus“ Matth. 12:13., stieß das auf die allgemeine Mißbilligung derjenigen, die um ihn herum waren. Wenn sie gefragt worden wären, ob diese Heilung allein durch geistige Mittel vollbracht werden könnte, hätten sie wahrscheinlich mit einem entschiedenen Nein geantwortet. Und der Bericht verrät, daß diese Heilung am Sabbat eine Beleidigung ihrer Auffassung von Gesetz war. Und doch, als er dem Menschen befahl, seine Hand auszustrecken, tat er das; und die Hand „ward ihm wieder gesund gleichwie die andere“. Nicht die Kraft seiner menschlichen Persönlichkeit, sondern die Macht des Christus, die Jesus verkörperte, erlangte die Zustimmung derer, die um den Mann herum waren, so daß es geschehen konnte; und diese Zustimmung räumte das einzige Hindernis für die Heilung aus dem Wege.
Alles, was uns in der menschlichen Erfahrung passiert, geschieht mit der Zustimmung des menschlichen Gemüts. Die innere Annahme, daß etwas geschehen könnte, stellt die Einwilligung dar, die gestattet, daß es Teil unserer bewußten Erfahrung wird. Wenn man in seinem Denken von der allgemeinen sterblichen Annahme beeinflußt ist, daß der Mensch als materielle Persönlichkeit, die von materiellen Gesetzen beherrscht wird, aus der Materie hervorgeht und in der Materie existiert, dann zeugt sein Leben, seine Erfahrung, für diese Annahme. In dem Maße, wie wir vom Christus beeinflußt werden, sehen wir uns als ein Kind Gottes, als eine geistige Idee des göttlichen Gemüts, und unser Bewußtsein über uns selbst gibt seine Zustimmung nur jenen Dingen, die von Gott sind — dem Guten, Heilsamen, Aufbauenden, Schönen und Gottähnlichen.
Wenn also eine Krankheit schwer heilbar erscheint, läßt das Gebet, das den Christus aktiv anerkennt, die Heilung zuerst möglich erscheinen und dann für alle Beteiligten zur Wirklichkeit werden. Und wo es anscheinend schwierige Probleme von Krieg, Umweltverschmutzung, Rassenfragen und so weiter gibt, können sie durch die Gebete derjenigen gelöst werden, die den Christus verstehen und erschauen können. Der Einfluß dieser wahren Idee Gottes, wenn er klar wahrgenommen wird, reicht aus, die Menschen überall zu ihrem angeborenen Bewußtsein ihres geistigen Ursprungs und ihrer geistigen Substanz als Kinder des unendlichen Gemüts zu erwecken. Das Licht der Wahrheit kann die Menschen überall veranlassen, intelligente Lösungen zu erkennen und ihnen zuzustimmen, und was immer getan werden muß, kann getan werden.
