Wer krank ist, mag große Bereitwilligkeit zum Ausdruck bringen, hörbar oder im stillen von sich selbst in geistigen Begriffen zu sprechen, aber sobald er auf dem Posten ist, mag er die geistigen Begriffe wieder vergessen. In solch einem Falle fehlt der Wunsch, einen materiellen Begriff vom Selbst aufzugeben und die eigene geistige Identität zu erkennen.
Dieses Zaudern, sich selbst als geistig zu sehen, ist ein Hindernis für die Heilung. Es weist auf ein tiefsitzendes Verleugnen der Wahrheit hin. Wenn es dem Ausüber nicht gelingt, es zu entfernen, dann besteht seine Arbeit hauptsächlich aus mentalem Reden, wenn sie mentale Tätigkeit sein sollte. Dies ist eine Herausforderung an einen jeden von uns, der die Wissenschaft des christlichen Heilens ausüben möchte.
Wir identifizieren uns gewöhnlich durch das, was wir physisch sehen, hören, riechen, schmecken oder fühlen, es sei denn, daß unser Denken über uns selbst herausgefordert wird. Wenn wir zu jemandem sagen: „Hier bin ich“, dann ist das „Ich“, von dem wir sprechen, ein Bündel physischer Sinneseindrücke, das wir als uns selbst anzusehen gelernt haben. Aber wenn wir krank werden, werden wir mit einigen dieser Eindrücke unzufrieden. Wenn wir in der Christlichen WissenschaftChristian Science; sprich: kr´istjən s´aiəns. Heilung suchen, sind wir bereit, jene Eindrücke kräftig zu verneinen, die wir als unsere Schmerzen und Leiden oder als die menschlichen Belastungen und Spannungen ansehen, die zu der Krankheit geführt haben mögen. Aber die Sinneseindrücke, die uns jahrelang keine Sorgen machten und durch die wir glauben, uns des Lebens und unserer Beziehungen zu anderen zu erfreuen — die wollen wir lieber in Ruhe gelassen sehen.
Christus Jesus warnte uns vor Heuchelei im Gebet. Er sagte, wir sollten nicht beten, um von den Menschen gesehen zu werden, sondern wir sollten im stillen beten, und: „Wenn ihr betet, sollt ihr nicht viel plappern wie die Heiden; denn sie meinen, sie werden erhöret, wenn sie viel Worte machen.“ Matth. 6:7; Der Apostel Jakobus äußerte sich hierzu ganz ungeschminkt. Er sagte: „Ihr bittet und empfanget nicht, darum daß ihr übel bittet, nämlich darum, daß ihr's in euren Lüsten verzehren wollt.“ Jak. 4:3;
In dem Buch Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift erläutert Mary Baker Eddy, was mit Kain geschah, nachdem er seinen Bruder Abel erschlagen hatte (siehe besonders 1. Mose 4:16: „So ging Kain hinweg von dem Angesicht des Herrn und wohnte im Lande Nod“). Sie schreibt: „In der göttlichen Wissenschaft ist der materielle Mensch von der Gegenwart Gottes ausgeschlossen. Die fünf körperlichen Sinne können vom Geist keine Kenntnis nehmen. Sie können nicht in Seine Gegenwart kommen, sondern müssen im Traumland verbleiben, bis die Sterblichen zu dem Verständnis gelangen, daß das materielle Leben mit all seiner Sünde, seiner Krankheit und seinem Tod eine Illusion ist, gegen die die göttliche Wissenschaft in einem Vernichtungskampf begriffen ist.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 543.
Dieses materielle Selbst, dieses Bündel physischer Sinneseindrücke, diese Ansammlung sterblichen Wissens, die wir eine materielle Persönlichkeit — die mit anderen Persönlichkeiten in Beziehung steht — nennen, können wir nicht in die Gegenwart Gottes mitnehmen. Wir können uns nur dann in Gottes heilender Gegenwart befinden, wenn wir uns von dem materiellen Sinn vom Selbst abwenden und unsere geistige Identität als die unsterbliche Idee Gottes anerkennen.
Wenn wir völlig hierzu in der Lage wären, würden wir wie Christus Jesus die Himmelfahrt erleben, aber da wir anscheinend noch nicht soweit sind, diesen Schritt zu tun, wird von uns verlangt, daß wir heute so viel Fortschritt machen, wie wir können. Und wenn wir so weit fortgeschritten sind, kommt unsere Heilung. Dieser Fortschritt verlangt, daß wir etwas von dem materiellen Begriff, den wir von uns haben, aufgeben. Was aufgegeben werden muß, wird offensichtlich, wenn wir bereit sind, den nächsten Schritt zu unternehmen.
Es erhebt sich dann die Frage: Wie bringt der Ausüber den Patienten dahin, daß er ehrlichen Herzens einen geistigeren Begriff von sich selbst gewinnen möchte? Manchmal kann er mit dem Patienten die geistigen Tatsachen des Seins erörtern — das eine unendliche Gemüt, Gott, das Gute, und den Menschen, die Idee oder Widerspiegelung dieses Gemüts; die Vollkommenheit von allem, was in Gottes Universum wirklich ist, und die Unvollkommenheit, daher Unerwünschtheit, von allem, was außerhalb Seines Universums ist; die Freude, bewußt in der göttlichen Liebe zu leben, zu weben und zu sein, und die Leere eines sogenannten Lebens oder einer Selbstheit außerhalb der göttlichen Liebe. Solche Argumente sind oft erfolgreich. Aber was den Patienten wirklich erreicht, ist das Licht der Wahrheit selbst, das Licht des Gemüts, der göttlichen Liebe, und das bricht nur dann hervor, wenn der Ausüber selber bewußt in der Gegenwart Gottes lebt und viel von einer materiellen persönlichen Auffassung vom Selbst hinter sich gelassen hat.
Wenn sich der Ausüber ohne Vorbehalte der Befriedigung enthält, die darin liegt, von sich selbst als einem Sterblichen zu denken, zu dem andere Sterbliche um Hilfe kommen, und wenn er den alleinigen Wunsch hat, an der bewußten Gegenwart des unendlichen Gemüts festzuhalten — als die Idee dieses Gemüts, die die Liebe widerspiegelt, die die göttliche Liebe ist —, wird seine Arbeit mentale Tätigkeit und nicht nur mentales Reden sein. Sie wird tief in das Herz sinken, wo bloße Wortargumente nicht hinkommen. Dann werden die Worte, die der Ausüber benutzen mag, durch dieses göttliche Licht Nachdruck erhalten. In der Gegenwart dieses göttlichen Lichts treten die Irrtümer des sterblichen Sinnes stark als Irrtümer hervor, die keinen Wert haben, und es fällt dem Patienten leicht, sie loszulassen und nach Geistigkeit zu verlangen. Dies beseitigt das Hindernis, und die Heilung erfolgt schnell.
