Mit dem ersten warmen Frühlingslüftchen zieht es die Jugend hinaus ins Freie, auf den Sportplatz, hin zu den Sportarten, an denen sich junge Menschen so allgemein beteiligen. Mannschaften werden zusammengestellt, das Training beginnt, und alle Welt scheint von der Erregung des Wettkampfs, den frohen Rufen der Sieger und — um das Bild vollständig zu machen — den Enttäuschungen und Erklärungen der Besiegten erfüllt zu sein.
Inmitten dieser lebendigen Szene steigt in dem Christlichen Wissenschafter unvermeidlich die Frage auf: Wieviel Gutes von Bestand, wieviel tatsächlicher Gehalt wird denen aus all diesem zu ihrem Segen erwachsen, die so energisch nach Kraft und Geschicklichkeit streben, nach einem Preis und persönlicher Ehre? Beschränken sich die möglichen guten Ergebnisse aus dem Sport auf die Gewohnheit, Regeln zu folgen, Körper und Geist einer Disziplin zu unterziehen — so wichtig dies auch sein mag —, oder auf die Stärkung der Muskeln oder den Erwerb von Medaillen?
Obwohl im Befolgen von Regeln fraglos ein angemessener Lohn liegt, so ist doch wahre sportliche Fairneß mehr als bloßer Gehorsam gegen die Regeln. Im Lichte der Christlichen Wissenschaft schließt sportliche Fairneß mehr ein als jemals in Regeln seinen Niederschlag finden könnte, denn sie umfaßt Rechtschaffenheit, Höflichkeit, Unparteilichkeit und Ehrerbietigkeit gegen die anderen Wettkämpfer, und all dies ist ein Ausdruck selbstloser Liebe. Als Verhaltensweise ist also der Geist der Fairneß ebensowenig auf das Sportfeld beschränkt, wie Freundlichkeit auf irgendeine Phase des menschlichen Lebens beschränkt ist. Die Christlichen Wissenschafter sind sich sehr wohl bewußt, daß der allgemein anerkannte Grundsatz eines fairen Verhaltens gegenüber ihren Mitmenschen mit der Goldenen Regel gleichläuft. Ja, die Christliche Wissenschaft fordert von ihren Nachfolgern mit den unmißverständlichen Worten Christi Jesu: „Alles nun, was ihr wollt, daß euch die Leute tun sollen, daß tut ihnen auch!“ Matth. 7:12;
Die Forderung nach dem Geist christlichen Verhaltens, wie man es bezeichnen könnte, ist weitverbreitet. Diese Forderung ist natürlich, wenn man die Allheit, die Einheit des göttlichen Prinzips, Liebe, bedenkt, die sich unter den Menschen spürbar macht. Die Regeln eines richtigen Verhaltens, wie sie in der Christlichen Wissenschaft verstanden werden, sind nicht diskriminierend; Gerechtigkeit, Erbarmen und liebevolle Freundlichkeit sichern uns Erfolg und Glück, denn sie werden von allen und überall geachtet und geschätzt.
Die Anwendung der Regel rechten Verhaltens schließt das ganze Gebiet menschlicher Tätigkeit und Beziehungen ein. Im Sport, wie auch sonst überall, kommt sie nicht nur in äußerst gewissenhafter Beachtung aller Spielregeln zum Ausdruck, sondern auch in überaus sorgfältiger Berücksichtigung der Rechte und Interessen aller Teilnehmer am Wettkampf.
Der Verfasser dieses Artikels nahm einmal an einer Ruderregatta teil. Das Rennboot der Gastmannschaft war am Tage vor dem Wettkampf schwer beschädigt worden, wodurch es nötig war, den am Wettkampf teilnehmenden ortsansässigen Klub um ein Boot zu bitten. Als der Vorstand dieses Klubs zusammentrat, um zu entscheiden, welches ihrer Boote von den Gästen benutzt werden sollte und welches von ihnen selbst, kamen zwei Boote in die engere Wahl: ein schwereres, reparaturbedürftiges Boot und ein nagelneues, leichtes, schnelles Boot, das sie selbst hatten benutzen wollen. Verschiedene Anwesende sprachen sich dafür aus, den Gästen, deren Leistungen in diesem Sport die ihren bei weitem übertrafen, das schwerere Boot zu leihen. Doch die Haltung der anderen, die sich für wahre sportliche Fairneß einsetzten, gewann die Oberhand, und den Besuchern wurde das bessere Boot gegeben.
Mitglieder des Klubs arbeiteten dann bis spät in die Nacht und nahmen einige der vielen notwendigen Verbesserungen und Reparaturen an ihrem eigenen Boot vor, um es für den Wettkampf am nächsten Tage tauglich zu machen. Sie setzten sich mit Energie und Begeisterung ein, in der absoluten Überzeugung, daß ihre Entscheidung richtig gewesen war. Wer, glauben Sie, gewann das Rennen? Die leichten Herzen in dem schweren Boot! Hätten sie sich für das bessere Boot entschieden und gewonnen, wäre es dann nicht ein freudloser Sieg gewesen ?
Das hingebungsvolle Studium der Christlichen Wissenschaft und die getreuliche Betätigung ihrer Lehren führen ganz natürlich zur Demonstration wahrer sportlicher Fairneß auf allen Tätigkeitsgebieten. Eine der allgemein anerkannten Forderungen guten sportlichen Trainings ist, dem Genuß von Alkohol und Tabak abzuschwören und manchmal auch der eingewurzelten Gewohnheit des Schwörens — oder Fluchens — selbst. Während der Alkohol- und Tabakgenuß einzig darum nicht gestattet wird, weil man glaubt, daß dadurch die körperliche Tüchtigkeit erhalten bleibt, deutet die letztere Gewohnheit auf Wutausbrüche, auf Mangel an Selbstbeherrschung hin, die sich bei der sportlichen Betätigung nachteilig auswirken und ganz gewiß unsere richtige Reaktion auf die vielfältigen Herausforderungen des menschlichen Lebens beeinträchtigen.
Wenn wir den Geist der Christlichen Wissenschaft in unsere täglichen Aufgaben hineintragen, hilft uns wahre Fairneß, uns sowohl von Haß wie von Furcht frei zu machen — der Furcht vor dem Gegner und der Furcht zu verlieren — wie auch von übermäßiger Ehrsucht und dem falschen Glauben an die Materie als die Quelle der Kraft, Geschicklichkeit, Intelligenz, Koordination, Fähigkeit oder Unfähigkeit. Die Christliche Wissenschaft befreit uns von dieser seelischen Last oder Behinderung und befähigt uns dadurch, in allem, was wir tun, wirklich unser Bestes zu tun. Mary Baker Eddy, die Entdeckerin und Gründerin der Christlichen Wissenschaft, beschreibt diese Wirkung der Christlichen Wissenschaft in dem Lehrbuch Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift, wo sie sagt: „Das mit diesem geistigen Verständnis ausgestattete menschliche Gemüt wird elastischer, ist größerer Ausdauer fähig, kommt in etwas von sich selbst los und bedarf weniger der Ruhe. Eine Kenntnis von der Wissenschaft des Seins entwickelt die latenten Fähigkeiten und Möglichkeiten des Menschen.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 128.
In jeder Situation müssen wir daran denken, daß, bildlich gesprochen, nicht das Boot, in dem wir sitzen, sondern die geistige Hingabe und Energie, mit der wir unsere Arbeit tun, das Wesentliche ist — daß nicht die Windrichtung, sondern die Art, wie wir das Segel setzen und das Ruder führen, den Erfolg unserer Lebensreise bestimmt.
Wenn der Christliche Wissenschafter sportliche Fairneß in ihrem wahren Sinn übt, kann er seine Tätigkeiten auf eine solche Ebene heben, daß sie für ihn nicht mehr ein bloßes Mittel sind, sogenannte physische Meisterschaft zu entwickeln oder in dem von ihm gewählten Arbeitsfeld erfolgreich zu sein, sondern sie werden in gewissem Maße ein Mittel zu geistigem Fortschritt werden, indem sie mit der sportlichen Betätigung wahre Erfrischung bringen, den Wettkampf auf eine gesunde Basis stellen, der Niederlage einen Wert und dem Sieg wirkliche Bedeutung verleihen.
