Weshalb ist freie Liebe falsch? Wenn man verlobt ist, warum mit sexuellen Beziehungen warten, bis man verheiratet ist? Wenn man jemanden liebt, weshalb überhaupt heiraten; weshalb nicht einfach zusammen leben?
Wenn Sittlichkeit oder die Zehn Gebote erwähnt werden, werden weitere Fragen gestellt. Wenn alle menschlichen Gesetzbücher eine Sache des Ermessens zu sein scheinen, wer soll den Maßstab setzen? Wie konnte jemand, der vor mehr als dreitausend Jahren gelebt hat, wissen, was für mich heute das Richtige ist?
Um dies in einem umfassenderen Zusammenhang zu betrachten, lassen Sie mich fragen: Würden Sie gern fähig sein, die heilende Kraft der Christlichen Wissenschaft zu demonstrieren? Würden Sie gern das Gefühl haben, daß Gottes Gegenwart Sie trägt? Die Frage des Heilens hängt unmittelbar mit der Frage der Sittlichkeit, einschließlich der Sittlichkeit in sexuellen Dingen, zusammen.
Mrs. Eddy sagt: „Die ganze Erziehung der Kinder sollte derart sein, daß sie den Gehorsam gegen das moralische und geistige Gesetz zur Gewohnheit macht, wodurch das Kind der Annahme von sogenannten physischen Gesetzen, einer Annahme, die Krankheit großzieht, entgegentreten und sie meistern kann.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 62; Wenn das für Kinder wahr ist, muß es auch für Erwachsene wahr sein.
Junge Leute mögen das Gefühl haben, daß die Sittengesetze von älteren Menschen geschaffen werden, die den jüngeren ihre menschlichen Meinungen in bezug auf deren Verhalten willkürlich aufzwingen. Doch Sittlichkeit ist nicht lediglich eine menschliche Meinung; wahre Sittlichkeit ist inspiriert. Die höchste Sittlichkeit kommt dem Göttlichen am nächsten. Sie ist der höchste Begriff der Menschheit von der geistigen Tatsache, auf die menschliche Situation angewandt. Ein Umstand in unserem Leben fordert also nicht eigens dafür geschaffene ethische Grundsätze, sondern eine ganz neue, ursprüngliche Anwendung des bereits bestehenden einschlägigen geistigen Gesetzes.
Sittlichkeit ist der erste Schrittstein von der Körperlichkeit zur Geistigkeit. Sie ist die Voraussetzung für die Erlangung jenes verfeinerten geistigen Verständnisses, das die Kranken heilt. Christus Jesus, der große Heiler, war ein absolut moralischer Mensch. Wer heilen möchte, muß die Regeln des Heilens befolgen. Er kann sich nicht aussuchen, welche er gelten lassen und welche er ignorieren möchte.
Die Christliche Wissenschaft verlangt nicht, daß wir wahre Freude aufgeben. Die Christliche Wissenschaft ist gleichbedeutend mit einem im höchsten Sinn erfüllten und freien Leben, einem Leben, das die reinste Form von Genuß, Befriedigung und Wohlergehen in sich schließt. Sie bringt menschliche Zufriedenheit, Freude, Seligkeit und selbstlose Freiheit mit sich, die aus der geistigen Natur des Menschen hervorgehen.
Wenn wir die Annahme aufgeben, daß Freude und Schmerz in der Materie seien, bedeutet das nicht, Freude aufzugeben, sondern einen falschen Begriff von Freude durch ihre wahre Substanz und Wirklichkeit zu ersetzen. Dies bedeutet, das Unzuverlässige und Sporadische für das Verläßliche und Bleibende aufzugeben.
Heißt das alles, daß sexuelle Beziehungen falsch seien? Nein, bestimmt nicht, denn der Sex hat seinen normalen Platz im menschlichen Leben. Er muß jedoch im Rahmen der Sittlichkeit gesehen werden. Geschlechtliche Beziehungen außerhalb der Ehe — ob es sich nun um vorehelichen Verkehr, um Ehebruch oder Homosexualität handelt — passen nicht in diesen Rahmen. Sexuelle Triebe müssen beherrscht werden; sie dürfen nicht uns beherrschen.
Die Christliche Wissenschaft beginnt mit der hohen Moral des Gesetzes im Alten Testament, die im Neuen Testament zu der immer höheren, aus Liebe geborenen Sittlichkeit führt. Die Zehn Gebote stellen das göttliche Gesetz, auf menschliche Umstände angewandt, dar.
Voreheliche Keuschheit folgt dem Muster des göttlichen Gesetzes der Reinheit. Der Christliche Wissenschafter, der sich diesem Gesetz unterstellt, gibt den beharrlichen Forderungen des Körpers nicht nach, sondern gewinnt Herrschaft über sie. Falls notwendig, ist er bereit, Beliebtheit für Sittlichkeit aufzugeben, um auf dem Pfad der Vollkommenheit voranzukommen.
Voreheliche Keuschheit ist auch der Maßstab für Verlobte. Verlobt sein ist nicht das gleiche wie verheiratet sein, denn die Bindung, die Verpflichtungen und Obliegenheiten sind unterschiedlich. Vor der Eheschließung mag der Sex so sehr wichtig erscheinen; danach nimmt er seine richtige Stellung als lediglich ein Teil des Ehebundes ein. Die Verlobungszeit ist eine Probezeit. Die Vermeidung eines vorehelichen Verhältnisses hilft, sich ein geistiges Empfindungsvermögen zu bewahren, das uns spüren läßt, ob es weise oder unklug wäre, die geplante Ehe einzugehen. Voreheliche Keuschheit fördert ein höheres Bewußtsein von Vertrauen und Vertrauenswürdigkeit in der Ehe selbst.
Warum überhaupt heiraten? Warum nicht einfach zusammen leben?
Die Unterschrift auf der gestrichelten Linie symbolisiert den Unterschied zwischen einem Leben im Rahmen des bürgerlichen und des moralischen Gesetzes und einem Leben außerhalb dieses Rahmens. Dasjenige menschliche Gesetz kommt dem Rechten am nächsten, das dem zugrunde liegenden geistigen Gesetz am nächsten kommt. In dem Verhältnis, wie das bürgerliche und das moralische Gesetz immer mehr mit dem geistigen in übereinstimmung gebracht werden, hat die Ehe eine feste Grundlage. Das Ehegelübde kann und sollte eine Erklärung absoluter Verpflichtung sein, das Heim als den Himmel auf Erden zu gestalten. Solch eine Ehe schließt lieblose Wollust und Unbefriedigtheit durch einen geistigen Begriff von Erfüllung aus, der die Partner befähigt, in zunehmendem Maße Vollständigkeit zu demonstrieren. Ehepaare stellen fest, daß sie den Rat des Paulus befolgen: „Die brüderliche Liebe untereinander sei herzlich. Einer komme dem andern mit Ehrerbietung zuvor.“ Röm. 12:10.
Dieser aktive, dynamische Ausdruck geistigen Lebens und Liebens führt zu einer immer befriedigenderen Beziehung. Wenn sowohl die Frau wie der Mann sich bemühen, bei allem, was sie tun, mehr Christlichkeit auszudrücken, wird physisches Verlangen einem weit berfriedigenderen, beständigeren und wohltuenderen Ausdruck geistiger Liebe weichen. Vielleicht werden sie eines Tages gemeinsam zustimmen, daß die Fortpflanzung die einzige Rechtfertigung für geschlechtliche Beziehungen ist.
Die Ehe bietet Schutz, Freiheit, Stabilität und Legalität. Sie kann das Bedürfnis des einzelnen nach einer sinnvollen, innigen Gemeinschaft stillen, die an vielen geistigen Eigenschaften reich ist. Was im Augenblick vonnöten ist, ist nicht die Abschaffung der Ehe, sondern ihre Vervollkommnung, ein Leben in Übereinstimmung mit ihrem höchsten Ideal. Mißachtung der Sittlichkeit könnte dazu führen, daß die Integrität des einzelnen und der Gesellschaft zerstört wird. Die Christlichen Wissenschafter sollten an ihren Ehen arbeiten, bis diese zu den aufrichtigsten und glücklichsten Beziehungen auf Erden gehören.
Sittlichkeit führt uns aus Disharmonie heraus und weist uns zum Geist hin. Dieser Verhaltensmaßstab ist es, der zu immer größerer Zufriedenheit führt.
Haltet rein eure Seelen
im Gehorsam der Wahrheit
zu ungefärbter Bruderliebe
und habt euch untereinander
beständig lieb von Herzen.
I Petrus 1:22
