Als ich vor mehr als dreißig Jahren zum erstenmal von der Christlichen Wissenschaft hörte, war ich eine hoffnungslos Leidende. Meine Krankheit wurde als Herzneurose diagnostiziert, und man machte mir wenig Hoffnung auf eine völlige Wiederherstellung. Fünf Ärzte hatten mich behandelt, und jeder hatte sich einer anderen Behandlungsmethode bedient. Anscheinend hatte der mich zuletzt behandelnde Arzt mehr Erfolg, denn ich hatte vor den Anfällen eine längere Zeit Ruhe; aber dann hörte ich ihn eines Tages draußen vor der Tür zu meinem Mann sagen: „Jetzt geht es ihr ja besser, aber ich kann nicht garantieren, daß sie es in zehn Jahren nicht wieder bekommt.“
Wie von einem Schlag getroffen, schwand nun meine ganze Hoffnung dahin, und ich bin in den darauffolgenden zehn Jahren die Furcht nicht losgeworden, daß sich das Leiden eines Tages wieder einstellen könnte. Ich lebte in einem dauernden Angstzustand. Schließlich fand ich mich damit ab, daß es mir bestimmt sei, das Leiden bis zu meinem Ende geduldig zu ertragen.
Als ich zum erstenmal einem christlich-wissenschaftlichen Gottesdienst beiwohnte, fühlte ich sofort die liebevolle Atmosphäre, die dort herrschte, und ich wußte, daß ich dahin gehörte. Ein Mitglied lud mich ein, zu ihr zu kommen, und ich nahm die Einladung dankbar an. Sie unterwies mich in meinen ersten zaghaften Schritten im Studium der Lektionspredigten. Es war wunderbar; ich begann das Licht zu sehen. Ich lernte Gott als Geist, als unendliche Liebe verstehen. Ich empfand, daß meine Daseinsauffassung auf ein höheres Niveau gehoben wurde. Schon nach kurzer Zeit blühte ich förmlich auf, es ging mir besser, und ich begann wieder Freude am Leben zu haben; ich fühlte mich sicher geborgen in der immergegenwärtigen göttlichen Liebe.
Mein lieber Mann schied dahin, und ein Jahr darauf verlor ich meinen einzigen erwachsenen Sohn. Dies war ein harter Schlag für mich, und es drängten sich die Fragen auf: Warum muß mir das zustoßen? Habe ich nicht immer versucht, das Gute auszudrücken und meinen Mitmenschen zu lieben? Ich konnte es damals kaum begreifen, und dem materiellen Sinn erschien es fast wie eine Strafe. Ich wußte, daß ich eine befriedigende Antwort in der Christlichen Wissenschaft finden konnte, und begann mit ganzer Hingabe in der Bibel und im Lehrbuch Wissenschaft und Gesundheit von Mary Baker Eddy zu suchen. In einer Stunde großer Not standen die Worte aus dem Lehrbuch deutlich vor mir (S. 486): „Die Vorschule der Erde muß aufs Äußerste ausgenutzt werden.“
Nun begann ich zu verstehen, daß wir unser Erdendasein als eine Vorschule betrachten und danach streben müssen, möglichst viel von der göttlichen Weisheit zu erfassen, um nicht nur hier Wachstum und Harmonie zu demonstrieren, sondern auch für den späteren geistigen Fortschritt aufnahmebereit zu sein. Ich hatte nie geglaubt, daß es Gottes Wille war, daß ich von meinen Angehörigen getrennt sei. Ich erkannte statt dessen, daß Gott das Leben aller ist und daß der Mensch nie vom Guten getrennt ist. Ich verstand, daß es in unserem Erdendasein das Wichtigste sein muß, zu versuchen, mit dem allgütigen Gott, der Leben und Liebe ist, in Harmonie zu kommen. Ich las nun das Lehrbuch mit ganz anderen Augen. Diese neue Einstellung gab mir viel Trost und Kraft. Der Kummer verschwand nach und nach und machte einer heiligen Freude Platz.
Während der letzten zehn Jahre hat sich mein Leben geordnet und harmonisch gestaltet. Ich bin demütig dankbar für die heilsamen Lehren, die Mrs. Eddy der Menschheit gegeben hat, für Mitgliedschaft in Der Mutterkirche und dafür, daß ich unserer Zweigkirche nun schon viele Jahre als Organistin dienen darf.
Rio de Janeiro, Brasilien
