Ich bin in Brooklyn aufgewachsen und tat, was die meisten Kinder in einem Getto tun. Meine Eltern versuchten, mich richtig zu erziehen, aber wissen Sie, die Menschen sind heute so mit sich selbst beschäftigt, daß es ihnen schwerfällt zu sehen, was wirklich mit ihren Kindern geschieht.
Meine Mutter wollte die beste Schulbildung für mich haben. Aber die Schulen in unserer Gegend waren genauso, wie sie heute sind — wahrscheinlich noch schlechter. Ich besuchte die Oberschule in einem anderen Stadtteil. In fachlicher Hinsicht war sie sehr gut, obwohl sie eine der Schulen für die weiße Mittelklasse war — eine Art gesellschaftlicher Klub und seit langem bekannt für ihre Rassenfeindschaft.
Mir erging es dort nie sehr gut. Da war diese große Leere der Einsamkeit, des mangelnden Selbstvertrauens, an dem die meisten Schwarzen im Getto leiden. Ich hatte keine Vorbilder, denen ich nacheifern konnte, abgesehen von den Zuhältern, Rauschgifthändlern und denen, die illegal Lose verkaufen — den Burschen, die in den Cadillac-Limousinen herumfahren. Das schienen die zu sein, die es zu etwas brachten. Wir hörten niemals in der Schule von Schwarzen, die etwas Nützliches taten.
„Ich versuchte lediglich,. .. die materiellen Dinge zu bekommen.“
Ich besuchte ab und zu einen weißen Jungen, der mit mir zusammen Basketball spielte und in Forest Hills wohnte, einem der reichen Vororte. Damals war ich nicht in der Lage, zu analysieren, warum die Leute dort so wohlhabend waren und wir nicht. Ich versuchte lediglich, mir die Werte der Mittelklasse anzueignen, eben die materiellen Dinge zu bekommen.
Ich begann mich mit einer Gruppe leichtsinniger Burschen in der Schule zusammenzutun. Sie liefen herum und stahlen Geld von Banken, indem sie einfach über das Gitter des Kassierers reichten. Sie hatten eine Garderobe zu Hause fast wie aus einem exklusiven Konfektionshaus. Ich begann Kleidungsstücke zu stehlen, um mich auch so anziehen zu können, damit jedermann sah, wie flott ich war.
Als Ergebnis von Ladendiebstählen wäre ich beinahe von der Schule verwiesen worden. Ich wurde nach dem Jugendgerichtsgesetz zur Verantwortung gezogen — die Unterlagen wurden vernichtet, aber ich mußte vor Gericht erscheinen. Ich war erst fünfzehn Jahre alt. Der Richter sagte: „Wenn du mir jemals wieder vors Gesicht kommst, sperre ich dich ein, bis du 21 bist.“ Das versetzte mir einen Stoß und half mir über die nächsten drei Jahre weg, lange genug für mich, um die Oberschule zu beenden.
Mit Hilfe eines Sportstipendiums versuchte ich, eine Hochschule zu besuchen, aber es klappte nicht. Ich war noch nicht so weit — es war eine Art Verblendung. Ich dachte lediglich, ich würde ein großer Basketball-Star werden.
„ ... als ob die ganze Welt über mir zusammenfiel.“
Dann landete ich bei der Wehrmacht. Ich wurde für die Offiziersanwärterschule ausgesucht — aber als ich einmal heimfuhr, blieb ich zu lange auf einen meiner Drei-Tage-Pässe weg, so daß ich von der Offiziersanwärterschule entlassen wurde. Dann schickten sie mich nach Übersee, nach Deutschland. Als ich dort ankam, betätigte ich mich auf dem schwarzen Markt. Ich wurde als unerwünscht entlassen, und nachdem dies geschehen war, war es, als ob die ganze Welt über mir zusammenfiel. Als man mir nach meiner Rückkehr in die Staaten erzählte, daß ich keine Anstellung finden könne und daß dies ein bleibendes Brandmal in meinen Unterlagen sein würde, mußte ich Rache üben — ich mußte beweisen, daß ich es der Gesellschaft heimzahlen konnte, daß ich mich nicht anzupassen brauchte, um zu existieren.
Ich kam nach New York zurück und befaßte mich mit unerlaubten Tätigkeiten in den Straßen, bis es im Jahre 1967 den Höhepunkt erreichte, als ich einen Supermarkt plünderte. Ich hatte keine Gewalt angewandt und war nicht bewaffnet. Die Polizei wartete draußen auf mich. Und das war das Beste, was mir passieren konnte. Ich spielte mit dem Tod, aber Gott beschützte mich mit Seiner großen Macht; Er ließ mich nicht weitermachen.
Wissen Sie, ich hatte schon immer das Gefühl, schon als kleines Kind, und selbst als ich so leichtsinnig lebte, daß etwas Besonderes auf mich wartete, daß ich für eine große Aufgabe bestimmt war. Ich hatte keine Ahnung, was das sein könnte. Religion war das letzte, woran ich gedacht hätte. Jetzt weiß ich, wofür ich bestimmt bin: Gutes auszudrücken und mich mit dem universellen Gesetz des Guten in Einklang zu bringen, das den Menschen mit derselben Präzision erhält wie die Sterne.
Das Böse hat in Wirklichkeit keine Macht. Es ist genauso,wie Mrs. Eddy sagt: „Das größte Unrecht ist nur ein angebliches Gegenteil des höchsten Rechts.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 368; In meinem Fall wurde der Irrtum eben zur Vernichtung reif. Als ich vor dem Supermarkt festgenommen wurde, hatte der Irrtum sein Ende erreicht. Gerade dort hatte ich meinen Weg in die Freiheit angetreten.
Für 22 Monate befand ich mich in Untersuchungshaft. Ein Untersuchungsgefängnis ist kein angenehmer Ort. Insassen und Wächter lassen ihre Enttäuschung aneinander aus, und jeden Moment kann ein Aufruhr ausbrechen. Der Häftling bekommt keine Post, seine Familie und seine Freunde haben ihn für gewöhnlich aufgegeben, und das einzige, womit er seine Gedanken beschäftigen kann, ist, wie er sich rächen und jemanden finden kann, der für seine Leiden bezahlen muß.
„ ... plötzlich war es, als ob die Auferstehung des Lazarus meine eigene war.“
Bevor ich festgenommen wurde, kannte ich die Christliche Wissenschaft nicht. So vegetierte ich in meiner Zelle; mein Denken war vor Langerweile und Enttäuschung abgestumpft. Eines Tages besuchte ich einen Gottesdienst der Christlichen Wissenschaft, nur um mein Denken zu beschäftigen. Und das war gerade das, was ich brauchte. Geistige Nahrung. Und von dem Augenblick an ging eine große Veränderung in meinem Leben vor sich, und die Wissenschaft wurde ein Teil von mir. Ich saß in der Kapelle und sah aus wie eine wandelnde Leiche, aber plötzlich war es, als ob die Auferstehung des Lazarus meine eigene war. Als ich die Treppe zu meiner Zelle hinunterging, brüllte ich vor Freude, so laut ich konnte. Ich hatte sofort etwas von der Wahrheit verstanden. Ich sah, daß meine wahre Identität im Gemüt, in Gott, immer gut gewesen war und immer gut sein würde.
Ich hatte meine Familie verlassen, aber meine Mutter kam natürlich, um mich zu sehen. Sie bemerkte, daß ich Herr der Lage zu sein schien und war neugierig. So erzählte ich ihr von der Wissenschaft. Sie hatte immer nach der Wahrheit gesucht und beschäftigte sich nun sofort mit der Christlichen Wissenschaft und schickte meinen Bruder zur Sonntagsschule.
Die Christlichen Wissenschafter, die mich besuchten, bestärkten mich nur noch in der Wissenschaft. Sie standen mir auf dem ganzen Weg bei. Sie versuchten niemals, zu predigen; nicht was sie sagten, war ausschlaggebend, sondern lediglich ihre liebevolle Einstellung. Sie waren Leute, denen es nichts ausmachte, welche Farbe ich hatte oder was ich getan hatte. Sie sahen mich als den wahren, von Gott erschaffenen Menschen, und sie wußten, daß das Böse über mich nicht wahr war. Sie behandelten mich wie einen König.
So erkannte ich, daß ich nicht durch die Verhältnisse gefangen war. Obwohl ich mich körperlich im Gefängnis befand, stand es mir doch frei, an der Wahrheit festzuhalten, und die Wahrheit ist ein Gesetz der Befreiung. Zuerst befreite es mein Denken vom Bösen, und dann befreite es meinen Körper aus dem Gefängnis.
Die Wissenschaft wurde mir nun zur Lebensweise, und ich tat mich mit anderen Männern zusammen, die aufnahmebereit waren. Wir forschten täglich in der Bibel und in den Zeitschriften der Christlichen Wissenschaft und dachten über all die Worte Mrs. Eddys nach, um ein tieferes Verständnis zu erlangen. Selbst in jener miserablen Atmosphäre empfanden wir immer diese Harmonie, dem Bibelwort gleich: „Wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen.“ Matth. 18:20. Wissen Sie, man kann Harmonie zum Ausdruck bringen, weil man keine andere Wahl hat. Man will seinem Leiden ein Ende machen. Das Ergebnis war, daß die Männer von Heilungen körperlicher Leiden wie falscher mentaler Gelüste berichteten. Das ist es, was den Männern im Gefängnis — was mir — solch eine Liebe zur Christlichen Wissenschaft eingegeben hat. Ich lebte sie wirklich täglich.
Man kann entweder auf die Stufe der Feindseligkeit hinabsinken, die zur Vernichtung führt, oder man kann sich zu der Reinheit des Bewußtseins erheben, das auf Gott, das allerhabene Gemüt, eingestellt ist. Dieses Gemüt kann dem Menschen und dem gesamten Universum nur Gutes bringen. Es ist die einzige wirkliche Macht.
„ ... ich war für die wirkliche Freiheit bereit ...“
Nachdem ich fast zwei Jahre in Haft gewesen war, kam ich zur endgültigen Erledigung meines Falles vor Gericht. In dem Moment fühlte ich, ich war für die wirkliche Freiheit bereit — die geistige Freiheit. Und als Resultat wurde ich nur für einige weitere Monate nach Sing-Sing geschickt. Dann wurde ich in ein anderes Gefängnis überwiesen, in dem es keine christlich-wissenschaftlichen Gottesdienste gab. Ich lernte jedoch einen großartigen protestantischen Geistlichen kennen, der mir die laufenden Exemplare des Christian Science Sentinels gab. Ich wurde in drei verschiedene Gefängnisse überwiesen, aber ich bin dankbar, daß ich immer die Erlaubnis erhielt, mein Buch Wissenschaft und Gesundheit und die Bibel zu behalten und das Vierteljahrsheft der Christlichen Wissenschaft zu bekommen, um die Lektionspredigt zu lesen, die mir half, mein Denken zu läutern.
Wissen Sie, selbst unter den demoralisierenden Verhältnissen eines Gefängnisses hat man die Abgeschiedenheit, in der man versuchen kann, sich selbst zu finden. Der Meister, Christus Jesus, er ging allein auf den Gipfel des Berges, um geistige Stärke zu erhalten — bevor er herunterkam, um die bösen Gedanken der Leute unten zu vernichten. Man kann Seine Abgeschiedenheit benutzen, um sich selbst durch Gebet wieder geistig aufzufüllen, damit man mit den teuflischen Gedanken von Feindseligkeit und Verzweiflung, die man im Gefängnis findet, fertig werden kann. Und das ist es, was die Haft für mich war: ein Berggipfel.
Schließlich wurde meine Strafe im Oktober 1969 ausgesetzt, und ich wurde entlassen, aber draußen warteten die Vollzugsbeamten schon auf mich und brachten mich nach New Jersey auf eine andere alte Anklage hin, die ich fast vergessen hatte — ein gestohlenes Auto. Ich saß meine Strafe in New Jersey bis Juli 1970 ab. Dort hatten sie auch keine Gottesdienste der Christlichen Wissenschaft, aber es war mir doch möglich, einige Samen der Wahrheit unter denen zu säen, die empfänglich dafür waren.
Ich kann mich erinnern, daß ich zu einem Richter sagte: „Die Begnadigung durch einen Richter oder der Freispruch durch die Geschworenen kann nur dazu ermutigen, die Straftat zu wiederholen. Denn das Motiv, das dazu geführt hat, muß von innen heraus vernichtet werden — durch mich.“ Ich wußte, daß es nicht der Richter, die Polizei oder die Geschworenen waren, die mich ins Gefängnis schickten, und daß ich nicht das Opfer der Verhältnisse war. Es war lediglich mein falsches Denken. Ich mußte meine Motive in bezug auf das Leben ändern.
Oft werde ich gefragt, ob ich verbittert sei. Nein, ich lernte, daß wir nur das im Leben ernten, was wir säen. Ich säte vor langer Zeit die Gedanken, die mich ins Gefängnis brachten, und ich erntete nur das Ergebnis meines eigenen Denkens, meiner eigenen Vergehen. Ich weiß, daß ich das jetzt berichtigt habe. Mein Körper kam unverändert aus dem Gefängnis heraus, aber ich bin innerlich durch die Christliche Wissenschaft gewachsen.
Das erste, was ich tat, als ich entlassen wurde, war, daß ich eine Zweigkirche Christi, Wissenschafter, besuchte, der die Leute angehörten, die mir beigestanden hatten. Ich fühlte mich nicht fremd dort; ich hatte das Gefühl, daß ich nach draußen kam und auf dieselbe Weise leben würde, auf die ich drinnen gelebt hatte. Ich wohnte im Bewußtsein des Guten und würde es weiterhin tun. Ich hatte die bösen Gedanken überwunden, die die Harmonie des Lebens vor mir verborgen gehalten hatten.
„ ... wenn ich die Greuel des Gefängnislebens überwinden kann, dann kann jeder über alles hinwegkommen.“
Einige Monate später wurde ich Mitglied Der Mutterkirche. Ich fühlte, daß ich bereits im Geist und durch Demonstration ein Mitglied war. Später trat ich auch einer Zweigkirche bei.
Ich schrieb mich für ein spezielles Programm auf einer Hochschule ein, das es Studenten von Minderheitsgruppen ermöglicht zu studieren. Dann besuchte ich die Universität und erhielt sehr gute und gute Beurteilungen in meinem Hauptfach für schriftstellerische Arbeiten.
Ich fand die Wissenschaft durch viel Leiden. Jetzt will ich versuchen, andere in Gefängnissen zu erreichen und ihnen zu zeigen: wenn ich die Greuel des Gefängnislebens überwinden kann, dann kann jeder über alles hinwegkommen.
Ein Bursche im Gefängnis sagte einmal zu mir: „Weißt du, Mann, ich könnte mich ändern, ja, und vielleicht sollte ich mich ändern und etwas Besseres tun, aber was? Ich bin so lange gewohnt, auf der anderen Seite des Gesetzes zu leben, was soll ich denn machen, Mann? Was weiß ich denn, wie ich es machen kann!“
Nun, er könnte eigentlich alles tun, was er wollte, wenn er den Weg wüßte. Und die Christliche Wissenschaft ist der Weg.
