Der Zweck einer jeden Tätigkeit in der Kirche Christi, Wissenschafter, ist, die Menschheit zu vergeistigen und zu erlösen. In der Ordnung der Gottesdienste, die Mrs. Eddy im Handbuch Der Mutterkirche umrissen hat, ist daher nichts unwichtig. Welchen Zweck hätte eine Tätigkeit, wenn sie nicht die Früchte der Inspiration und Heilung mit sich brächte? Daher sollte das Solo, das in den christlich-wissenschaftlichen Gottesdiensten gesungen wird, nicht nur als ein angenehmes musikalisches Zwischenspiel angesehen werden. Alle Demonstrationen in der Christlichen Wissenschaft basieren auf der göttlichen Wirklichkeit, und das Singen des Solos sowie das Zuhören bilden keine Ausnahme.
Gott ist die einzige Ursache und der einzige Schöpfer. Der Mensch ist die Wirkung; er ist weder die Ursache noch der Schöpfer irgendeiner Sache. Da Gott, Gemüt, allmächtig und allwissend ist, gehört jeder wahre Ausdruck und jedes wahre Hören Ihm allein an. Gott ist allwirkend. Die einzig wirkliche Stimme ist die Stimme der Liebe. Diese Stimme ist in ihrem Umfang und ihrer Schönheit unbegrenzt. Ihr Bereich ist der volle Umfang der Herrlichkeit der Seele. Wirkliche Kunst ist der Ausdruck des Prinzips, das Vollkommenheit in unendlicher Harmonie bekundet, deren Farbe, Form und Anmut von der göttlichen Liebe stammen. Ausgeglichenheit, Rhythmus, Sicherheit und Schönheit in ihrer wahren Bedeutung sind Eigenschaften der Seele.
Diese zauberhaften Schönheiten der göttlichen Wirklichkeit tun sich dem menschlichen Sinn durch inspirierende Botschaften der Liebe und Reinheit kund. Sie werden sichtbar in solchen Dingen wie der strahlenden Anmut und Schönheit von Blumen, Bäumen, Musik, Kunst und in den Offenbarungen der Wahrheit und ihrer Demonstration durch eine von Gott inspirierte Menschheit. Die Unermeßlichkeit der Liebe zeigt sich in solch köstlicher und einfacher Form wie der Kindlichkeit und der Freude eines dankbaren Herzens.
Der Sologesang in einer christlich-wissenschaftlichen Kirche sollte von der Herrlichkeit Gottes erstrahlen. Seine Botschaft sollte von der Seele inspiriert und seeleninspirierend sein. Sänger wie Gemeinde sollten gemeinsam auf die Botschaft Gottes hören und sich an ihr freuen. Der wachsame Solist erkennt, daß diese Botschaft der wichtigste Teil des Solos ist. Die Botschaft ist wie Wasser für den durstigen Reisenden. Die Musik und die Stimme sind das Gefäß, in dem das Wasser dem menschlichen Denken dargeboten wird. Ohne das Wasser kann das Gefäß nicht den Durst stillen. Ein Solist mag melodisch singen und eine schöne Stimme haben, aber solange der Sologesang keine göttlich inspirierte Botschaft enthält, ist seine Mission nicht erfüllt.
Der Solist hat eine große Aufgabe zu erfüllen, nämlich die, Gottes Wort auf Erden kundwerden zu lassen, und das kann nur geschehen, wenn er selbstlos und hingebungsvoll ist. Eine geistige Idee enthält in sich selbst jede Phase ihres von Gott erschaffenen Seins. Menschlich ausgedrückt erscheinen diese Phasen als richtige Modulation, Technik und künstlerisches Können. Gefühlsbetontheit oder Sentimentalität sollten nicht mit der Echtheit des göttlichen Ausdrucks verwechselt werden. Für ein aufrichtiges Gefühl gibt es keinen Ersatz.
Der Besitz einer schönen Stimme macht einen ebensowenig zu einem guten Sänger, wie einen der Besitz einer Stradivari zu einem guten Violinisten macht. In einem Nachschlagewerk über Musik heißt es: „Die Stimme ist ein musikalisches Instrument wie jedes andere, aber mit der zusätzlichen Macht, die Laute — Worte genannt — einzurahmen und diese mit ihren Tönen zu vereinen.“ Selbst den Tönen kann man eine Qualität des Denkens verleihen, die auf irgendeinem anderen Instrument schlecht nachgeahmt werden könnte. Daher muß die Stimme richtig gebraucht werden, bevor jemand ein guter Sänger genannt werden kann. Ein Solist in einer christlich-wissenschaftlichen Kirche sollte Talent, künstlerischen Sinn, Schönheitsgefühl und geistiges Verständnis besitzen.
Die Worte sollten deutlich zu verstehen sein, die Stimme sollte gut ausgebildet sein und beherrscht werden, und die Musik sollte mit künstlerischem Verständnis wiedergegeben werden. Der demütige Sänger hört nie auf zu lernen. Er strebt unaufhörlich danach, Vollkommenheit auszudrücken, denn er erkennt, daß der menschliche Begriff von Vollkommenheit, wie schön er auch sein mag, nicht das Endziel ist. Er strebt danach, in seinem eigenen Leben die Wahrheit zu beweisen, daß das göttliche Prinzip durch seine ganze Schöpfung hindurch Wissenschaft und Kunst zum Ausdruck bringt.
Die Auswahl guter Sologesänge ist sehr wichtig. Die Worte sollten zu der Bibellektion passen, die im Vierteljahrsheft der Christlichen Wissenschaft für den Gottesdienst vorgesehen ist, in dem das Solo gesungen wird. Die Musik sollte ein hohes musikalisches Niveau haben. Im Kirchenhandbuch hat Mrs. Eddy eine Vorkehrung getroffen, die sich auf die Musik in der Kirche bezieht. Sie lautet auszugsweise: „Die Musik in Der Mutterkirche soll nicht opernhaft sein, sondern einen angemessenen religiösen Charakter tragen und den Ansprüchen genügen, die man an anerkannt gute Musik stellt. Sie soll in würdevoller und passender Weise zur Ausführung kommen.“ Handb., Art. XIX Abschn. 1;
Je mehr der Sänger die technische Seite seiner Kunst meistert und sie sich untertan macht, desto freier kann er die höheren Begriffe musikalischen und geistigen Ausdrucks bekunden. Seine Aufgabe besteht darin, Gott zu verherrlichen, und er ehrt Gott durch die sich daraus ergebende Ermutigung und Inspiration.
Ein Solist stellte fest, daß sich das Solo fast von selbst zu singen schien, wenn sein Denken völlig selbstlos und von der Herrlichkeit und dem Wunder der Schöpfung Gottes erfüllt war, und er hörte voller Freude zu, als ob er persönlich nichts damit zu tun hätte. Als sich ihm einmal die Schwierigkeiten eines körperlichen Problems und Furcht aufdrängen wollten, öffnete er die Bibel, und folgende Verse fielen ihm ins Auge: „Herr, ich traue auf dich, laß mich nimmermehr zuschanden werden... Meine Lippen und meine Seele, die du erlöst hast, sollen fröhlich sein und dir lobsingen“ Ps. 71:1, 23; und: „Ich will den Namen Gottes loben mit einem Lied und will ihn hoch ehren mit Dank.“ 69:31; Die Dankbarkeit, die sein Herz erfüllte, zerstreute nicht nur die Schwierigkeit, sondern auch die Furcht, und er sang das Solo ohne Behinderung und mit einem tiefen Glücksgefühl.
Befangenheit ist ein Problem, dem sich darstellende Künstler manchmal in der Öffentlichkeit gegenübergestellt sehen. Sie wird richtigerweise als falsches Selbstbewußtsein bezeichnet, denn sie wird durch eine das Bewußtsein erfüllende persönliche Auffassung vom Selbst hervorgerufen. Mrs. Eddy sagt über Jesus: „Um sein heiliges Vorhaben ausführen zu können, mußte er das menschliche Selbst vergessen.“ Vermischte Schriften, S. 162; Die Lösung liegt daher nicht in Eigendünkel, sondern darin, daß man sich seines wahren, geistigen Wesens stärker bewußt wird. Dieses selbstbewußte Einssein mit Gott ist eine geistige Erfahrung. Sie legt Zeugnis vom heilenden Christus ab, der Furcht und Mißerfolg beseitigt, das eine Gemüt offenbart und sich seines vollkommenen Ausdrucks erfreut.
Obwohl sich für die menschliche Auffassung der Dinge ein Wachstumsprozeß zu vollziehen scheint, besteht die geistige Tatsache, daß alles vollkommen ist. In Wissenschaft und Gesundheit von Mary Baker Eddy lesen wir: „Nichts ist neu für den Geist. Nichts kann für das ewige Gemüt, den Urheber aller Dinge, neu sein, der Seine eigenen Ideen von aller Ewigkeit her kennt. Die Gottheit war zufrieden mit ihrem Werk.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 518. Die Erkenntnis dieser Tatsache vernichtet sowohl die Furcht vor Kritik wie das Verlangen nach menschlichem Lob.
Die Begleitung des Solos kann sich auf die Wiedergabe günstig oder ungünstig auswirken. Ein guter Begleiter versteht sowohl die Musik wie die Worte. Er bemüht sich, den gesamten Gesang wundervoll zu ergänzen. Ein Sänger kann durch die verständnisvolle Unterstützung einer wunderschön gespielten Begleitung erhoben werden. In einem Solo, das er mit einer Reihe von Begleitern gesungen hatte, wählte ein Sänger jedesmal eine zur Wahl stehende tiefere Note. Vom musikalischen Gesichtspunkt aus bevorzugte er die höhere Note, aber es schien ihm unmöglich zu sein, sie zu erreichen. Eines Tages übte er mit einem Organisten, der ein Feingefühl für die Schönheit der Töne und für verständnisvolle Darbietung hatte. Seine Art der Begleitung war so erhebend, daß der Solist mental über die hohe Note erhoben wurde und feststellte, daß er sie leicht und freudig singen konnte, ohne sich anstrengen zu müssen. Von der Zeit an konnte er selbst höhere Noten furchtlos singen, und er tat dies mit Leichtigkeit und Überlegenheit.
Obwohl ein Solo und die Begleitung technisch korrekt sein mögen, so ist doch der Seelen-Sinn für eine heilende und erhebende Darbietung vonnöten.
Die Stimme des Wortes Gottes wird im Heiligtum des geistigen Sinnes vernommen. Sie verkündet die Herrlichkeit und Vollkommenheit der Schöpfung der Seele; sie offenbart den Menschen als die Widerspiegelung des einen Ego; und sie tut sich der Menschheit in Form von Befreiung, Sicherheit, Freude, Vollständigkeit, Reinheit, Frieden und Liebe kund.
Zion, du Freudenbotin,
steig auf einen hohen Berg;
Jerusalem, du Freudenbotin,
erhebe deine Stimme mit Macht;
erhebe sie und fürchte dich nicht!
Sage den Städten Judas:
Siehe, da ist euer Gott.
Jesaja 40:9
