Als die Verfasserin das Studium der Christlichen Wissenschaft begann, liebte sie ganz besonders die Zeugnisversammlungen am Mittwochabend, weil sie durch die Erfahrungen anderer Christlicher Wissenschafter neuen Mut, Ansporn zum Ausarbeiten ihrer Probleme und manche hilfreiche Belehrung empfing. Sehr bald erwachte in ihr der Wunsch, auch aufzustehen und für die Segnungen zu danken, die ihr das Studium und das Anwenden dieser praktischen, wirklich christlichen Religion beschert hatten. Aber sie fühlte sich wie von einer eisernen Faust auf ihren Platz niedergedrückt.
Es war ihr klar, daß Furcht die Ursache dieser mentalen Gefangenschaft war, aber wie konnte sie sich von ihr befreien? Als sie eines Tages die bekannten Worte im 1. Brief des Johannes las: „Furcht ist nicht in der Liebe, sondern die völlige Liebe treibt die Furcht aus“ 1. Joh. 4:18;, erkannte sie plötzlich, daß Liebe ihr helfen würde, dieses Problem zu lösen. Sie war sich sicher, daß ihr die erlösende Macht der Liebe endgültige Befreiung bringen würde.
Als erstes erkannte sie, daß sich unter der Maske der Bescheidenheit und Schüchternheit, die ihr bis jetzt als christliche Tugenden erschienen waren, in Wirklichkeit egozentrisches, menschlich eingestelltes Denken verbarg. Was hatte die Propheten, den großen Lehrer Christus Jesus, seine Jünger und seine treuen Nachfolger aller Zeiten dazu befähigt, frei und mutig die Wahrheit über Gott und Seine vollkommene Schöpfung einschließlich des Menschen zu verkünden? Sie hatten sich selbst vergessen in dem heiligen Bestreben, die frohe Botschaft von Gottes unendlicher Güte und Vollkommenheit zu verbreiten. Der Apostel Paulus erklärte seinem jungen Freund Timotheus mit folgenden Worten den Grund seiner Furchtlosigkeit: „Denn Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Zucht.“ 2. Tim. 1:7;
Mrs. Eddy, die allen Widerständen zum Trotz in unserem Zeitalter den Christus, die Wahrheit, aufs neue verkündet hat, drückt den gleichen Gedanken aus, wenn sie schreibt: „Liebe ist der Befreier.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 225;
So wurde der Schreiberin allmählich klar, daß sie sich nicht mehr als Sterbliche unter anderen Sterblichen sehen durfte, sondern als das Bild und Gleichnis Gottes, als eine göttliche Idee, die mit anderen göttlichen Ideen in der Allheit der göttlichen Liebe lebte. Auf diese Weise fühlte sie sich viel freier, denn niemand braucht sich vor den Ideen Gottes — den Kindern Gottes — zu fürchten.
Beim weiteren Analysieren ihrer Gedanken stieß die Schreiberin auf ein neues hemmendes Argument: „Ich bin gewiß nicht fähig, mich klar und richtig auszudrücken.“ Eine eingehende Prüfung dieses Arguments deckte aber bald seine falsche, irreführende Natur auf. Die Christliche Wissenschaft lehrt, daß das göttliche Gemüt, nicht der sterbliche Mensch, die Quelle aller wahren und guten Gedanken ist.
Gott ist die einzige Intelligenz, und der Mensch spiegelt Seine unerschöpflichen Fähigkeiten wider. Unser himmlischer Vater, der, wie uns die Bibel versichert, „in [uns] wirkt beides, das Wollen und das Vollbringen, zu seinem Wohlgefallen“ Phil. 2:13;, versorgt einen jeden, der Ihm öffentlich danken möchte, mit den richtigen Ideen und Worten, wie es Seiner unendlich liebevollen Natur entspricht. Eine Bedingung aber muß erfüllt werden. Man muß seine eigene materielle Persönlichkeit so völlig vergessen, daß man die Ideen, die einem zuströmen, nicht durch sie verfälschen läßt. Unser Meister sagte zu seinen Jüngern: „Ihr seid's nicht, die da reden, sondern der heilige Geist.“ Mark. 13:11; Diese befreiende Versicherung unseres großen Lehrers gilt für seine Nachfolger in jedem Zeitalter.
Mrs. Eddy versichert uns: „Alles, was den menschlichen Gedanken auf gleicher Linie mit selbstloser Liebe erhält, empfängt unmittelbar die göttliche Kraft.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 192. Sie hatte selbst die Wahrheit dieser Worte erfahren, wenn sie vor vielen Menschen inspirierende, heilende Predigten hielt.
Wenn wir uns nun ehrlich fragen, warum wir so oft das Erfüllen dieser Ehrenpflicht, Zeugnisse abzulegen, vernachlässigen, so finden wir vielleicht einen neuen Einwand des sterblichen Gemüts — die Furcht, kritisiert zu werden. Manchmal mag die Gewohnheit, die Zeugnisse anderer zu kritisieren, dieser Furcht zugrunde liegen. Hier kann wieder die befreiende Macht der Liebe Abhilfe schaffen. Es mag ja sein, daß uns das Zeugnis eines anderen nicht das gegeben hat, was wir von ihm erwarteten. Seien wir aber versichert, daß es irgendeinem suchenden Herzen in der Gemeinde gerade die Antwort gebracht hat, die ihm not tat, und freuen wir uns darüber. Wenn wir ein Heilungszeugnis als ein liebevoll dargebrachtes Geschenk betrachten, fallen wir nicht der Versuchung anheim, es zu kritisieren.
Ein weiteres Argument mag sein: „Ich würde ja gern meinen Dank für eine bedeutende Demonstration von der heilenden Kraft des Christus, der Wahrheit, bezeugen, aber ich habe doch nur von unbedeutenden, uninteressanten Beweisen zu berichten.“ Lassen wir uns nicht davon abhalten, für die Lösung eines in unseren Augen kleinen Problems öffentlich zu danken. Unser bescheidenes Zeugnis mag die wenigen Brote und Fische darstellen, die, vom Christus gesegnet, alle Teilnehmer erfrischen und stärken.
Auch Zeugnisse, die von Heilungen berichten, die lange Zeit in Anspruch genommen haben, können außerordentlich hilfreich sein. Sie ermutigen denjenigen, der schon seit längerem mit einem Problem zu ringen hat, in seinen Bemühungen um dessen Lösung nicht zu erlahmen. Der Bericht einer solchen Heilung mag entscheidend für einen Hilfesuchenden sein. Es ist gut, hieran zu denken, wenn uns der Irrtum davon zurückhalten will, von einem schwer erkämpften Sieg zu berichten.
Oft ist das Abgeben eines Heilungszeugnisses mit dem Entrichten des Zehnten verglichen worden, von dem wir häufig in der Bibel lesen. Es ist interessant zu erfahren, daß einem Brauch zufolge, der im 12. und 14. Kapitel des fünften Buches Mose berichtet wird, diese Dankesgaben an den Herrn Anlaß zu einem freudigen Festmahl waren, das der Gebende und die Mitglieder seines Haushaltes mit seinen Nachbarn im Tempel selbst einnahmen. Denken wir also daran, daß wir nicht den Zehnten unserer Dankesgabe den Freunden vorenthalten, die zum Gottesdienst gekommen sind, sondern bereiten wir ihnen ein reiches Mahl, bei dem niemand leer ausgeht.
