Die meisten Menschen, die sich für die Christliche Wissenschaft zu interessieren beginnen, tun dies aus dem Wunsch heraus, geheilt zu werden. Oft wenden sie sich an einen Ausüber der Christlichen Wissenschaft und erleben mit seiner Hilfe die ersehnte Heilung. Sie lernen jedoch bald erkennen, daß die Christliche Wissenschaft nicht ausschließlich eine Heilmethode ist, sondern in erster Linie eine Religion.
Im Markusevangelium lesen wir von den elf Jüngern: „Sie aber gingen aus und predigten an allen Orten. Und der Herr wirkte mit ihnen und bekräftigte das Wort durch die mitfolgenden Zeichen.“ Mark. 16:20; Die „mitfolgenden Zeichen“ der Christlichen Wissenschaft sind ihre Heilungen. Mrs. Eddy schreibt im Vorwort zu Wissenschaft und Gesundheit: „Im Geist der Liebe Christi — als eine, die alles hoffet, alles duldet und freudig den Leidtragenden Trost und den Kranken Heilung bringt — übergibt sie diese Blätter den ehrlichen Suchern nach Wahrheit.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. xii;
Die Christliche Wissenschaft wendet sich nicht in erster Linie an die Sucher nach Heilung, sondern an die Sucher nach Wahrheit.
Der Anfänger in der Christlichen Wissenschaft fragt, ob denn eine Verbindung zwischen Wahrheit und der ersehnten Heilung bestehe. Vor vielen Jahrhunderten sagte Christus Jesus: „[Ihr] werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen.“ Joh. 8:32; Da die Christliche Wissenschaft die Wissenschaft des Christentums ist, sollte es uns nicht wundern, daß Mrs. Eddy die Worte Jesu in inspirierter Weise folgendermaßen beleuchtet: „Die Medizin eines Christlichen Wissenschafters ist Gemüt, die göttliche Wahrheit, die den Menschen frei macht.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 453;
Um aber durch diese Wahrheit frei, d. h. geheilt zu werden, ist es unerläßlich, sie zu kennen. Die Christliche Wissenschaft lehrt uns, daß Wahrheit eines der sieben Synonyme für Gott ist. Außer Prinzip entnahm Mrs. Eddy alle diese Bezeichnungen für Gott — nicht nur Wahrheit, sondern auch Gemüt, Geist, Seele, Leben und Liebe — der Bibel oder leitete sie von ihr ab. Wenn wir Gott als Wahrheit erkennen wollen, ist es wichtig, zugleich die anderen Synonyme für Gott zu betrachten.
Und hier beginnt für den Christlichen Wissenschafter die Arbeit — eine segensreiche, heilende, freudige Aufgabe, nämlich, ein umfassendes Verständnis von Gott zu gewinnen. In der Christlichen Wissenschaft lernen wir Gott als intelligentes Gemüt kennen, das unsere Fähigkeiten erweitert; als unendlichen Geist, der uns Kraft und Mut verleiht; als Seele, die Harmonie und Schönheit zum Ausdruck bringt; als gesetzmäßiges Prinzip, das kein Unrecht duldet; als nie endendes Leben, das uns Frische, Freude und Energie für jeden Tag gibt, und als barmherzige, gütige Liebe, die uns täglich umfängt.
Eine solche Kenntnis von Gott führt logischerweise zu einer richtigen Kenntnis vom Menschen als dem Kind Gottes. Da der Mensch zu Gottes Bild und Gleichnis erschaffen ist, wie die Bibel erklärt, lernen die Christlichen Wissenschafter diese Widerspiegelung Gottes als geistig, harmonisch, rechtschaffen, liebevoll und gesund kennen. Diese Idee, der von Gott erschaffene Mensch, kann niemals von Furcht erfüllt, von Mißgeschick verfolgt oder von Krankheit geplagt werden. Wenn sich unserem Empfinden ein solcher Zustand darbietet, müssen wir augenblicklich und standhaft erkennen, daß, da Gott die einzige Macht, die Allmacht, ist, der Zustand eine Lüge ist, die uns zwingen möchte, eine andere Macht als die Macht Gottes anzuerkennen. Wenn wir nun beginnen, unsere Gedanken mit dem göttlichen Gemüt in Übereinstimmung zu bringen, indem wir Gottes Allmacht anerkennen, macht sich in unserer menschlichen Erfahrung eine Wendung zum Besseren bemerkbar, und Heilung ist das Ergebnis.
Ich besitze eine Kamera, mit der man auf ganz einfache Weise ein scharfes Foto herstellen kann. Sieht man durch den Sucher dieser Kamera, so erblickt man zunächst ein verzerrtes Bild. Die obere Hälfte des Bildes hat sich nach links oder rechts verschoben und paßt nicht zu der unteren Hälfte. Durch Drehen des Objektivs aber nähert sich die obere Hälfte des zu fotografierenden Gegenstandes der unteren Hälfte, bis schließlich beide Teile zusammenpassen. Wenn dies geschieht, weiß ich, daß die richtige Bildschärfe eingestellt ist, und ich erhalte ein klares, scharfes Bild.
Wenn wir einen ähnlichen Vorgang auf unser Bewußtsein anwenden, merken wir, daß das Bild — unsere Erfahrung — verzerrt und unscharf ist, wenn unsere menschlichen Gedanken mit den göttlichen Gedanken nicht übereinstimmen, und wir sind unglücklich, weil sich keine Lösung für unser Problem zeigt. Wenn wir aber dann, bildlich gesprochen, das Objektiv drehen, bis beide Teile genau übereinstimmen, d. h., wenn wir in unserem Bewußtsein so beweglich sind, daß es uns gelingt, unser menschliches Planen und Wollen mit dem göttlichen Willen in Übereinstimmung zu bringen, dann ist das Bild klar. Und wir erleben gute, harmonische, ausgezeichnete Ergebnisse, nämlich die Heilung der uns bedrängenden Probleme.
Die Christliche Wissenschaft ist eine Religion, die eine Betätigung von uns fordert, nämlich die Umwandlung und Läuterung unseres Denkens. Wenn wir Fortschritte machen wollen, wenn wir Heilung erleben möchten, dürfen wir den Forderungen Gottes nicht ausweichen. Kein Christlicher Wissenschafter kann es sich erlauben, im Studium der Bibel und des Lehrbuchs Wissenschaft und Gesundheit und der anderen Werke Mrs. Eddys nachlässig zu werden; kein Christlicher Wissenschafter kann es sich erlauben, das Wort Gottes nur im Munde zu führen, ohne es zu betätigen. Eine solche Haltung verzögert die Lösung eines Problems.
In keinem anderen Bereich des menschlichen Lebens zeigt sich die Notwendigkeit der Übereinstimmung von Denken, Sprechen und Handeln so klar wie bei der Überwindung von Schwierigkeiten in der Christlichen Wissenschaft. Ein Christlicher Wissenschafter sollte täglich mit den Worten des Psalmisten sagen: „Ich habe mir vorgenommen, daß mein Mund sich nicht vergehe.“ Ps. 17:3;
Dem Anfänger in der Christlichen Wissenschaft kommen diese Forderungen, seine Gedanken täglich, stündlich, ja jeden Augenblick zu kontrollieren, vielleicht hart vor, denn ein jeder weiß, wie schnell ein falscher, ärgerlicher, neidischer oder furchtsamer Gedanke von uns Besitz ergreifen kann. Doch ohne Arbeit, ohne Streben und Bemühen kann im Leben niemals etwas vollbracht werden. Wir müssen die Tatsache, daß der Mensch von Gott erschaffen und daher auch von Ihm regiert und erhalten wird, als eine lebendige Wirklichkeit fühlen und verstehen. Alles routinemäßige Aufsagen von Wahrheitsgedanken nützt nichts: alles oberflächliche Lesen des Lehrbuchs bringt uns nicht weiter. Wir müssen diese göttlichen Gedanken empfinden, ganz von ihnen durchdrungen sein; dann kommt die Inspiration und damit die Heilung.
Unser Gebet, das zu Gott emporsteigt, sollte von dem demütigen Verlangen erfüllt sein, Gott in jedem Augenblick durch Wort und Tat widerzuspiegeln. Dann wird unser Bewußtsein mit Gedanken der Freude, der Nächstenliebe, der Barmherzigkeit, der Güte und der Dankbarkeit erfüllt sein; und unrechtes und falsches Denken wird keinen Raum mehr haben. In dem Maße, wie ein solcher Mensch diese von Gott verliehenen Eigenschaften liebt und sie betätigt, verschwindet alles Übel, aller Kummer, alle Disharmonie und alle Krankheit. Doch um einen solchen Sieg über alle diese Schwierigkeiten zu erleben, müssen wir studieren; wir müssen uns ein umfassendes Wissen über Gott aneignen; wir müssen unser Denken umwandeln, um in voller Klarheit einen vollkommenen Gott und uns als Seine vollkommene Schöpfung erkennen zu können. Dann werden wir den Forderungen Gottes nachgekommen sein, denn wir werden Mrs. Eddys liebevolle Ermahnung befolgen: „Steh Wache an der Tür des Gedankens.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 392.
