Jeder, der wie Jesus heilen möchte, muß nicht nur strenge moralische Grundsätze haben, sondern auch geistig gesinnt sein. Unter Gottes Führung wies der Meister seine Nachfolger an, das moralische Gesetz Mose sowohl dem Geist wie dem Buchstaben nach zu befolgen. Kein menschliches Wesen hat je den Christus im Denken und Leben so vollständig zum Ausdruck gebracht wie er, aber es ist ermutigend zu wissen, daß wir uns die Macht des göttlichen Geistes beim Heilen anderer um so besser zunutze machen können, je mehr wir ihm nacheifern.
Jahrhundertelang ist es für diejenigen, die sich an die Bibel hielten, üblich gewesen, das siebte Gebot: „Du sollst nicht ehebrechen“ 2. Mose 20:14; streng auszulegen. Es wurde als eine Regel aufgefaßt, die jede sexuelle Beziehung außerhalb der Ehe ausschloß — nicht nur außereheliche Beziehungen, sondern auch Homosexualität. Obwohl man sich in biblischen Zeiten oft nicht streng daran hielt, wenn es um Prostitution ging, so betrachtete das hebräische Gesetz diese doch ebenfalls als Übel und verbot sie, wenn es sich um israelitische Frauen handelte (s. 3. Mose 19:29). Bei Ehebruch ließ das Gesetz keine Ausnahmen zu, und für diejenigen, die es übertraten, schrieb es die schwerste Strafe vor.
Christus Jesus hielt nicht nur den Buchstaben der Gebote aufrecht, er erklärte außerdem ihren tieferen Sinn. Er sagte von denen, die auch nur den Gedanken an Ehebruch aufkommen lassen: „Wer eine Frau ansieht, ihrer zu begehren, der hat schon mit ihr die Ehe gebrochen in seinem Herzen.“ Matth. 5:28;
Es war seine Aufgabe, die Gemüter der Menschen aus materialistischen Annahmen zum geistigen Bewußtsein zu erwecken. Er wollte, daß sie das unsterbliche Sein erkannten, das von Gott, dem göttlichen Geist, erschaffen wurde, der die einzige Wahrheit ist. Er bezeichnete „das Himmelreich“ als das Ziel der leidenden Menschheit. Dieses verheißene Land ist nicht geographischer Natur wie das von den Israeliten ersehnte, sondern etwas Mentales — ein Bewußtseinszustand, in dem erkannt wird, daß die wahre Schöpfung geistig und vollkommen ist. In diesem Reich sind ewiger Friede und Harmonie das Normale, „und kein Bewohner wird sagen:, Ich bin schwach‘ “ Jes. 33:24;.
Da dieses Reich mental ist, können wir uns nur in dem Maße daran erfreuen, wie uns unsere mentale Wanderung aus dem Materialismus heraus zum geistigen Bewußtsein führt. Einer der Wege, dem die Sterblichen jetzt wie zu Mose Zeiten folgen müssen, ist mentale Keuschheit. Wie Jesus zu verstehen gibt, halten uns selbst lustvolle Gedanken davon ab, den Seelen-Sinn zu demonstrieren, der heilt.
Jahrhunderte später schrieb Mrs. Eddy in Wissenschaft und Gesundheit: „Ein sinnlicher Gedanke, der wie ein Staubkörnchen der geistigen Unermeßlichkeit ins Gesicht geworfen wird, ist törichte Blindheit statt eines wissenschaftlichen, ewigen Schöpfungsbewußtseins.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 263; Ihre Entdeckung der Methode Christi Jesu, körperliche Krankheiten durch geistige Mittel zu heilen, bestätigte die strengen Ermahnungen des Meisters. Er hatte darauf hingewiesen, daß geistige Keuschheit, wie er sie vorlebte, der einzige Weg ist, auf dem jemand „zum Vater“ Joh. 14:6; kommen kann — der einzige Weg, auf dem jemand das lautere, geistige Bewußtsein von dem nahe herbeigekommenen Himmelreich erlangen kann. Dieses Bewußtsein ist die heilende Macht.
Kein menschlicher Zustand ändert die Forderung, daß letzten Endes alles materialistische Denken — das die Ursache von Krankheit und Leiden ist — abgelegt werden muß. Dasselbe trifft auch auf physische Gelüste zu, die von materialistischem Denken herrühren. Das christliche Heilen stellt hohe Anforderungen, und nur diejenigen, die in gewissem Maße selbst ihre eigene Freiheit von fleischlichen Begierden gewonnen haben, können anderen helfen. Wie Mrs. Eddy sagt: „Sinnlichkeit lähmt die rechte Hand und veranlaßt die linke, ihren Halt am Göttlichen fahren zu lassen.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 142;
Die Christliche Wissenschaft entlarvt das betrügerische sinnliche Denken, das sich in sexuellem Verlangen äußert. Der materielle Sinn behauptet, es gebe normale physische Triebe — daß der Fortpflanzungstrieb normal sei und daß es für die geistige und körperliche Gesundheit ebenso wichtig sei, ihn zu befriedigen, wie zu essen und zu trinken. Die Menschheit rebelliert jedoch gegen fleischliche Leiden und strebt danach, von ihnen frei zu werden. Ist es nicht einleuchtend, daß man nicht erwarten kann, von einer Art von Fleischlichkeit frei zu sein, während man ihre Herrschaft in einer anderen Form akzeptiert? Unser Ziel sollte sein, uns von allen Ansprüchen der Materie frei zu machen, sowohl von den schmerzhaften wie von den angenehmen.
Tatsache ist, daß der wirkliche Mensch bereits frei ist. Die von Gott erschaffenen Männer und Frauen sind in Wahrheit geistig. Sie sind unsterblich, sündlos und befinden sich außerhalb des magnetischen Feldes materialistischen Denkens und körperlicher Triebe. Mit Hilfe dieses Verständnisses von der göttlichen Wahrheit, das uns die Christliche Wissenschaft gebracht hat, können wir uns von den despotischen Ansprüchen der physischen Sinne in allen ihren Formen befreien. Und wir müssen dies tun, wenn wir die Gegenwart des guten Universums Gottes erkennen wollen, das geistig, vollkommen und unversehrt ist — wenn wir durch dieses Bewußtsein heilen wollen.
Die Christliche Wissenschaft zeigt uns, daß wir diese Stufe des geistigen Bewußtseins nicht mit einem Mal erreichen können. Jeder Schritt muß zu seiner Zeit getan werden. Erstens, durch striktes Befolgen des mosaischen Gesetzes mit seinen menschlichen Forderungen in bezug auf Moral. Zweitens, durch das Zurückweisen materialistischen, lustvollen Denkens, das aller Unmoral einschließlich ehelicher Untreue zugrunde liegt. Und schließlich durch die Demonstration des Tausendjährigen Reiches, in dem die ganz und gar geistige Schöpfung als unversehrt wahrgenommen wird und in dem Männer und Frauen „weder freien noch sich freien lassen, sondern... gleichwie die Engel im Himmel“ Matth. 22: 30. sind.
Dies bedeutet nicht, daß die Christliche Wissenschaft für die Abschaffung der gesetzlichen Ehe eintritt. Die Ehe wird weiterhin bestehen, und wenn man sie eingeht, sollte man ihren physischen Verpflichtungen liebevoll nachkommen, bis in beiderseitigem Einverständnis darauf verzichtet wird. Die Ehe wird bestehen, bis sich der menschliche Sinn zum Verständnis von der alleinigen Gegenwart der geistigen, unkörperlichen, immerdar unversehrten Schöpfung Gottes erhoben hat und der physische Trieb, sich fortzupflanzen, schließlich in dem Bewußtsein verlorengeht, daß das unsterbliche Universum des Geistes vollständig ist und sich beständig entfaltet. Wie lange es dauern wird, bis dieses Bewußtsein erreicht ist und der Drang zur menschlichen Zeugung aufgehört hat, wissen wir jetzt noch nicht. Aber eines ist sicher: Jede aufrichtige Bemühung, die irgend jemand unternimmt, um sich über die Ansprüche des körperlichen Sinnes zu erheben und die gottgegebene Freiheit von der sterblichen Annahme zu demonstrieren, vermehrt seine Fähigkeit zu heilen. Sie trägt dazu bei, daß Welt zu der Erkenntnis voranschreitet, daß das Himmelreich nahe herbeigekommen ist.
