Haben Sie sich jemals etwas sehnlich gewünscht? Die Freundin einer ganz bestimmten Person zu sein; genau so tolle Kleidung zu besitzen wie Ihre Klassenkameradin; im Sport Kapitän Ihrer Mannschaft zu sein; jemand Besonderes zu haben, der an Ihren Erlebnissen teilnimmt; berühmt zu werden und eine erfolgreiche Zukunft zu haben?
Die Dinge, die sich in unserem Bewußtsein abspielen, sind oft wie ein Zwang. Unser Ehrgeiz mag überwältigend, unser Verlangen brennend, unsere Luftschlösser mögen lebhaft und phantastisch sein. Das alles soll bei dem Heranwachsenden normal sein, sagt man uns. Aber muß das Heranwachsen zu drei Viertel eine Quälerei sein? Müssen wir durch eine Phase der Furcht, des Verlangens, der Krise und der Verwirrung nach der anderen gehen? Ist sinnliches Experimentieren der Weg zur Befreiung unseres wirklichen, inneren Wesens?
Die Christliche Wissenschaft ist für Menschen da, die sich und Gott gegenüber ehrlich sein wollen. Selbst wenn sie lehrt, daß der Mensch von Natur aus vollkommen ist, verschließt sie doch nicht die Augen vor Trübsal und Verwirrung jeglicher Art — nicht einmal vor unserer eigenen. Sie gibt uns die Werkzeuge, mit denen wir mit quälenden Gefühlen fertig werden können, mit denen wir ehrlich das, was in unserer Individualität wirklich ist, von dem loslösen können, was nur eine falsche Erfahrung ist. Dazu brauchen wir Selbsterkenntnis geistiger Art, etwas, was tiefer geht als eine ungezügelte Erforschung der Labyrinthe einer materialistischen Mentalität. Geistige Selbsterkenntnis ist die demütige Erkenntnis der Schöpfung Gottes, in deren Licht die Illusionen über das Leben aufgedeckt und zurückgewiesen werden.
Das mag Mut erfordern. Aber „Ehrlichkeit ist geistige Kraft. Unehrlichkeit ist menschliche Schwachheit, die die göttliche Hilfe verwirkt“, schreibt Mrs. Eddy. „Du deckst die Sünde auf, nicht um dem körperlichen Menschen zu schaden, sondern um ihn zu segnen.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 453; Möchten wir genausogern ehrlich sein, wie wir berühmt oder erfolgreich sein möchten? Sind wir bereit, den Anforderungen geistiger Selbstentdeckung zu genügen?
Wenn Sie einen schönen Garten hätten, voller Pflanzen und Sträucher aller Art, gewöhnlicher und seltener, alle so angeordnet, daß sie sich gegenseitig hervorheben, würden Sie Unbefugten erlauben, ihn zu zerstören? Sicherlich würden Sie alles tun, was Sie könnten, um zu verhindern, daß die Knospen vom Brand befallen werden, daß schädliche Insekten die Blüten anfressen und daß die Früchte am Baum verfaulen.
Sie und ich und alle anderen Menschen sind in diesem Augenblick die Kundwerdung des vollkommenen, zufriedenen und dynamischen Seins; keineswegs materiell — nicht ein Bündel von Sinnesdaten und vorherbestimmten physiochemischen Reaktionen; keine unedle Mischung von gegensätzlichen Impulsen, kein Mittelding zwischen unrealistischem Idealismus und emotioneller Verwirrung; kein unklares, halbfertiges Wesen, das allerlei anhäufen muß — Geld, Beschäftigungen, Prestige, Familienangehörige —, um glücklich zu sein.
Was sind also dann all diese verworrenen Gedanken, die Verwirrung, Versuchung, der Zweifel an sich selber? Sie sind wie Unbefugte in einem Garten. Sie gehören nicht dahin: sie stören und zerstören nur. Sind sie erst einmal aus unserem Bewußtsein entfernt, dann kann unser natürlicher geistiger Charakter sich frei entfalten. Haben geistige Gefühle und Begriffe erst einmal in unserem Denken Wurzel gefaßt, dann verändern sie unsere menschliche Erfahrung und bringen sie in Einklang mit dem wirklich Himmlischen. Sie werden die Freundschaft, die Fülle, die Tätigkeit und Vollendung erlangen, die Ihnen geistig angemessen sind. Das wird eine natürliche und konstruktive Erfahrung sein.
Ihr Bewußtsein ist sehr wichtig und einfach unbezahlbar. Gott, das schöpferische Gemüt, die Seele allen Seins, hat Ihnen einen einzigartigen Zweck und eine einzigartige Identität und die wunderbare Fähigkeit, mit anderen auszukommen, gegeben. Aber Ihre Erkenntnis dieser Tatsachen mag gegen unbefugte Eindringlinge geschützt werden müssen.
In der Zeit des Heranwachsens gilt es, eine geistige und moralische Entdeckungsreise anzutreten, wo wir erkennen müssen, wie tief verwurzelt, wie unwiderstehlich und wie schön unser wirkliches Selbst ist. Und wir müssen uns vergewissern, daß wir nicht dazu verleitet werden, an eine andere, eine illusorische und unbefriedigende Version unseres Selbst zu glauben und uns dieser gemäß zu verhalten. Es ist eine Zeit, wo wir die Herausforderung annehmen und abwarten müssen, wohin sie uns führt. Jedes fundamentale Element des Seins wird dabei bis zur letzten und vollkommensten Einzelheit sanft ins Spiel kommen. Unser Leben kann genauso schön und vollkommen gestaltet werden wie die kunstvollste Orchidee oder die gewaltige Buche. Wir sind alle verschieden, und unsere Erfahrung braucht nicht schablonenhaft zu sein.
Denken Sie daran, daß Sie in einem Garten nichts erzwingen können. Der Frühling muß vor dem Sommer kommen; man kann nicht Früchte vor den Blüten haben. Aber denken Sie auch daran, daß im Samen schon alles Notwendige enthalten ist, was über das richtige Wachstum der Pflanze entscheidet. Genauso braucht in Wirklichkeit zu uns nichts hinzugefügt zu werden, weil wir schon jetzt vollkommen und vollständig sind. Allerdings mögen wir auf dem menschlichen Schauplatz Geduld brauchen, bevor unsere Vollständigkeit erscheint. Diese Geduld bedeutet nicht, darauf zu warten, daß man eine Altersgrenze überschreitet. Sie ist vielmehr die aktive Vorbereitung des Denkens, die Pflege der wirklichen Bewußtheit; die Jagd auf irgendwelche unbefugte Eindringlinge.
Wenn das Leben uns sinnlos erscheint, dann können wir beginnen, die Tatsache anzuerkennen, daß das Reich Gottes inwendig in uns ist, wie Christus Jesus uns lehrte. Wir können durch das Studium der Christlichen Wissenschaft und durch Gebet mehr über die geistigen Tatsachen des Lebens ausfindig machen und dann darauf vertrauen, daß diese geistigen Tatsachen die menschliche Erfahrung für uns gestalten. Wir können dabei Launenhaftigkeit, Gleichgültigkeit und Trübsinn jeder Art aus unserer Erfahrung ausschalten, indem wir uns entschließen, von unserer natürlichen Lebensfreude und Widerstandsfähigkeit Gebrauch zu machen.
Wir können auch gewiß sein, daß es unsere Bestimmung ist, ein erfülltes und nützliches Leben zu haben, das andere ebenso wie uns selbst glücklich machen wird. Es ist oft erstaunlich, wie schnell unsere Probleme schwinden, wenn wir uns bemühen, aufgeschlossen zu sein und Interesse für andere zu zeigen. Das ist nicht Psychologie — sich selbst für eine Weile zu vergessen, um dann zu einer noch größeren Menge von Schwierigkeiten zurückzukehren —; es heißt, sich selbst zu finden. Echte Selbsterkenntnis führt zu einer echten Entdeckung — daß wir beständig liebevoll, großherzig und freundlich sind. Dies ist nur natürlich, da ja das göttliche Sein, dessen Identität wir zum Ausdruck bringen, die Liebe selbst ist. Wenn wir von unserem unendlichen Potential an Liebe Gebrauch machen, so lösen sich alle unsere Angelegenheiten, und ein Gefühl der Überlegenheit oder Minderwertigkeitskomplexe werden behutsam korrigiert. Ein Kirchenlied rät uns:
Erheb das Denken, schenke froh
Aus deines Herzens Überfüll’.Liederbuch der Christlichen Wissenschaft, Nr. 139;
Selbst wenn uns nicht danach ist zu lieben oder wir uns nicht dazu in der Lage fühlen, liegt doch in Wirklichkeit eine reiche Überfülle im Verborgenen, aus der wir schöpfen können, wenn wir wollen. Bezweifeln wir dies, so können wir uns davon überzeugen, indem wir unsere Liebe und Güte auf Treu und Glauben akzeptieren und versuchen, davon Gebrauch zu machen. Wir brauchen Glauben und Entschlossenheit, aber das fordert jede gewissenhafte Forschung auf jedem Gebiet von uns.
Bei alldem ist es sehr wohl möglich, daß wir unsere geistige Naivität hinter uns lassen und uns mit den Ansprüchen des Bösen auseinandersetzen müssen, die, wie die Christliche Wissenschaft überzeugend demonstriert, unbegründet und machtlos sind. Aber wir sind niemals allein in dieser Erfahrung. Unser himmlischer Vater ist immer gegenwärtig, bestimmt jeden Schritt auf unserem Wege und bringt mit zarter Hand eine heilsame Ordnung in die Lektionen unseres Lebens. Wie die Bibel verheißt: „Habe deine Lust am Herrn; der wird dir geben, was dein Herz wünscht. Befiehl dem Herrn deine Wege und hoffe auf ihn, er wird's wohl machen und wird deine Gerechtigkeit heraufführen wie das Licht und dein Recht wie den Mittag.“ Ps. 37:4–6.