Wie man am besten an die Lektionspredigt herangeht, ist meiner Meinung nach in den folgenden Worten Mrs. Eddys in Wissenschaft und Gesundheit (S. vii) zu finden: „Die Zeit für Denker ist gekommen.“ Wenn wir uns mit der Lektion befassen, ist es wichtig, daß wir gründlich über sie nachdenken. Viele Menschen neigen dazu, zuviel zu lesen und zuwenig zu denken. Solange wir nicht von unserer Denkfähigkeit regen Gebrauch machen, werden wir in der Vergeistigung unseres Denkens, dem Hauptzweck der Lektionspredigt, nicht viel weiterkommen.
Bei meiner Arbeit mit der Lektion habe ich festgestellt, daß wir zu rechtem Denken angeregt werden und folglich die Themen der Lektionen besser verstehen, wenn wir die Erklärungen aus der Bibel und aus Wissenschaft und Gesundheit in Fragen umwandeln. Als z. B. „Leben“ das Thema der Lektionspredigt der betreffenden Woche war, befand sich unter den Bibelzitaten die bekannte Stelle aus dem Johannesevangelium (8:51): „So jemand mein Wort wird halten, der wird den Tod nicht sehen ewiglich.“ Nun, ein jeder ist lebhaft (wenn nicht persönlich!) daran interessiert, den Tod zu überwinden. Wie können wir diesen seligen Zustand erreichen, wo die dunkle Wolke des Todes unseren geistigen Blick nie bedroht, und noch weniger unsere Erfahrung? Indem wir beständig an der christusgemäßen Lebensweise und -betrachtung festhalten! In ähnlicher Weise kam ich durch eine der entsprechenden Erklärungen aus Wissenschaft und Gesundheit auf die treffende Frage: „Welche Überzeugung meinerseits wird mir die unbegrenzten Möglichkeiten des zeitlosen, unsterblichen, furchtlosen, sündlosen, von Krankheit unberührten Lebens auftun?“ Und die Stelle, die mich zu dieser Frage veranlaßte, enthielt auch die Antwort (S. 90): „Das Zugeständnis des Menschen an das eigene Ich, daß der Mensch Gottes eigenes Gleichnis ist, verleiht dem Menschen die Freiheit, Herr über die unendliche Idee zu werden. Diese Überzeugung verschließt dem Tode die Tür und öffnet sie weit für die Unsterblichkeit.“ Nur das Zugeständnis, daß wahre Identität Widerspiegelung ist, befreit uns aus der Knechtschaft und verleiht uns die Freiheit, Unsterblichkeit zu demonstrieren.
Nun, ein derartiges Studium in Form von Fragen und Antworten ist nicht lediglich eine intellektuelle oder metaphysische Übung, sondern es regt unser Denken an und verhindert dadurch oberflächliches, unaufmerksames Lesen. Für mich persönlich hat es sich als hilfreich erwiesen — als eine Art geistiges Sprungbrett zu besserem Nachdenken und tieferem Verständnis.
Wie ich an das Studium der Lektion herangehe, ist für mich ebenso wichtig wie die Methode, die ich dabei anwende. Es hat mir sehr geholfen, an die Lektion mit dem Gedanken heranzugehen, daß ich Verständnis besitze, anstatt in der Annahme, daß ich keines besitze; wie jemand, der mit der Wahrheit eins ist, nicht von ihr getrennt. Ich finde es sehr förderlich, erwartungsvoll an die Lektion heranzugehen und sie im Licht meiner Praxis, meiner Kirche und der Weltgeschehnisse zu betrachten, um zu sehen, wie die in ihr enthaltenen Wahrheiten auf alle diese Situationen angewandt werden können.
Wenn man sich sozusagen obenauf fühlt, wenn man zufrieden und glücklich ist, dann muß man auf die tückische Suggestion achten, die einem einreden mag, daß man die Lektion nicht benötige oder sie nur schnell zu überfliegen brauche. Wir benötigen die ganze Lektion und müssen sie jeden Tag sorgfältig studieren, damit wir ständig geistige Fortschritte machen. Keine menschlichen Gemütsbewegungen sollten uns von unserem rechtmäßigen Ziel abbringen, Gott besser zu verstehen und zu demonstrieren; und das gewissenhafte Studium der Lektionspredigt ist unerläßlich, wenn wir dieses Ziel erreichen wollen.
Wenn wir einem Problem gegenüberstehen, werden wir demütig, und wir wenden uns gern an Gott um Hilfe. Dann studieren wir die Lektion voller Dankbarkeit für die geistige Hilfe, die sie uns stets gewährt. Aber warum sollten wir warten, bis Probleme uns zwingen, die Lektion zu studieren? Kann uns ein regelmäßiges Studium der Lektion nicht das Verständnis vermitteln, Probleme zu vermeiden? Dies hat sich in meinem Falle oft bewahrheitet.
Das tägliche Studium der Lektionspredigt bietet uns eine großartige Gelegenheit, regelmäßig spezifische metaphysische Arbeit für uns selbst zu tun.
Ich suche in der Lektion nach Ideen, die ich auf meine eigene Entfaltung, meine geistige Erziehung und die Berichtigung heimtückischer wie offensichtlicher materieller Annahmen anwenden kann. Und ich suche nach Wahrheiten, die eine inspirierte heilende Bedeutung haben.
Das Studium vermittelt jeden Tag neue Erkenntnisse. Stellen oder Wahrheiten, die uns vielleicht an einem Tag nicht besonders aufgefallen sind, bringen an einem anderen Tag solche Erleuchtung und gewinnen derartige Bedeutung, daß sie im Denken neue Liebe und Dankbarkeit für die Wahrheit entfachen. Mentale wie körperliche Heilungen werden durch dieses erwartungsvolle und planmäßige Studium erzielt.
Als ich mit einigen Christlichen Wissenschaftern über die Lektionspredigt sprach, sagten sie, daß sie keine Freude am Lesen bestimmter Lektionen hätten oder daß sie sie absichtlich ausließen — Lektionen wie „Ewige Strafe“, „Die Probezeit nach dem Tode“, „Die Zauberei des Altertums und der Neuzeit — auch genannt Mesmerismus und Hypnotismus — bloßgestellt“. Diese Lektionen wurden sogar als negative Lektionen bezeichnet. Es sollte jedoch verstanden werden, daß Mrs. Eddy uns nie eine negative Lektion gegeben hat. Der Zweck dieser Lektionen ist, dem menschlichen Denken die Unwirklichkeit und Falschheit des materiellen Daseins bewußt werden zu lassen, das sterbliche Gemüt und seine irrigen Ansprüche zu entlarven, damit wir uns nicht von ihnen täuschen lassen. Vor allem aber zeigen uns diese Lektionen, wie wir den Irrtum durch die Demonstration der Allheit und Macht Gottes berichtigen können. Diese Lektionen sind also positiv und aufbauend. Sie erleuchten und fördern unseren Scharfblick und unsere Fähigkeit, menschlichen Schwierigkeiten wirksamer zu begegnen.
Ich freue mich darauf, diese Lektionen zu studieren. Ich habe gelernt, das menschliche Denken, seine willigen und unwilligen Elemente, durch sie berichtigen zu lassen. Alle falschen Annahmen im menschlichen Denken müssen berichtigt und aus ihm entfernt werden, und die Bereitschaft, dies durch den heilenden Einfluß der Lektionspredigt geschehen zu lassen, bringt wahres geistiges Wachstum.
Wenn jemand die Lektionspredigten seit vielen Jahren studiert hat und mit den Bibelgeschichten und anderen Stellen in den Büchern vertraut ist, mag sich ihm die Suggestion aufdrängen: „Ach, ich habe das schon tausendmal gelesen!“, und er wird die Zitate vielleicht nicht gründlich genug studieren, um ihre neue Stellung unter entsprechenden Erklärungen wahrzunehmen.
Mehr Demut ist oft das Heilmittel gegen dieses Argument. Der menschliche Begriff vom „Ich“ kann seinen Egoismus geltend machen und glauben, er wisse mehr, als er wirklich weiß, mit dem Ergebnis, daß weitere Entfaltung verhindert wird. In solch einem Fall ist es hilfreich, sich Mrs. Eddys Erklärung über Demut in Erinnerung zu rufen: „Diese Tugend siegt über das Fleisch; sie ist der Genius der Christlichen Wissenschaft. Man kann niemals aufsteigen, ehe man in seiner eigenen Wertschätzung herabgestiegen ist. Die Demut ist Linse und Prisma für das Verständnis des Gemüts-Heilens; man muß sie besitzen, um unser Lehrbuch zu verstehen; sie ist unerläßlich für das persönliche Wachstum, und sie weist auf den Plan ihres göttlichen Prinzips und Gesetzes der Ausübung hin“ (Vermischte Schriften, S. 356).
Ich habe diese Erklärung hilfreich gefunden, wenn ich dieselben Stellen von Zeit zu Zeit wieder gelesen habe. Angenommen, ich lebte auf einem Bauernhof, wo ein Brunnen die einzige Wasserquelle ist. Ich würde immer wieder zu dem Brunnen gehen, um meinen Durst zu stillen. Ich würde nicht sagen: „Immer derselbe alte Brunnen und dasselbe alte Wasser!“ Jedesmal würde das Wasser seinen Zweck erfüllen und den derzeitigen Durst stillen. Ich würde das Wasser begierig und dankbar trinken. Ich habe mir dieses Beispiel vor Augen gehalten und dadurch aus bekannten und oft gelesenen Stellen frische Inspiration und neue Erkenntnisse gewonnen.