Kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs versuchte ich mir das Leben zu nehmen. Überwältigt von den sogenannten Gesetzen der Vererbung, von Minderwertigkeitskomplexen, unharmonischen Familienverhältnissen und den Wirren des Krieges fühlte ich mich sehr deprimiert, und ich war ganz verzweifelt. Und diese Einflüsse schienen vorübergehend die zarten Anfänge der Christlichen Wissenschaft in meinem Herzen zu ersticken. Aber in meiner dunkelsten Stunde der Versuchung wurde mein Bewußtsein von einem Lichtstrahl erhellt, von der Erinnerung daran, daß das göttliche Leben und seine geistige Idee unendlich sind. Diese Wahrheit überkam mich mit einer solchen Macht und Klarheit, daß ich die Kraft fand, mich in der Hoffnung auf einen neuen Anfang zu erheben. Ich wollte nicht mehr sterben.
Da ich viel Blut verloren hatte und sehr schwach war, wurde ich von besorgten Verwandten in ein Krankenhaus gebracht. Bald darauf entwickelte sich im Arm eine Blutvergiftung. In der Nacht verlor ich das Bewußtsein, und die Ärzte beschlossen, den Arm zu amputieren. Als ich aus meiner Bewußtlosigkeit vorübergehend erwachte, lag ich auf dem Operationstisch und war von Chirurgen umgeben. Mir kam sehr deutlich der Gedanke, daß Gott mir geholfen hatte, am Leben zu bleiben, und daß Er mich nun nicht im Stich lassen würde. Die Ärzte änderten plötzlich ihre Meinung und entschieden sich gegen eine Amputation. Die Krankenschwester sagte später zu mir, daß Gott in meinem Falle wirklich ein Wunder gewirkt habe.
Während der folgenden Wochen im Krankenhaus fand ich inneren Frieden, und meine Zuversicht kehrte zurück. Jeden Morgen studierte ich noch vor Tagesanbruch in der Bibel und in Wissenschaft und Gesundheit von Mary Baker Eddy die Lektionspredigt aus dem Vierteljahrsheft der Christlichen Wissenschaft. Ich hatte viel Zeit, über Gott und meine Beziehung zu Ihm nachzudenken. Ich nahm keine Medikamente ein (die Tabletten, die mir gegeben wurden, vernichtete ich), und die Wunden wurden lediglich gesäubert. Langsam kam ich wieder zu Kräften, so daß ich aufstehen und umhergehen konnte.
Eine Wunde am Handgelenk schien nicht heilen zu wollen. Ich war nun schon fast drei Monate im Krankenhaus und sehnte mich so sehr, nach Hause gehen zu können. Da die Christliche Wissenschaft mich gelehrt hatte, daß wahre Heilung sich im Bewußtsein vollzieht, fühlte ich, daß irgend etwas in meinem Denken noch der Heilung bedurfte. Eines Tages besuchte mich ein Bekannter, ein Christlicher Wissenschafter, und ich erzählte ihm davon. Er riet mir eindringlich, Gottes erhabene Güte wirklich anzuerkennen, auf der Stelle und überall. Er zitierte einen Vers aus dem 46. Psalm (V. 11): „Seid stille und erkennet, daß ich Gott bin“ und ermutigte mich, mein Licht tatkräftig leuchten zu lassen, mein wahres Wesen als Gottes Kind zum Ausdruck zu bringen. Er wies mich darauf hin, daß in den Betten um mich herum viele Menschen lagen, die sich nach Freundlichkeit und Liebe sehnten.
Diesem Rat folgte ich mit Eifer; ich begann augenblicklich, mich über die immer gegenwärtige Güte Gottes zu freuen und mich sehr zu bemühen, allen Seine Liebe zu zeigen. In vielen einfachen Verrichtungen konnte Freundlichkeit zum Ausdruck gebracht werden; so konnte ich z. B. die Blumen versorgen oder jemandem ein Glas Wasser bringen. Plötzlich waren meine Stunden mit dem Dienst der Liebe erfüllt, und mein Herz strömte über vor Freude. Mein Denken drehte sich nicht mehr um ein sterbliches Selbst. Noch vor Ablauf einer Woche hatte sich die letzte Wunde geschlossen, und ich konnte heimkehren.
Über dieses Ereignis, das sich vor mehr als dreißig Jahren zutrug, berichte ich, weil ich jemandem, der in tiefe Dunkelheit geraten zu sein scheint, gern helfen möchte, neue Zuversicht und Hoffnung zu gewinnen. Gottes Hilfe ist so nahe! Wir müssen unser menschliches Leben durch geistiges Verständnis dem göttlichen Leben unterordnen. Dann können wir wunderbare Segnungen empfangen.
Schon in meiner Kindheit hatte ich das Verlangen, meinen Mitmenschen zu helfen. Durch das Verständnis der Christlichen Wissenschaft haben sich mir viele Gelegenheiten dazu geboten. Nach Jahren geistigen Wachstums verließ ich die Kleinstadt, in der ich gelebt hatte, und zog in eine Gegend, wo ich aktiv an der Kirchenarbeit teilnehmen konnte. Mein Wunsch, Englisch zu lernen, um die christlich-wissenschaftliche Literatur besser zu verstehen, veranlaßte mich, nach England zu gehen.
Dort machte ich einen Hindu, der später mein Ehemann wurde, mit der Christlichen Wissenschaft bekannt. Ein berühmter Arzt hatte ihm gerade mitgeteilt, daß seine Chancen, eine notwendige Herzoperation zu überleben, schlecht standen. Durch gewissenhaftes Studium und praktische Anwendung dieser neugefundenen Religion wurde er von der Herzkrankheit geheilt. Unsere Ehe war glücklich und bereichernd. Als wir uns einer ärztlichen Untersuchung unterziehen mußten, um ein Einreisevisum in die Vereinigten Staaten zu erhalten, lautete der ärztliche Befund für meinen Mann: „Keine Schäden, Krankheiten oder Behinderungen.“ Erst wenige Jahre zuvor hatte eine Lebensversicherungsgesellschaft es abgelehnt, ihn zu versichern, weil die ärztliche Diagnose so entmutigend war.
„Gott aber sei Dank für seine unaussprechliche Gabe!“ (2. Kor. 9:15.) Ich bin sehr dankbar für die Bereicherung, die ich durch meine Ausbildung und Arbeit als christlich-wissenschaftliche Pflegerin erfahren habe. Es hat mich fest auf den Felsen, Christus, gestellt und mir Gelegenheit geboten, Zeuge hervorragender Heilungen in der Christlichen Wissenschaft zu sein und getreue Arbeiter in unseres Vaters Weinberg kennenzulernen. Ein tieferes Verständnis unseres Vater-Mutter Gottes hat mir den Weg zu immer größerer Nützlichkeit aufgetan, zu bleibenden Freundschaften, einem tieferen Verständnis unserer Arbeit für die Welt und zu größerer Befriedigung.
Meersburg, Bundesrepublik Deutschland