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Die Wissenschaft des Vergebens

Aus der August 1981-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Sind wir eher geneigt, einen Übeltäter zu tadeln, als ihm zu vergeben? Beschäftigen wir uns mehr mit Fehlern als mit der Liebe, die sie auflöst?

Die sanfte Macht christlicher Vergebung liegt Jesu Lehren zugrunde, die in den folgenden Worten aus der Bergpredigt zusammengefaßt sind: „Ich habt gehört, daß da gesagt ist:, Auge um Auge, Zahn um Zahn.‘ Ich aber sage euch, daß ihr nicht widerstreben sollt dem Übel; sondern, wenn dir jemand einen Streich gibt auf deine rechte Backe, dem biete die andere auch dar.“ Matth. 5:38, 39.

Dies ist keine gewöhnliche Vergebung. Die moralische Kraft, auf diese Weise zu vergeben, geht weit über die menschliche Fähigkeit hinaus, eine Übertretung lediglich unbeachtet zu lassen — über die Fähigkeit, den verursachten Groll auszulöschen. Die Kunst, auf wissenschaftliche Weise zu vergeben, belehrt uns, daß es nicht ausreicht, den Mund zu halten, wenn jemand einem auf die eine Backe geschlagen hat. Dadurch, daß wir die andere Backe hinhalten, zeigen wir, daß wir erstens, Vergeltung zurückweisen, zweitens, den Irrtum verneinen — das Denken von der Versuchung reinigen, zu glauben, daß Haß wirklich sei — und drittens, zuversichtlich sind, daß der Übeltäter fähig ist zu wachsen. Die Zurückweisung, das Verneinen und die Zuversicht gründen sich auf das Verständnis, daß der Mensch mit der göttlichen Liebe, mit Gott, untrennbar eins ist.

Wir beginnen die höhere Bedeutung von Vergebung zu erfassen, die das gesamte Wirken Christi Jesu kennzeichnete und so vollständig die gnadenerfüllte Liebe Gottes bewies, der nur das Gute kennt. Gottes Gnade bringt die Wirklichkeit Seiner Liebe zum Ausdruck und löscht alle Vergehen aus — auf persönlicher, ethnischer oder nationaler Ebene. Paradoxerweise ist Gottes Vergebung die „Strafe“ Gottes, denn die göttliche Vergebung stellt die Zerstörung der Sünde dar.

Heutzutage bedürfen die Menschen, vielleicht mehr denn je, des heilenden Verständnisses wissenschaftlichen Vergebens. Konventionelle Vergebung heilt nicht. Die Wissenschaft des Christus, die Jesus lehrte und demonstrierte, beschäftigt sich gleichermaßen mit der metaphysischen Grundlage der Vergebung wie mit ihrem moralischen Ausdruck.

Die Christliche WissenschaftChristian Science (kr'istjәn s'aiәns) erklärt, daß Vergebung die Fähigkeit ist, das Vergehen von der Person zu trennen. Diese grundlegende Eigenschaft hat eine tiefere Bedeutung als der Lohn für Reue. Die Bereitschaft, zu vergeben, nur um sich am eigenen Ehrgefühl zu erfreuen oder lediglich Unannehmlichkeiten zu vermeiden, läßt sich nicht mit dem Verlangen vergleichen, zu vergeben, damit die Nichtsheit menschlichen Unrechts angesichts der Vollständigkeit der göttlichen Liebe demonstriert werde.

Die Grundlage für Jesu Vergebung kann in seinem Verständnis von der ursprünglichen Unschuld des Menschen gefunden werden — in lebhaftem Gegensatz zu dem theologischen Trugschluß von der „Erbsünde“. Diese geistige Einsicht könnte mit der Weigerung verglichen werden, sich von dem Schmutz täuschen zu lassen, der sich im Laufe von Monaten auf einer Fensterscheibe angesammelt hat. Das Fensterglas braucht nicht ersetzt zu werden — es muß lediglich auf beiden Seiten gründlich geputzt werden. Obwohl es so scheinen mag, der Schmutz ist nicht in das Glas eingedrungen, sondern hat sich nur auf der Oberfläche festgesetzt. Unser Glaube, daß das Glas rein ist, veranlaßt uns, es zu putzen.

Auf gleiche Weise demonstriert der Christus die reinigende Tätigkeit der Gnade Gottes. Von Gott heißt es in der Bibel: „Deine Augen sind zu rein, als daß du Böses ansehen könntest“ Hab. 1:13., und indem wir Gott, Liebe, widerspiegeln, trennen wir das Vergehen von der Person — wir sind vielleicht erstaunt, zu entdecken, daß der Übeltäter als Gottes Kind eine angeborene, ursprüngliche Unschuld und Reinheit besitzt. Das Fenster unseres Bewußtseins ist frei geworden.

Wahres christliches Vergeben bringt dem Unversöhnlichen Selbsterkenntnis, dem Bußfertigen Schönheit und hinterläßt in unserem Bewußtsein oder in unserer Erfahrung nichts, was zerstören oder zerstört werden könnte, was nicht verzeihen oder unverzeihlich sein könnte. Durch all das Leid, das Mary Baker Eddy, die Entdeckerin und Gründerin der Christlichen Wissenschaft, erfuhr, sah sie klar die Notwendigkeit für Vergebung. Sie hielt ihre Nachfolger dazu an und sagte: „Der Christliche Wissenschafter hegt keinen Groll; er weiß, daß ihm das mehr schaden würde als alle Bosheit seiner Feinde. Brüder, ebenso wie Jesus vergab, vergebt auch ihr. Ich sage es voller Freude — niemand kann mir ein Unrecht zufügen, das ich nicht vergeben könnte.“ Botschaft an Die Mutterkirche für 1902, S. 19.

Diese Vergebung spiegelt Gottes Gnade wider und bewirkt die Zerstörung der Sünde und die Erlösung des Sünders. Im dritten Glaubenssatz der Christlichen Wissenschaft wird dies besonders hervorgehoben: „Wir bekennen Gottes Vergebung der Sünde in der Zerstörung der Sünde und in dem geistigen Verständnis, das das Böse als unwirklich austreibt.“ Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift, S. 497.

Nur unser Verständnis, daß Gott sich keines Übels bewußt ist, das vergeben werden muß, ermöglicht es uns, das Vergehen von der Person zu trennen. Durch diese Trennung werden das Vergehen, der Missetäter und das sterbliche Bewußtsein, das deren gewahr ist, als unpersönliche, trügerische und aggressive Suggestionen des sterblichen Gemüts erkannt. Wenn wir die Suggestion als eine Täuschung erkennen, erkennen wir auch ihre Unwirklichkeit. Und wenn es kein Vergehen gibt, gibt es auch keinen Missetäter. Dieses Verständnis von der Vergebung beweist, daß der Christus in unserem Bewußtsein weilt und „das Böse als unwirklich austreibt“.

Paulus schreibt: „Seid aber miteinander freundlich, herzlich und vergebet einer dem andern, gleichwie Gott euch vergeben hat in Christus.“ Eph. 4:32. Was so aussehen mag, als ob man sich gegenseitig vergebe, ist in Wirklichkeit die alles durchdringende Liebe Gottes, die in unseren zwischenmenschlichen Beziehungen zum Ausdruck kommt. Ob wir nun aufhören zu streiten oder uns sogar weigern zu streiten, beides stellt nur den ersten Schritt christlicher Vergebung dar. Wie Jesus zu vergeben bedeutet, wie Jesus zu lieben. Dies ist sowohl Wissenschaft als auch Kunst: die Wissenschaft, deren Logik dem Verständnis entspringt, daß es kein Übel zu verzeihen gibt, und die Kunst, die Schönheit dieses Verständnisses mitzuteilen, das jede verletzte oder gestörte Beziehung zu heilen vermag.

Jesu Vergebung spiegelte in jeder seiner Heilungen die immerwährende Gnade Gottes wider, die allen Haß, alle Brutalität und Gleichgültigkeit auslöschte. Unser Meister wußte, daß diese Irrtümer aus dem Reich Gottes, dem Reich inwendig in uns, bereits ausgeschlossen waren. Aber die Gnade des Vaters geht noch weiter: Da Er nichts Böses kennt, ist es von Seiner Schöpfung ausgeschlossen, und da Er nur Gutes kennt, kann Er nur Gutes vorherwissen und vorherbestimmen. Wenn wir im Gebet an der unpersönlichen Schönheit dieser Wahrheit festhalten, erkennen wir, daß sie für Verbrecher und Opfer, Missetäter und Geschädigte zutrifft.

Wir alle können lernen, diese Wissenschaft des Vergebens geschickter anzuwenden. Wenn wir uns bewußt sind, daß christliches Vergeben eine moralische und geistige Stärke ist, die in jedem von uns schlummert, werden wir danach streben, sie wissenschaftlich anzuwenden.

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