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Ein Interview mit einem Opernsänger

Aus der November 1982-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


, ein junger Bariton, bestand eine sehr schwierige Ausleseprüfung, um an der Chicago Lyric Opera einen Studienplatz für vielversprechende Opernsänger zu erhalten. Obgleich sein Studium noch nicht abgeschlossen ist, hat er bereits verschiedene Rollen im Ensemble der Lyric Opera gesungen und sein Staatsexamen in Musik absolviert. Er ist ebenfalls ein Komponist und Dichter, dessen Werke veröffentlicht werden. In einem Gespräch mit erzählt er, wie das Studium der Christlichen Wissenschaft ihn in seinem musikalischen Schaffen stärkt.

Wie kamen Sie zur Christlichen Wissenschaft?

Es war während der letzten Jahre auf der höheren Schule. Ich brauchte Geld für meine persönlichen Ausgaben. Meine Mutter sah ein Inserat, in dem Erste Kirche Christi, Wissenschafter, Ridgefield, Connecticut, einen Solisten suchte. Ich bewarb mich und erhielt die Stelle. Ich hatte niemals zuvor die Lektionspredigt Im Vierteljahrsheft der Christlichen Wissenschaft. gehört.

Als Solist saß ich in einer Nische, wo mich niemand sah, so daß ich mich nach dem Solo unbemerkt zurückziehen und in die Sonntagsschule hinuntergehen konnte. Auf diese Weise erhielt ich meinen ersten Unterricht in der Sonntagsschule. Zwei Kirchenmitglieder mit musikalischer Ausbildung ermutigten mich, Berufssänger zu werden, und eines von ihnen wurde mein Klavierlehrer. Dann studierte ich Gesang am Curtis Institute of Music in Philadelphia und an der Manhattan School of Music in New York.

Ich bin noch immer als Solist in einer christlich-wissenschaftlichen Kirche tätig, wie ich es auch während der letzten zehn Jahre in verschiedenen Zweigkirchen gewesen bin. Das Solosingen in der Kirche zieht sich wie ein roter Faden durch mein Leben, und durch meine Tätigkeit als Solist habe ich viel Einsicht in meine Pflichten als Christlicher Wissenschafter gewonnen.

Hat das Studium der Christlichen Wissenschaft lhre künstlerischen Fähigkeiten gesteigert? Hat es lhnen geholfen, besser mit den Anforderungen fertig zu werden, die eine künstlerische Laufbahn mit sich bringt?

Es hat mir gewiß geholfen, mit den Anforderungen der Karriere fertig zu werden. Mein Studium gibt mir auch Auftrieb in physischen Angelegenheiten — z. B. Energie, um meine Arbeiten zu erledigen, ein klares Denken, so daß ich die auf mich zukommenden Dinge meistern kann. Mrs. Eddy sagt: „Gott bringt im Menschen die unendliche Idee zum Ausdruck, die sich immerdar entwickelt, sich erweitert und von einer grenzenlosen Basis aus höher und höher steigt.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 258.

Während der letzten Spielzeit der Lyric Opera gehörte ich zu den wenigen Sängern, deren Rollen nicht doppelt besetzt waren. Das Ensemble probte eine Oper mit der einen Besetzung und anschließend mit der anderen, doch diejenigen, für die es keine doppelte Besetzung gab, mußten während beider Proben singen. Angeblich soll dies die Stimme schädigen, ganz zu schweigen von der physischen Konstitution. Dies konnte ich ausarbeiten. Mir war klar: Wenn wir — als Menschen — Gott in allem widerspiegeln, können wir nicht erschöpft oder geschwächt sein, weil Gott niemals erschöpft oder geschwächt ist. Wenn, wie Mrs. Eddy sagt, „Gott im Wirken ruht“ Ebd., S. 519., dann können auch wir es tun. Im allgemeinen singe ich mit möglichst voller Stimme. Ich halte dies besser für die Stimme, und außerdem verfällt man beim Singen nicht in Fehler. Ich „markiere“ nicht, d. h., ich schone nicht meine Stimme.

Und noch etwas: In jeder musikalischen oder schauspielerischen Karriere spielt das Gedächtnis eine große Rolle. Je mehr man die unendlichen Fähigkeiten des Gemüts versteht, desto einfacher wird das Auswendiglernen. Mrs. Eddys Erklärung: „Gemüt offenbart alles, was in der Unendlichkeit der Wahrheit existiert“ Ebd., S. 258. verhilft uns zu der Erkenntnis, daß wir nicht unseren Kopf mit Musik vollstopfen müssen. Es ist wichtig, daß wir uns keine Sorgen über ein menschliches Gemüt machen, das etwas aufzunehmen und zu behalten hat. Man muß wissen, daß die Musik bereits vorhanden ist. Dies braucht nicht mühevoll zu sein, und diese entspannte Einstellung erleichtert das Musikstudium sehr. Je mehr man die Möglichkeit der göttlichen Intelligenz erkennt, desto leichter fällt einem das Lernen.

Wie verhalten Sie sich im Lichte dessen, was Sie als Christlicher Wissenschafter über den Menschen wissen, bei Rollen, die tiefe menschliche Leidenschaften zum Ausdruck bringen?

Man muß sich immer daran erinnern, daß man nicht selbst dieser Charakter ist, sondern ihn nur darstellt! Doch die Darstellung kann mitunter schwierig sein, wenn die Person sich nicht bessert oder ihre Probleme löst. Ich mußte mir schon sagen: „Ich bin nicht diese Person. Die Tätigkeiten dieser von mir verkörperten Rolle berühren mich nicht.“ Es kann sein, daß ich in dieser Saison einen Mörder spiele. In der letzten spielte ich Dumas, den Präsidenten des Tribunals, von dem André Chénier in der Oper von Giordano zum Tode verurteilt wurde.

Man muß auch die Person im Zusammenhang mit der Handlung sehen. Obgleich ihre Motive und Handlungen den Zuhörern als schlecht erscheinen, lebt sie ihrer höchsten Auffassung vom Guten gemäß. Sogar Valentin im Faust, der seine Schwester verflucht, weil sie ihn durch ein uneheliches Kind in Unehre gebracht hat, oder Jago in Othello, der an einen grausamen Gott glaubt und skrupellos handelt, beide können so verstanden werden, daß sie versuchen, ihr Bestes zu tun. Vom Standpunkt der Christlichen Wissenschaft aus gesehen ist ein Charakter, der das Böse verkörpert, nicht fähig, das wahre Wesen Gottes zu erfassen.

Wie hilft lhnen lhre Kenntnis der Christlichen Wissenschaft, mit der Tatsache fertig zu werden, daß es nur eine begrenzte Anzahl guter Engagements gibt, um die viele talentierte Leute wetteifern?

Mißgunst ist eine der meistverbreiteten Eigenschaften, die es zu handhaben gilt. Es besteht die Annahme, daß man in diesem Beruf rücksichtslos sein müsse — ein Aberglaube, man müsse zäh sein oder untergehen. Der persönliche Sinn muß überwunden werden. Das göttliche Prinzip, Gott, ist unpersönlich und unparteiisch in Seinen Gaben an alle. Er wird also nicht den einen dem anderen vorziehen, und jeder wird unter Gottes Führung seine Nische finden. Was mir am meisten an einer solchen Situation mißfällt, ist die Reaktion, die sagt: „Er ist nicht so gut wie ich; ich hätte diese Rolle bekommen sollen.“ Ich muß dann sagen: „Moment mal, glaubst du das wirklich?“ Je mehr ich mit der Christlichen Wissenschaft arbeite, desto öfter bremse ich diese Reaktion, bevor sie wirklich zum Ausbruch kommt. Man kann nicht die Brüderschaft der Menschen predigen und sich dann umdrehen und jemanden in Mißkredit bringen.

Wie werden Sie mit Enttäuschungen fertig, wenn lhre Leistungen kritisiert werden oder wenn Sie glauben, Sie hätten es besser machen können?

Man muß sich davor hüten, die geringe Wertschätzung der Menschen als unfehlbare Wahrheit zu akzeptieren oder die Furcht einzulassen, daß eine Vorstellung nicht gut genug gewesen sei. Als Künstler ist man automatisch Zielscheibe der Kritik. Um sein Bestes tun zu können, muß man an den Wert der Aufführung glauben. Man kann sich leicht verletzt fühlen, wenn man an seine eigenen menschlichen Fähigkeiten glaubt und dann kritisiert wird; das tut wirklich weh. Man muß berechtigte Kritik von persönlichen Angriffen trennen können. Da Gott alles beherrscht, kann nur Gott die Regie führen. Unharmonische menschliche Emotionen gehören nicht zum Menschen. Mrs. Eddy lehrt: „Harmonie im Menschen ist ebenso schön wie in der Musik, und Disharmonie ist unnatürlich, unwirklich.“ Ebd., S. 304.

Selbst bei einer böswilligen Kritik kann „Fluch“ zum Segen werden. Die Bibel erzählt uns, wie Joseph als Sklave verkauft wurde; doch schließlich wurde er praktisch zum Herrscher über Ägypten eingesetzt — gerade rechtzeitig, um seines Vaters Familie vor dem Verhungern zu retten.

Kritik kann sich immer als Gewinn erweisen. Mrs. Eddy sagt: „Bist du mit dem Panzer der Liebe angetan, so kann menschlicher Haß dich nicht erreichen.“ Ebd., S. 571. Wenn man den persönlichen Sinn ausmerzt und die Kritik objektiv betrachtet, kann man gewöhnlich konstruktive Hinweise dafür finden, wie eine Vorführung in Zukunft verbessert werden kann.

Ich denke auch oft an den ersten Vers des einundneunzigsten Psalms [n. der engl. King-James-Ausgabe]: „Wer unter dem Schirm des Höchsten sitzt, der bleibt unter dem Schatten des Allmächtigen.“

Wie steht es mit der Schmeichelei des eigenen lchs, z. B. dem Beifall der Zuhörer und die anderen Belohnungen des menschlichen Egos, die Teil einer erfolgreichen künstlerischen Laufbahn sind?

Da fragen Sie mich, den Erzdilettanten? Nun, ich freue mich reisig über den Applaus und die Komplimente für eine Vorstellung. Die Christliche Wissenschaft hat mir geholfen, Komplimente besser entgegenzunehmen. Keine falsche Bescheidenheit mehr! Wenn man ein Kompliment erhält, besteht die Versuchung zu sagen, man habe dies oder jenes falsch gemacht — daß es also in Wirklichkeit keine vollkommene Leistung war. Damit fischt man nach noch mehr Komplimenten, um das Ego zu befriedigen und den persönlichen Sinn aufzubauschen; aber es stellt sich dem in den Weg, was man eigentlich erreichen will. Wenn man mir jetzt Komplimente macht, versuche ich, mich mit etwas Selbstsicherheit zu bedanken.

Die Christliche Wissenschaft hat mir dabei geholfen, jeden Auftritt als ein Geben an die Zuhörer zu betrachten, und nicht nur als ein Entgegennehmen von Applaus. Ich versuche, mich als Dienenden zu sehen. Wenn man nur den Beifall sucht, verliert man schließlich aus den Augen, was man zum Ausdruck bringen möchte. Ich bin nicht der Schöpfer; ich spiegele die Eigenschaften Gottes wider. Diese als unsere eigene Schöpfung zu beanspruchen — und das könnte ja geschehen, wenn wir den Aspekt des Dienens vergessen — führt in eine Sackgasse.

Die größten Künstler, mit denen ich zusammenkam, haben alle den Wunsch, den Zuhörern etwas zu geben; sie bringen die ihnen von Gott verliehenen Talente zum Ausdruck.

Je mehr ich als Solist in der Kirche singe, desto fester verankert sich der Gedanke, daß ich mit meinem Singen den Menschen eine Botschaft bringe; ich singe nicht, um mich selbst zu verherrlichen, sondern um anderen etwas zu geben.

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