Manchmal wird bezüglich der Ausübung der Christlichen Wissenschaft gefragt: „Kann ich jemand behandeln, der bereits ärztliche Hilfe in Anspruch nimmt?“
Das Lehrbuch der Christlichen Wissenschaft, Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift von Mary Baker Eddy, beantwortet diese Frage ohne Umschweife: „Wenn die Patienten die heilende Kraft der Christlichen Wissenschaft nicht an sich erfahren und wenn sie glauben, daß sie durch gewisse allgemein gebräuchliche physische Methoden medizinischer Behandlung Nutzen empfangen können, dann sollte der Gemüts-Arzt solche Fälle aufgeben und es den Kranken freistellen, ihre Zuflucht zu irgendeinem System zu nehmen, von dem sie meinen, daß es ihnen Erleichterung gewähren werde.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 443. Wird diese Norm erfüllt, dann steht es den Patienten frei, den ihres Erachtens besten Kurs einzuschlagen.
Ausüber der Christlichen Wissenschaft werden mit Recht als Verfechter der Idee angesehen, daß man sich wegen Heilung rückhaltlos auf Gott verläßt. Für dieses absolute Vertrauen gibt es wesentliche, christlich-wissenschaftliche Gründe. Christi Jesu Heilmethode basierte auf einem geistigen Verständnis der Allmacht Gottes, der göttlichen Liebe, und auf der absoluten Geistigkeit des Menschen. Auf der gleichen Grundlage heilte er Sünde. Und genauso beruht die heilende, erlösende Tätigkeit der Christlichen Wissenschaft direkt und ausschließlich auf der Allmacht Gottes. Die christlich-wissenschaftliche Norm des Heilens erläutert Mrs. Eddy in Wissenschaft und Gesundheit mit folgenden Worten: „Nur wenn man sich absolut auf Wahrheit verläßt, kann einem die wissenschaftlich heilende Kraft zur Wirklichkeit werden.“ Ebd., S. 167. In all ihren Schriften stellt sie klar, daß Verlaß auf Geist und Materie — d. h. der Versuch, beiden Macht zuzuschreiben, die Macht zwischen ihnen zu teilen — nicht der Weg zur Heilung ist. Erlösung und Gesundheit sind natürliche, miteinander verbundene Folgen einer absoluten geistigen Erkenntnis des dem Menschen von Gott verliehenen Wesens.
Deshalb verlassen sich die Christlichen Wissenschafter völlig auf das geistige Heilen von Krankheit und Sünde. Wenn Ausüber den Eindruck vermitteln, daß sie bereit sind, ihre Arbeit mit materiellen Mitteln zu vermischen, geben sie ein falsches Bild von den Lehren der Christlichen Wissenschaft.
Es besteht jedoch ein Unterschied, ob ein Drogensüchtiger behandelt wird oder jemand, der sich auf Drogen/Medikamente verläßt, um seinen Körper zu heilen oder die Kontrolle über ihn zu gewinnen. Drogen/Medikamente rauben dem Menschen die Herrschaft über sein eigenes Bewußtsein und über seinen Körper, während die Christliche Wissenschaft es ihm ermöglicht zu beweisen, daß sein ganzes Sein unter der Herrschaft Gottes steht. Die meisten Menschen, die von Drogen oder Medikamenten abhängig geworden sind, haben den ehrlichen Wunsch, von dieser versklavenden Gewohnheit frei zu sein. In diesem Falle würde ein Ausüber, wenn er um Hilfe gebeten wird, gern für jemanden beten, der von dieser Knechtschaft frei werden möchte.
Die Kirche Christi, Wissenschafter, nimmt zwar eine klare Stellung ein, daß medizinische und materielle Methoden nicht mit geistigen Mitteln vermischt werden sollen, doch befürwortet sie keineswegs, daß Menschen gemieden werden, die auf materielle Mittel zurückgreifen, um geheilt zu werden. Ja, tiefe, christliche Fürsorge und Interesse sind ein stärkendes Element — ein Faktor, der den grundlegenden Wunsch des Menschen stützen wird, sich wegen Heilung völlig auf Gott zu verlassen. Christliche Wissenschafter sind sich der folgenden Aussage in ihrem Lehrbuch bewußt: „Bis das fortschreitende Zeitalter die Wirksamkeit und die Allerhabenheit des Gemüts zugibt, ist es besser für die Christlichen Wissenschafter, wundärztliche Behandlung und das Einrichten von gebrochenen oder verrenkten Gliedern den Händen eines Chirurgen zu überlassen, während sich der mentale Heiler hauptsächlich auf die mentale Wiederherstellung und auf die Verhütung von Entzündung beschränkt. Die Christliche Wissenschaft ist stets der geschickteste Chirurg, aber die Chirurgie ist der Zweig ihres Heilverfahrens, der zuletzt anerkannt werden wird. Doch es ist nur gerecht zu sagen, daß die Verfasserin bereits im Besitz wohlverbürgter Berichte von Heilungen ist, die von ihr und ihren Schülern durch mentale Chirurgie allein vollbracht worden sind, Heilungen von Knochenbrüchen, verrenkten Gelenken und Rückenwirbeln.“ Ebd., S. 401.
Ferner lesen wir: „Wenn ein Christlicher Wissenschafter durch eine Verletzung oder irgendeine andere Ursache von so heftigen Schmerzen gepackt würde, daß er sich selbst nicht mental zu behandeln vermöchte — und es den Wissenschaftern nicht gelungen wäre, ihm Erleichterung zu verschaffen —, dann könnte der Leidende einen Arzt herbeirufen und sich eine Hauteinspritzung geben lassen; wenn dann die Schmerzannahme beschwichtigt ist, kann er seinen eigenen Fall mental handhaben. So prüfen wir, alles, und [behalten] das Gute‘.“ Ebd., S. 464.
Diese beiden Stellen zeigen mit unzweideutiger Klarheit, daß einem Christlichen Wissenschafter in einem Notfall weder von der Kirche Christi, Wissenschafter, noch irgendeinem Mitglied verboten wird, eine Entscheidung zu treffen, die seinem höchsten Verständnis nach in der Situation erforderlich ist. Es bleibt jedoch selbstverständlich, daß solche ärztlichen Hilfsmittel nur provisorischer Natur sind und nicht christlich-wissenschaftliches Heilen darstellen.
Es widerspricht dem Ethos eines Ausübers, jemanden als Patienten anzunehmen, der sich aus eigener Entscheidung auf materielle Mittel verläßt, um geheilt zu werden. Mrs. Eddy schreibt: „Es ist bereits bekannt, daß die Christlichen Wissenschafter keinen Patienten annehmen, der unter der Obhut eines Arztes steht, bis der Arzt den Fall aufgegeben hat und andere Hilfe gesucht wird.“ Rückblick und Einblick, S. 87. Diese Regel der Ethik gilt ebenfalls für die Arbeit einer christlich-wissenschaftlichen Pflegerin.
Ist aber das Berufsethos der einzige Grund, warum man jemanden, der ärztliche Hilfe in Anspruch nimmt, nicht behandelt? Ein integraler Teil der ethischen Frage ist die Tatsache, daß christlich-wissenschaftliche Behandlung — sie beruht auf der Einwirkung des göttlichen Prinzips, Liebe, auf das menschliche Bewußtsein — gerade das Gegenteil von Vertrauen auf Medikamente und auf alle anderen materiellen Hilfsmittel ist. Mentales Vertrauen auf materielle Methoden steht im Gegensatz zu der Bereitschaft, das menschliche Gemüt Gott, dem einzigen Gemüt, zu unterstellen. So könnte das Vertrauen in zwei derartig gegensätzliche Methoden den Patienten zum ahnungslosen Opfer eines mentalen Konfliktes machen.
Ein geistig radikaler Ausüber weiß, daß alle Krankheit mental ist, und er versteht, daß allein Gott heilt. Eine derartige Zuversicht flößt dem Patienten Gottvertrauen ein und läßt ihn selbst entdekken, daß er geheilt werden kann. Das geistige Heilen hebt das Denken des Patienten, so daß er erkennt, daß er Sünde und Krankheit nicht als Wirklichkeiten hinzunehmen braucht. Daher bringt das christlich-wissenschaftliche Heilen immer eine Erneuerung und Läuterung des Denkens mit sich.
Werden körperliche Krankheiten durch die Christliche Wissenschaft geheilt, so weichen mentale Zustände wie Unwissenheit, Stolz, Haß, Selbstsucht dem wahren Verständnis, daß der Mensch Gottes Ebenbild ist. Das geistige Heilen beseitigt auch Furcht. Der Körper reagiert auf natürliche Weise auf die Umwandlung im Denken, und das kommt dem Patienten moralisch und physisch zugute.
Die Heilmittelkunde basiert ganz und gar auf der Annahme, die Materie sei Substanz. Die Christliche Wissenschaft gründet sich ganz und gar auf das Verständnis, daß Leben niemals materiell war und auch niemals materiell sein könnte. Ferner lehrt die Christliche Wissenschaft, daß die körperliche Diagnose einer Krankheit oftmals Furcht hervorruft und bewirkt, daß der Krankheit größere Wirklichkeit beigemessen wird, was sogar Ärzte gelegentlich bestätigen. Natürlich bleibt es dem Patienten überlassen, den Eingebungen seines eigenen Gewissens zu folgen.
Mit dem Heilen von Krankheit und Sünde beabsichtigt die Christliche Wissenschaft, in erbarmungsvoller Weise die Menschheit von diesen Plagen zu befreien und auch zu zeigen, daß der Mensch als Gottes Ebenbild schon jetzt geistig und heil ist. Unsere Mittel zur Heilung müssen mit ihrem Ziel oder Zweck in Einklang stehen, sonst verlieren wir den Geist Christi, die wahre religiöse Antriebskraft. Heilung in der Christlichen Wissenschaft hebt den Menschen über die Materialität. Mrs. Eddy sagt: „Unser System des Gemüts-Heilens beruht auf dem Erfassen der Natur und des Wesens allen Seins — auf dem göttlichen Gemüt und auf den wesentlichen Eigenschaften der Liebe. Seine Arzneikunde ist sittlich, und seine Medizin ist intellektuell und geistig, obgleich es auf physisches Heilen angewandt wird.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 460.
Diese Gründe können den Patienten und anderen in liebevoller Weise erklärt werden. In solchen Fällen bedarf es der Offenheit und Aufrichtigkeit geistiger Überzeugung. Ist sich der Ausüber über diese Frage im klaren, so wird er nicht in eine Situation hineingeraten, in der er metaphysische Behandlung erteilt, wenn es nicht angebracht ist, doch wird er außergewöhnliche Gesetzesbestimmungen berücksichtigen.
Eine Erfahrung kann diesen Punkt hier Verdeutlichen. Eine Ausüberin wurde von einem Mann angerufen, der seit drei Tagen krankheitshalber seiner Arbeit ferngeblieben war. Er hatte Schwierigkeiten beim Atmen und konnte nur schwer hören. Da in seinem Lande ein Gesetz verfügt, daß man nach drei Tagen einen Arzt aufsuchen müsse, um weiter krankgeschrieben zu sein, kam er diesem Gesetz nach; ein Arzt verschrieb ihm ein Medikament. Er rief dann wieder die Ausüberin an und sagte ihr, er werde das Mittel nehmen, wolle aber die christlich-wissenschaftliche Behandlung fortsetzen, wenn nötig allein.
Die Ausüberin erklärte ihm liebevoll, daß sie ihm keine Behandlung in der Christlichen Wissenschaft mehr geben könne, da dies zweierlei Heilmethoden einschließen würde. Aber sie dankte ihm für seine Ehrlichkeit. Als der Mann aufgehängt hatte, dachte sie an Mrs. Eddys Worte: „Ehrlichkeit ist geistige Kraft.“ Ebd., S. 453. Sie machte sich klar, daß wahre Macht dort ist, wo Ehrlichkeit ist.
Zwei oder drei Tage später rief der Mann wieder an und sagte, er gebe die Arznei auf, weil sie ihm nicht geholfen habe. Er wünsche jetzt nur noch metaphysische Behandlung. Das Problem wurde durch Gebet geheilt.
Ungefähr zwei Jahre vor diesem Ereignis hatte die Ausüberin erkannt, daß sie nicht ihrem höchsten Verständnis von radikalem Vertrauen gehorsam war; und so entschloß sie sich, den absoluten Standpunkt zu beziehen und keinen Fall mehr anzunehmen, in dem der Patient medizinische Heilmittel anwandte, selbst wenn dies ihre Praxis beeinträchtigen sollte. Und zunächst ging sie auch zurück. Allmählich wurde jedoch der Kreis ihrer Patienten größer und ihre Ausübung stärker als je zuvor. Heute sagt sie, daß dieser feste ethische Standpunkt sie befähigt habe, in der Christlichen Wissenschaft besser zu heilen.
Wer gründlich und regelmäßig in der Bibel und den Werken Mrs. Eddys forscht und Führung sucht, um Gottes Allmacht zu demonstrieren, wird feststellen, daß die heilende Kraft des Urchristentums nicht im geringsten nachgelassen hat. Ja, Gottes heilende Kraft wird heute viel mehr demonstriert, als dies jemals zuvor der Fall gewesen ist. Christus Jesus verhieß: „Wer an mich glaubt, der wird die Werke auch tun, die ich tue, und wird größere als diese tun, denn ich gehe zum Vater.“ Joh. 14:12.
Fragen über die Ausübung können gesandt werden an The First Church of Christ, Scientist; Practitioners and Nursing Activities, A–151; Christian Science Center; Boston, MA, USA 02115.
[Auszüge aus der Rubrik „The Church in Action“ aus dem Christian Science Journal.]