Ich kannte einen Ersten Leser, der jedes Wort — je nach Bedeutung — sehr genau und sorgfältig las, auch die wöchentlichen Ankündigungen. Die reguläre Ankündigung für die Sonntagsschule zum Beispiel ließ mich immer wieder aufhorchen, denn er betonte nicht den ersten Teil des Wortes, sondern den letzten: „Sonntagsschule“. Das regte mich an, darüber nachzudenken, daß wir ja sonntags tatsächlich eine Schule für junge Leute haben — nicht lediglich eine für Schüler bis zum zwanzigsten Lebensjahr vorgeschriebene Stunde, sondern wahres Lernen — eine Schulung in geistigen Dingen.
Die Sonntagsschule ist aber nicht lediglich sozusagen eine Vorbereitung auf das Leben. Was in der Sonntagsschule geschieht, ist genauso wichtig wie alles andere in der Kirche. In dieser Stunde lassen Schüler und Lehrer ihre Beziehung zum Christus, zur Wahrheit, lebendig werden — sie reden oder lesen nicht nur etwas darüber.
Vor vielen Jahren betete ich an einem Ostermorgen für die Klasse, die ich in der Sonntagsschule unterrichten sollte. Offensichtlich hatte sich bei mir das Gefühl eingeschlichen, daß ich nur meine Pflicht tat, und ich empfand kaum Inspiration. Aber ich betete weiter. Ich mußte an eine bewegende Stelle aus dem Roman Die Brüder Karamasow von Dostojewski denken. Mehrere Schuljungen umringen Aljoscha, den geistig gesinnten Bruder. Sie fragen ihn, ob es denn wahr sei, was die Religion lehre: daß wir alle nach dem Tod weiterleben und einander wiedersehen würden. Mit erleuchteter Überzeugung sagt Aljoscha: „Natürlich werden wir uns sehen und einander voller Freude und Wonne alles erzählen, was geschehen ist!“
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