Für die Menschheit beten?

Beten Sie jeden Tag? Wie wichtig ist Gebet überhaupt? Und was ist Gebet eigentlich?

Das sind schwierige Fragen. Aber so unterschiedlich die Antworten auch sein mögen, wohl jeder wird zustimmen, daß Gebet Kommunikation mit Gott bedeutet. Bleibt zu fragen: Wer ist es, der kommuniziert? Bin ich es, der redet, oder ist es Gott?

Wenn es Gott ist, der spricht, dann sollten wir zuhören. Und wenn wir Gottes Stimme hören, unser Denken von göttlicher Weisheit und Liebe getröstet und geleitet wird, fühlen wir uns Ihm nahe. Was kann schöner sein, als die Nähe, die unmittelbare Gegenwart, unseres Vater-Mutter Gottes zu fühlen?

Mir ist auf vielerlei Art und Weise geholfen worden, wenn ich im Gebet auf Gott gelauscht habe. Manchmal habe ich durch ein besseres Verständnis von Gott körperliche Heilungen erlebt. Manchmal, wenn ich Führung brauchte, habe ich Orientierung und ein Ziel gefunden. Und manchmal sind mir Mitmenschen in einem neuen Licht erschienen — habe ich einen Schimmer von der vollkommenen, geistigen Idee erhascht, die der von Gott erschaffene Mensch in Wirklichkeit ist. Die wahre Identität des Menschen als das geistige Kind Gottes zu erkennen, das kann ein wesentlicher Bestandteil des Gebets in. Wenn wir wissen, daß Gott unser Vater und unsere Mutter ist, erkennen wir, daß wir in der Tat Seine Sprößlinge sind, der Mensch, der zu Seinem Bild und Gleichnis geschaffen wurde. ^{Siehe 1. Mose 1:26, 27.}

Eines der beiden großen Gebote, die Jesus lehrte, fordert von uns, unseren Nächsten zu lieben wie uns selbst. ^{Siehe Mk 12:29–31.} Sich selbst zu lieben bedeutet in gewisser Weise, für sich selbst zu beten. Und wenn wir uns selbst lieben, sind wir besser in der Lage, andere zu lieben. Das eine geht nicht ohne das andere. Deshalb befindet sich niemand außerhalb der Reichweite unserer Liebe und unseres Gebets, ob es sich dabei um uns selbst handelt, um einen Angehörigen, ein Kirchenmitglied oder um jemanden in einem anderen Land, den wir noch nie gesehen haben. Für die Menschheit beten heißt auch, zu wissen, daß jeder von uns in Wirklichkeit Gottes geliebtes Kind ist; jeder von uns wird von Ihm regiert und dient Seiner Absicht.

Mrs. Eddy schreibt im Handbuch Der Mutterkirche: „Es ist die Pflicht eines jeden Mitglieds dieser Kirche, täglich zu beten:, Dein Reich komme‘; laß die Herrschaft der göttlichen Wahrheit, des göttlichen Lebens und der göttlichen Liebe in mir aufgerichtet werden und alle Sünde aus mir entfernen; und möge Dein Wort die Liebe der ganzen Menschheit bereichern und sie beherrschen!“ ^{Handb., Art. VIII Abschn. 4.} Dieses „tägliche Gebet“ läßt Liebe und aufrichtiges Interesse für die Menschheit erkennen. Wenn wir jeden Menschen ehrlich und aufrichtig lieben, wird das uns und andere segnen. Ein Beispiel dafür, wie sich solches Gebet auf eine größere Gruppe von Menschen segensreich auswirkt, habe ich selbst erlebt.

Ich beginne meinen Tag normalerweise, indem ich bete und die Bibellektion aus dem Vierteljahrsheft der Christlichen Wissenschaft studiere. Eines Tages empfand ich beim Beten ungewöhnlich deutlich die Notwendigkeit, das Gebet über einen längeren Zeitraum fortzusetzen. Ich fühlte mich nachdrücklich aufgefordert, klarer zu erkennen, daß alle Menschen Brüder sind.

Ich dachte darüber nach, wie Jesus reagierte, als ihm gesagt wurde, daß seine Mutter und seine Brüder ihn sprechen wollten. ^{Siehe Mt 12:46–50.} Vielleicht hatten sie Angst, daß er sich durch sein Predigen in Gefahr bringen könnte, und wollten, daß er nach Hause zurückkehrte, wo er sicher war. Aber ganz im Sinne seiner Mission, die Menschen zu lieben, zu lehren und zu heilen, fragte er: „Wer ist meine Mutter, und wer sind meine Brüder?“ Und er beantwortete seine eigenen Fragen mit der folgenden wichtigen Aussage: „Wer den Willen tut meines Vaters im Himmel, der ist mir Bruder und Schwester und Mutter.“

Dann schlug ich noch viele Stellen zum Thema Brüderschaft in Wissenschaft und Gesundheit von Mary Baker Eddy nach. Besonders zwei regten mich zum Nachdenken an: „Man sollte es von Grund aus verstehen, daß alle Menschen ein Gemüt, einen Gott und Vater, ein Leben, eine Wahrheit und eine Liebe haben. Die Menschheit wird in dem Maße vollkommen werden, wie diese Tatsache sichtbar wird, der Krieg wird aufhören, und sie wahre Brüderschaft der Menschen wird begründet werden“ (S. 467) und: „Der eine unendliche Gott, das Gute, vereinigt Menschen und Völker; richtet die Brüderschaft der Menschen auf; beendet die Kriege; erfüllt die Schriftstelle:, Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst‘; vernichtet heidnische und christliche Abgötterei — alles, was in sozialen, bürgerlichen, kriminalen, politischen und religiösen Gesetzen verkehrt ist; stellt die Geschlechter gleich; hebt den Fluch auf, der auf dem Menschen liegt, und läßt nichts übrig, was sündigen, leiden, was bestraft oder zerstört werden könnte“ (S. 340).

Als ich anfing zu beten war ich beunruhigt. Irgend etwas war nicht in Ordnung, und ich wußte nicht, was es war. Aber als ich mich weiter in die Bibel und Wissenschaft und Gesundheit vertiefte, fühlte ich mich getröstet. Ein Gefühl des Friedens überkam mich. Ich wußte, daß der eine Gott, das eine Gute, alles regiert, daß alle Menschen Brüder sind, daß die göttliche Liebe allmächtig ist. An jenem Abend erlebte ich unzweideutig, wie sich diese Wahrheiten über Gott und den Menschen als wahr erwiesen, wie allein Gott Seine Absicht ausführte — selbst zu einem Zeitpunkt, als sich ein terroristischer Anschlag gegen meine nächsten Familienangehörigen und Freunde richtete.

Ein Terrorist war, als amerikanischer Militäroffizier getarnt, in den NATO-Stützpunkt eingedrungen, auf dem mein Mann arbeitete. Der Mann hatte ein gestohlenes Auto vor dem NATO-Gebäude abgestellt (in unmittelbarer Nähe zum Büro und dem Auto meines Mannes). Ein deutscher Offizier hatte etwas „Ungewöhnliches“ bemerkt, als diese Person beim Verlassen des Geländes das Tor passierte, und anstatt achselzuckend darüber hinwegzugehen, hatte er Nachforschungen angestellt. Die Untersuchung ergab, daß ein verlassenes Auto auf dem Stützpunkt stand und daß es sich dabei um einen gestohlenen Wagen handelte. Das Auto wurde untersucht, und man stellte fest, daß der Kofferraum voller Sprengstoff war. Der Sprengstoff hätte explodieren sollen, aber der Zeitzünder hatte versagt!

All dies, der terroristische Anschlag und die Untersuchung gingen vonstatten, während ich mich in tiefem Gebet befand. Die geistigen Wahrheiten waren mächtiger als jede zerstörerische Gewalt. Meine Dankbarkeit Gott gegenüber für diesen Schutz und meine Liebe zur ganzen Menschheit wurden während dieser Erfahrung immer stärker. Ich empfand nie irgendwelchen Haß auf diesen jungen Mann und seine Komplizen, die versucht hatten, eine solche Zerstörung herbeizuführen. (Sie wurden schließlich von den zuständigen Behörden festgenommen.)

Im Liederbuch der Christlichen Wissenschaft heitß es in Lied Nr. 82:

Wenn wir für uns selbst und für andere beten, können wir alle jetzt und immer durch das ewige Wirken Gottes gesegnet werden.