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Mary Baker Eddy und die Autorität der Offenbarung

Aus der Oktober 1989-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Stellen Sie sich einen Augenblick vor, Sie hätten am 26. Mai 1895 am Sonntagsgottesdienst in Der Mutterkirche teilgenommen. Und mitten während des Gottesdienstes betritt unerwartet Mary Baker Eddy den Kirchenraum durch den hinteren Eingang. Sie geht auf das Podium zu. Ein Biograph berichtet über dieses Ereignis, daß ein Solo einsetzte, um der Gemeinde Zeit zu geben, sich wieder zu beruhigen. Siehe Robert Peel, Mary Baker Eddy: The Years of Authority (New York: Holt, Rinehart and Winston, 1977), S. 77. Dann erhebt sich Mrs. Eddy und spricht etwa zwanzig Minuten lang zur Gemeinde — schlicht, ernst und ganz unvergeßlich — darüber, daß Reue und die Überwindung der Sünde erforderlich sind.

Die Aufzeichnungen jener, die zugegen waren, zeigen, welch tiefen Eindruck dieser Auftritt bei der Gemeinde hinterließ. Ein Soziologe würde vielleicht sagen, daß dies ein typisches Beispiel dafür sei, welche Wirkung ein „charismatischer" Führer auf seine leicht beeinflußbare Anhängerschaft habe. Doch für die aktiven Christlichen Wissenschafter, die an jenem Morgen dabei waren, ebenso für die, die vielleicht Berichte über jenes Ereignis lasen, zeigte sich hier etwas Bedeutenderes.

Was sahen sie darin? Was gab Mrs. Eddy diese Autorität? Worin sehen noch heute die Christlichen Wissenschafter diese Autorität begründet?

Sicherlich war es nicht so, daß Mrs. Eddy als Person nach menschlicher Macht strebte oder andere zu beherrschen suchte, wie manchmal behauptet wird. Sie hatte sich nicht in den Kopf gesetzt, Entdeckerin und Gründerin der Christlichen Wissenschaft zu werden; sie sah darin eine enorm hohe Anforderung, und manchmal hätte sie nur zu gern die ungeheure Bürde der Verantwortung, die auf sie gefallen war, mit anderen geteilt. Und sie trug schwer an den notwendigen Zurechtweisungen anderer; sie waren für sie mit das schwerste Kreuz.

Es wäre aber auch nicht richtig, wenn Christliche Wissenschafter sagten, Mrs. Eddy habe diese Autorität besessen, weil Gott, nachdem Er ein Geschlecht sündiger Sterblicher geschaffen, ihr zustimmend zugenickt und sie aus dem Kreis vieler möglicher Kandidaten speziell erwählt habe, damit sie die Entdeckerin der Christlichen Wissenschaft werde. Gegenüber einer Schülerin beschrieb Mrs. Eddy ihre Aufgabe einmal so: „Ich wurde nicht etwa speziell dazu erwählt, diese Wissenschaft zu offenbaren; vielmehr ist es so, als ob etliche Menschen in der Nähe eines Fenster stünden, und weil ich der Glasscheibe am nächsten war, fiel das Licht auf mich.“ Zitiert in Stephen Gottschalk, The Emergence of Christian Science in American Religious Life (Berkeley: University of California Press, 1973), S. 29.

Wir können also sagen, daß die Autorität, die Mrs. Eddy für die Christlichen Wissenschafter darstellt, weder ihrem persönlichen Wunsch entspringt noch irgendeiner übernatürlichen Investitur. Im Grunde genommen ist diese Autorität auf die Echtheit des geistigen Lichts zurückzuführen, das auf sie fiel, und auf die Tatsache, daß sie ihm absolut treu blieb. Ihre Autorität entstammt der maßgeblichen Wahrheit ihrer geistigen Entdeckung, der Wahrheit über Gottes Allheit, die den Menschen als Sein Kind mit einschließt, aber jede Wirklichkeit oder Macht, die Gott entgegengesetzt ist, ausschließt.

Die Christlichen Wissenschafter betrachten diese geistige Entdekkung als eine Offenbarung; allerdings nicht in dem Sinne, daß sie wie ein Blitz aus heiterem Himmel kam. Mrs. Eddy selbst spricht von einem Entdeckungsprozeß. Sie ist, um es mit ihren Worten zu sagen, „durch das Evangelium des Leidens, durch die Vorsehung Gottes und das Kreuz Christi in das Labyrinth der göttlichen Metaphysik hineingeführt“ Rückblick und Einblick, S. 30. worden. Diese Entdeckung war fraglos eine Offenbarung. Sie kennzeichnet in der menschlichen Erfahrungswelt den Durchbruch eines sehr viel größeren Verständnisses von Gott und von der geistigen Wirklichkeit.

Mrs. Eddy erklärt das sehr schön in Vermischte Schriften in Verbindung mit ihrer Heilung von den Folgen eines schweren Unfalls im Jahre 1866: „Jene kurze Erfahrung schloß einen Schimmer der großen Wahrheit in sich, die ich seitdem anderen klarzumachen versuchte: daß Leben in und aus dem Geist und die einzige Wirklichkeit des Daseins ist.“ Verm., S. 24.

Überaus wichtig für das Verständnis des Lebenswerkes von Mary Baker Eddy als Entdeckerin und Gründerin der Christlichen Wissenschaft ist die Tatsache, daß sie ihrer Entdeckung absolut treu geblieben ist, nachdem ihr deren Richtigkeit aufgegangen war. Das war jedoch nicht der einzige Faktor in ihrem Werdegang; wie jeder andere, so mußte auch sie gewisse Elemente ihres menschlichen Temperaments und ihrer Persönlichkeit überwinden. Aber diese Wahrheit wurde zur beherrschenden Kraft in ihrem Leben. Mochten andere wanken und zweifeln, kommen und gehen, sich aus irgendwelchen Gründen an die Christliche Wissenschaft klammern und aus anderen wieder von ihr ablassen oder einfach versuchen, sie mit der herkömmlichen Lebensauffassung zu koppeln. Mrs. Eddy verschrieb sich mit Leib und Seele dem, was sie erkannt hatte, ja sie verschrieb sich dem so sehr, daß sie nicht von der Wissenschaft getrennt werden kann, die sie entdeckte.

Diese Hingabe, diese Aufgeben des eigenen Selbst, hat ihrer Arbeit für ihre Kirche den Stempel der Echtheit aufgedrückt. Heute wie auch schon zu Mrs. Eddys Zeiten finden ihre Anhänger in ihren Schriften die Inspiration und konkrete Anleitung, durch die ihre Rolle als ständige Führerin der Kirche Christi, Wissenschafter, bestätigt wird.

Dadurch, daß sie ihrer Mission treu blieb, bestätigt sich auch ihre Aussage in Wissenschaft und Gesundheit:Gott wählt für den höchsten Dienst nur jemanden aus, der zu einer solchen Tauglichkeit für denselben herangewachsen ist, daß jeglicher Mißbrauch der Mission zur Unmöglichkeit wird.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 455. Diese Treue faßt mehr in sich als nur die zielstrebige Verfolgung eines religiösen Ideals. Eine derartige Entschlossenheit hätte wohl kaum ausgereicht, um die Hindernisse aus dem Weg zu räumen, die zur Erfüllung ihrer Mission überwunden werden mußten. Und erfüllt wurde ihre Mission. Denn nicht nur forderte Mrs. Eddy die Welt mit einer religiösen Lehre heraus, die in krassem Gegensatz stand zu dem Materialismus in den Religionen und der Medizin. Sie tat das auch als Frau, die in einer von Männern beherrschten Gesellschaft eine Führungsrolle für sich in Anspruch nahm.

Es gab nur eine Möglichkeit, wie Mrs. Eddy das erreichen konnte, was sie trotz des Widerstands, der ihr entgegenschlug, schließlich erreichte: dem treu zu bleiben, was sie entdeckt hatte, und durch ihr Leben und ihre Leistungen die Richtigkeit dieser Entdeckung zu bezeugen. Für sie war die Christliche Wissenschaft nicht einfach ein System menschlicher Meinungen und religiöser „Anschauungen“, die man anderen aufdrängen konnte. Sie war vielmehr die eigentliche Wahrheit des Seins. Und nach ihrer Entdeckung lebte sie ihr Leben ganz im Zeichen dieser Wahrheit und der höchsten christlichen Nachfolge.

Was in ihrer Erfahrung geschah, kann vielleicht die Übersetzung eines bekannten Verses des Johannes-Evangeliums aus The New English Bible am besten verständlich machen. Dort wird Jesu bekanntes Wort aus Joh 8:31 „Wenn ihr bleiben werdet an meinem Wort, so seid ihr wahrhaftig meine Jünger“ wiedergegeben mit: „Wenn ihr bleiben werdet in der Offenbarung, die ich gebracht habe, so seid ihr wahrhaftig meine Jünger.“

Mrs. Eddys Leben mit seinem bemerkenswerten Wechsel von Opfern und Siegen führt uns deutlich vor Augen, daß sie eine wahre Nachfolgerin des Meisters war. Daher konnte sie in ihrer Botschaft an Die Mutterkirche für 1901 und dann noch mal im folgenden Jahr sagen: „ ... folgt eurer Führerin nur insoweit, als sie Christus folgt.“ Botschaft für 1901, S. 34; siehe auch Botschaft für 1902, S. 4.

Der geistige Durchbruch, der sich mit der Entdeckung der Christlichen Wissenschaft in ihrem Leben vollzogen hatte, deckte die volle Bedeutung jener Offenbarung auf, die Jesus gelehrt und gelebt hatte. Sie brachte ihr den „Geist der Wahrheit“, den Jesus als den Tröster bezeichnet hatte und der uns, wie er sagte, alles lehren und uns in alle Wahrheit leiten würde. Siehe Joh 14:26; 16:13. Durch ihre eigene radikale christliche Nachfolge konnte sie bei dieser Offenbarung verweilen. Und dieses zähe und gehorsame Geistig-Gesinntsein gab ihr die notwendige Vollmacht, um die Kirche zu gründen und das Handbuch Der Mutterkirche zu verfassen, das zusammen mit den anderen veröffentlichten Schriften noch heute den bleibenden Maßstab für diese Kirche setzt.

Für die Christlichen Wissenschafter führt die fortdauernde Berührung mit der christlich-wissenschaftlichen Bewegung ganz natürlich zu einer tieferen Wertschätzung für die Vollmacht und Integrität der Führerrolle Mrs. Eddys. Angesichts der unruhigen Strömungen in der religiösen Welt unserer Tage ist es auch für Nicht-Christliche Wissenschafter wichtig, daß sie ihre wahre Größe als christliche Denkerin und religiöse Führerin besser erkennen.

Wer bereit ist, ihr Leben und Werk vorurteilslos zu betrachten, kann nicht umhin, von der Kühnheit beeindruckt zu werden, mit der sie kompromißlos und ehrlich die fundamentalen Probleme anspricht, vor denen die Menschheit steht. Wer diesen Fragen unvoreingenommen nachgeht, wird besser verstehen, was für eine Führerin Mrs. Eddy tatsächlich war — und ist — für all jene, die sich der Anwendung ihrer Lehre verschrieben haben.


Darum auch ich, nachdem ich gehört habe von dem Glauben bei euch
an der Herrn Jesus und von eurer Liebe zu allen Heiligen,
höre ich nicht auf, zu danken für euch,
und gedenke euer in meinem Gebet,
daß der Gott unseres Herrn Jesus Christus,
der Vater der Herrlichkeit,
euch gebe den Geist der Weisheit
und der Offenbarung, ihn zu erkennen.

Epheser 1:15–17

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