Von Zeit zu Zeit werden wir ausgewählte Artikel, Schriftleiterartikel oder Gedichte aus vergangenen Veröffentlichungen herausbringen.
Es ist uns nicht möglich, alle hervorragenden Arbeiten der Vergangenheit zu veröffentlichen. Unsere Absicht ist nicht, christlich-wissenschaftliche „Klassiker“ herauszusuchen oder herausragenden Persönlichkeiten „das Wort zu erteilen“. Einige Beiträge mögen von bekannten Lehrern der Christlichen Wissenschaft stammen; andere wurden von vergleichsweise unbekannten Personen geschrieben.
Die Artikel und Gedichte sind hauptsächlich nach ihrer Relevanz für heutige Bedürfnisse ausgewählt worden. Sie werden feststellen, daß Sprache und Stil von der heutigen Norm leicht abweichen, aber vielleicht teilen Sie unsere Meinung, daß wahre geistige Erleuchtung niemals unmodern wird.
Wir hoffen, es wird Ihnen ebensoviel Freude machen wie den jetzigen Schriftleitern, über das selbstlose, geistige Engagement all jener Christlichen Wissenschafter nachzudenken, die so viel zur Sache der Christlichen Wissenschaft beigetragen haben und deren Worte und Beispiel noch heute zu uns sprechen.
Was läßt sich zu Gefühlskälte, einem Mangel an tätiger Nächstenliebe und mangelnder geistiger Zuneigung in der Kirche sagen?
Freuen wir uns spontan über die Herzenswärme und Liebe, die wir in unserer Kirche finden? Oder haben wir Grund zu Traurigkeit?
Unsere Führerin, Mrs. Eddy, sprach unverblümt über dieses Thema, nachdem sie 1896 in einem Kommunionsgottesdienst in Der Mutterkirche gesprochen hatte. Mit Realismus, der dennoch voller Mitgefühl war, schrieb sie an Freunde: „Die allgemeine Atmosphäre in meiner Kirche ist so kalt und still wie die Marmorböden.“ Und sie bemerkte in einem anderen Brief: „Meine Schüler tun ein großes und gutes Werk; das Treffen und die Art, wie es geleitet wurde, erfreuen mein Herz. Aber oh, ich fühlte solche Kälte, solch einen Mangel an Inspiration in all den lieben Herzen — nicht mir gegenüber; o nein, da sind sie in höchstem Maße loyal —, sondern ich fühlte eine Reglosigkeit, einen Mangel an geistiger Energie und Eifer.“ Angeführt in Mary Baker Eddy: The Years of Authority von Robert Peel (Verlag Holt, Rinehart and Winston, New York, 1977), S. 97.
Wie geduldig und glühend betonte Mrs. Eddy während der Jahre des Aufbaus die lebenswichtige Notwendigkeit christlicher Wärme und Zuneigung, sowohl in der Kirche als auch im Herzen jedes einzelnen Mitarbeiters! Sie hob hervor, daß christliche Liebe beim Heilen unentbehrlich ist. So schreibt sie in Wissenschaft und Gesundheit: „Das Lebenselement, das Herz und die Seele der Christlichen Wissenschaft, ist Liebe. Ohne sie ist der Buchstabe nichts als der tote Körper der Wissenschaft — ohne Pulsschlag, kalt, leblos.“ Science and Health (Wissenschaft und Gesundheit), S. 113: “The vital part, the heart and soul of Christian Science, is Love. Without this, the letter is but the dead body of Science,— pulseless, cold, inanimate.”
Solche Worte verkünden laut die Lehren Jesu Christi. In der Bergpredigt werden wir ermahnt, nicht Böses mit Bösem zu vergelten, sondern auch die andere Wange hinzuhalten; nicht zu versuchen, den Splitter aus unseres Bruders Auge zu entfernen, ohne zuvor den Balken aus unserem eigenen Auge zu ziehen; nicht mit unserer Gabe zum Altar zu gehen, bevor wir uns nicht mit unserem Bruder versöhnt haben. Unser Wegweiser empfiehlt uns, unsere Feinde zu lieben und diejenigen zu segnen, die uns fluchen. Siehe Mt, Kap. 5–7.
Dieser geistige Maßstab für alle menschlichen Beziehungen hallt im ganzen Neuen Testament wider. Allein im ersten Johannesbrief finden wir: „Wer aber seinen Bruder haßt, der ist in der Finsternis“; „Wer nicht liebt, der bleibt im Tod“; „Wer nicht liebt, der kennt Gott nicht“; „Wenn wir uns untereinander lieben, so bleibt Gott in uns, und seine Liebe ist in uns vollkommen“; „Wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm." 1. Joh 2:11; 3:14; 4:8, 12, 16.
Metaphysisch gesehen ist die wahre Kirche eine göttliche Idee. Sie offenbart sich der Menschheit bis zu einem gewissen Grade nicht nur als eine notwendige Institution, sondern auch als der christusähnliche Geist, der inspirierte und vergeistigte Zustand des Denkens, der die Institution belebt und tatsächlich deren Wesen und Substanz ist. Aber selbst auf der menschlichen Ebene finden wir unsere Kirche nicht nur in Gebäuden oder Organisationsformen, sondern in dem christusähnlichen Bewußtsein, das ausgedrückt wird. Was zählt, sind die heilenden Elemente der Liebe, die sich durchsetzen!
Wenn wir Erneuerung in unserer Kirche suchen, sollten wir zuerst die geistige Liebe erneuern.
Wenn wir ein Wiederaufleben in unserer Kirche wünschen, sollten wir für das Wiederaufblühen einer gesunden, christlichen Zuneigung sorgen.
Wenn wir uns nach einem Gefühl der Frische in unserer Kirche sehnen, sollten wir Güte und Barmherzigkeit einströmen lassen.
Wenn wir erneute Aktivität in unserer Kirche wünschen, sollten wir mehr an andere denken und großherzig sein.
Wenn wir ein Wiederaufleben der heilenden Kraft wollen, dann sollte es weniger vernichtende Kritik geben und mehr Dankbarkeit und Freundlichkeit — mehr Wärme der Vergeistigung. Liebe ist die Quelle aller Lebendigkeit. Sie spült alle Disharmonie fort. Mrs. Eddy schreibt: „Der Weg, den Irrtum aus dem sterblichen Gemüt zu entfernen, ist der, die Wahrheit mit Fluten der Liebe einströmen zu lassen.“ Science and Health (Wissenschaft und Gesundheit), S. 201: “The way to extract error from mortal mind is to pour in truth through flood-tides of Love.” Diese „Fluten der Liebe“ können die lähmenden Elemente des sterblichen Willens — Egoismus, Verletztsein, Feindseligkeit, Groll, Argwohn und üble Nachrede — fortspülen; und nichts anderes kann es.
Wir müssen theoretische Liebe in tätige Liebe umsetzen. Nur so können wir den Begriff Organisation aus der normalen, menschlichen Ebene zur Demonstration von Beziehungen emporheben, die vom Christus veranlaßt und geistig regiert werden.
Wie können wir das zuwege bringen?
Liebe bedeutet, daß in unserer Kirche nicht nur gelegentlich Heilungen vorkommen, sondern daß geistige Liebe so sehr das Bewußtsein, die Ziele und die Atmosphäre der Kirche durchdringt, daß der Geist des Christus-Heilens sich in jedem Gottesdienst und in jeder Aktivität, ebenso wie im Leben jedes einzelnen Mitglieds durchsetzt.
Liebe bedeutet Ehrlichkeit — nicht, Tatsachen zu verdrehen, damit sie unseren Zwecken dienen, oder etwas sagen, wenn wir das Gegenteil denken. Liebe hindert uns daran, schlecht vom anderen zu denken, während wir nach außen hin Wohlwollen zeigen.
Liebe bedeutet, irrige Charakterzüge von unserem Bild des anderen zu trennen durch die Methode, die die Wissenschaft uns zur Berichtigung unseres Begriffs von Gott und Mensch an die Hand gibt; dann den Irrtum als nichts zurückzuweisen — als unwirklich in Gottes Allgegenwart — und unsere christusähnliche Liebe zu dem Betreffenden zu behaupten. Liebe bedeutet ganz besonders, keine niederreißende Kritik über Mitglieder oder andere zu verbreiten.
Liebe bedeutet, Geduld und Nachsicht miteinander zu üben — nicht, hitzig zu reagieren. Sie bedeutet auch zu vergeben.
Wenn die Liebe sich durchsetzen soll, müssen Cliquenwirtschaft und Klassendenken durch ein offenes Willkommen und ein Gefühl brüderlichen Einvernehmens gegenüber Menschen aus anderen sozialen, wirtschaftlichen und ethnischen Schichten ersetzt werden.
Man kann solchen Anforderungen nur gerecht werden, wenn man durch den geistigen Sinn den Funken echter Christlichkeit in anderen sieht.
Liebe bedeutet, die anderen Mitglieder zu schätzen und dieser Wertschätzung auch Ausdruck zu verleihen. Ein bißchen Mitgefühl, ein wenig Ermutigung, ernsthaft zum Ausdruck gebracht, wirkt wie das Öl der Witwe in der Geschichte von Elisa: es vervielfältigt sich ohne Einschränkung und bereichert uns alle. Siehe 2. Kön 4:1–7.
Liebe ist das Gegenteil von Gleichgültigkeit gegenüber unserem Nächsten, der in Schwierigkeiten ist. Eine Kirche, die liebt, ist eine fürsorgliche Kirche.
Liebe bedeutet, Großherzigkeit nicht durch ausführliche Vorschriften aussperren zu lassen. Das christusähnliche Heilungsbewußtsein darf nicht durch Formalismus oder Ritualismus abgetötet werden.
Wenn christliche Liebe in organisatorische Beziehungen umgesetzt werden soll, muß sie jene täglich widergespiegelten Gnadengaben des Geistes enthalten, die das Herz des Gebers wie des Empfängers erwärmen: Höflichkeit, Einfühlungsvermögen, Aufmerksamkeit, Freundlichkeit.
Genauer gesagt, wir müssen darauf achten, daß den Komiteemitgliedern alle Informationen gegeben werden, die sie für ihre Arbeit benötigen. Wir dürfen auch nicht willkürlich oder geheim Dinge entscheiden, die laut Satzung der Mitgliedschaft als höchstem Organ übergeben werden sollten. Die Höflichkeit sollte auch einen Komiteevorsitzenden oder ein anderes Komiteemitglied daran hindern, Entscheidungen zu treffen oder etwas zu unternehmen, ohne sich vorher mit dem Komitee selbst zu beraten; oder die Anweisung eines anderen aufzuheben, ohne denjenigen davon zu unterrichten, der sie gab — auch wenn man die Befugnis dazu hat.
Gute Kommunikation ist lebenswichtig für eine gute Organisation. Und gute Kommunikation entspringt der Liebe. Wenn einer Organisation solche Elemente brüderlicher Rücksichtnahme fehlen, könnte sie streng und einengend wirken. Aber die wahren Anhänger der Wissenschaft Christi machen sich die geistige Liebe zu eigen, die freundlich und rücksichtsvoll ist, und tun Pionierarbeit für eine geläuterte Organisation, die die Ziele Christi fördert und alle segnet.
Liebe verlangt den moralischen Mut, der einem seine Position bescheiden, aber klar zu vertreten heißt, selbst wenn andere nicht einverstanden sein sollten und einen überstimmen. Sie veranlaßt uns, uns bereitwillig an rechtmäßig herbeigeführte Entscheidungen zu halten und darauf zu vertrauen, daß Gott alles berichtigen wird, was der Berichtigung bedarf — selbst unsere eigene Haltung —, und daß Er die Kirche regiert. Zweifellos bedeutet das, keinen Groll zu hegen oder unsere Handlungen nicht von Groll bestimmen zu lassen. Es bedeutet, uneingeschränkt das zu unterstützen, was unsere Zweigkirche in demokratischer Abstimmung zu tun beschlossen hat.
Bei Entscheidungen über kirchliche Vorhaben verlangt die Liebe, daß Gebet an erste Stelle gestellt wird — vor die Verwaltungsangelegenheiten. Gebet bedeutet, auf die Führung der Liebe zu lauschen — nicht, dafür zu beten, daß sich die eigene Ansicht durchsetzt. Sonst könnte sich ein eintöniger Kreislauf von aufeinanderprallenden Meinungen, sterblichem Eigensinn und Parteienbildung in Bewegung setzen.
Keine materielle Frage in bezug auf einen physischen Bau ist beispielsweise so wichtig wie der Aufbau von Vertrauen und Wohlwollen in den Herzen der Mitglieder. Warum? Weil geistige Liebe das offenbar gewordene göttliche Bewußtsein ist; administrative Alternativen sind lediglich menschliche Möglichkeiten, die jedoch der göttlichen Führung unterworfen sind.
Muß nicht Liebe die Hinwendung zur Bibel und zu den Schriften unserer Führerin einschließen? Nicht, damit man eine Rechtfertigung für die eigene parteiliche Ansicht findet, sondern damit man sich durch demütiges Lauschen von der Wahrheit leiten läßt und bereit ist, die eigene menschliche Meinung — wenn nötig — zu ändern.
Organisation an sich ist nicht falsch, vieles daran ist richtig und notwendig. Wenn sie von geistigen Beweggründen und Verfahrensweisen geleitet wird, dient sie den Zwecken Gottes, wie unsere Führerin lehrt. Wenn Schwierigkeiten auftauchen, so liegt das an den noch unzerstörten Wesenszügen des sterblichen Gemüts. Aber diese können durch die Wissenschaft der Wahrheit und Liebe gebändigt und beseitigt werden. Wenn wir unsere Gedanken und Handlungen auf praktische Weise von der göttlichen Liebe lenken lassen, so kann das, was zuerst nur wie ein Rinnsal liebeserfüllter guter Absichten aussieht, zu einem kräftigen Strom voll geistiger Dynamik in Kirchenangelegenheiten werden.
Erneuerung in der Kirche beginnt mit uns selbst und mit der unwiderstehlichen Kraft der unsagbaren Liebe Gottes, die durch Demonstration ans Licht gebracht wird.
Dieser Schriftleiterartikel erschien zum ersten Mal im Christian Science Journal vom Dezember 1981.
