Als ich aufwuchs, haben wir Kinder in der Nachbarschaft beim Baseballspiel, beim Basketball und auf dem Fußballplatz viel gelernt. Einige Lehren hatten mit dem Gewinnen zu tun. Manchmal waren es traurige Erfahrungen, wenn wir nämlich aus den Augen verloren, was das Wichtigste beim Spielen war, wichtiger als zu gewinnen.
Etwas ganz Wesentliches lernte ich von einem Jungen, der Jack hieß. Jack wohnte am anderen Ende unserer Straße. Er war ein paar Jahre älter und für uns alle wie ein großer Bruder. Jack war von Geburt an schwerbehindert. Das Bemerkenswerte war, daß seine Behinderung ihn stärker, fürsorglicher und uns anderen gegenüber verständnisvoller zu machen schien. Für ihm war es viel schwerer, bei unseren Spielen mitzumachen; er klagte nie über seine Behinderung, jedenfalls nicht vor uns Kindern aus der Nachbarschaft. Manchmal spielte er so gut, daß wir seine Behinderung vorübergehend vergaßen und mit ihm genauso schimpften wie mit jedem anderen, wenn er einen Ball verpaßte.
Später begann ich mich für die Christliche Wissenschaft zu interessieren, und ich weiß noch, wie ich in Wissenschaft und Gesundheit von Mary Baker Eddy folgende Erklärung las: „Was ist der Mensch? Etwa Gehirn, Herz, Blut, Knochen usw., ein materieller Bau? Ist der wirkliche Mensch in dem materiellen Körper, so nimmst du einen Teil vom Menschen weg, wenn du ein Glied amputierst; der Chirurg zerstört das Menschentum, und die Würmer vernichten es. Aber der Verlust eines Gliedes oder die Verletzung eines Zellengewebes ist manchmal gerade der Erwecker der Männlichkeit, und der unglückliche Krüppel zeigt vielleicht mehr Adel der Gesinnung als der stattliche Athlet, indem er uns gerade durch seine körperlichen Mängel lehrt:, Der Mensch ist ein Mensch trotz alledem.‘ “ Bei diesen Worten mußte ich damals an Jack denken, und auch heute noch kommt er mir in den Sinn, wenn ich diese Stelle lese. Von ihm habe ich viel über das Menschentum gelernt.
Noch andere Fragen können sich aus dieser Erklärung in Wissenschaft und Gesundheit ergeben: Bleibt uns denn nichts anderes übrig, als uns mit Verletzungen, Behinderungen und körperlichen Begrenzungen abzufinden? Kann geistiger Fortschritt wirklich daran gemessen werden, ob jemand körperlich gesund zu sein scheint? Wenn jemand krank wird und andere nicht, bedeutet das, daß Gott dem Kranken aus irgendeinem Grund weniger wohlwollend gesinnt ist oder der Betreffende weniger geistig eingestellt und nicht vollkommen ist? Das sind schwerwiegende Fragen. Vielleicht könnte man sie sogar heilige Fragen nennen. Zumindest sollten wir sie als solche behandeln und sie nicht vorschnell beantworten.
Die Fragen an sich sind nicht heilig, aber das Entscheidende ist, wohin sie uns führen können, und darin unterscheiden sie sich von anderen. Sie zwingen uns, zu der Frage zurückzukehren: „Was ist der Mensch?“
Wie wir darauf antworten, ist nicht ohne Bedeutung für viele andere Dinge, die heute tiefgründige Fragen aufwerfen und von den Menschen Entscheidungen verlangen — Entscheidungen über Genmanipulation, pränatale Diagnostik, durch die der Zustand ungeborener Kinder festgestellt werden soll, und so vieles mehr. Diese Fragen zwingen uns, darüber klarzuwerden, wie sehr wir einander wirklich lieben — wie wir den Menschen achten und ob wir tatsächlich verstehen, was es bedeutet, daß der Mensch das „Bild und Gleichnis Gottes“ ist.
Dieser Artikel wird diese Probleme nicht mit ein paar hundert Worten lösen. Selbst wenn wir persönlich glauben, daß wir die mit diesen Problemen zusammenhängenden moralischen und geistigen Fragen geklärt haben, sind wir immer noch Teil einer Welt, die diese ungeheuren Probleme noch nicht völlig gelöst hat. Und die Entscheidungen, die andere treffen, wirken sich auf unser Gemeinwesen, unsere Schulen, unsere Kirchen und unsere nähere Umgebung aus. Deshalb ist es gerade so wichtig, daß wir nicht vergessen oder versäumen, darüber nachzudenken, was in der Gemeinde geschieht, in der wir leben.
Wie wir aus dem Leben Christi Jesu ersehen können, nahm er starken Anteil an dem Geschehen in seiner Umgebung. Natürlich hieß das nicht, daß er sich einfach anpaßte oder sich den Schwierigkeiten entzog, mit denen andere im Leben zu tun hatten. Das Verständnis, daß sein himmlischer Vater ihn liebte, stand hinter seinem Engagement für das Wohlergehen anderer.
Dieses — sollen wir sagen — soziale Engagement ist etwas, was sich in den Lehren der Christlichen Wissenschaft widerspiegelt. Und wenn christlich-wissenschaftliches Heilen für die ganze Welt überhaupt eine Bedeutung hat, dann die, daß praktizierende Christliche Wissenschafter einen inneren Antrieb verspüren zu entdecken, was die wahre, geistige Natur und der wahre Wert des Menschen sind.
Wir haben viel zu lernen. Schon durch die Erinnerung an einen einzigen Freund — einen Freund wie Jack zum Beispiel — erkennen wir, wieviel wir alle voneinander lernen können. Solange wir eine Person hauptsächlich so sehen, wie die materiellen Sinne sie wahrnehmen, begrenzen wir uns, und unsere Liebe ist begrenzt, behindert aufgrund dieser Anschauung.
Von Jack und durch meinen ersten Kontakt mit der Christlichen Wissenschaft lernte ich, daß das Selbst — unser wahres Wesen und unser wahrer Wert — tatsächlich nicht an materiellen Zuständen oder gar an der Materie selbst ermessen werden kann. Der Mensch ist Gottes Kind. Das zeigt uns Christus, Wahrheit. Wenn wir durch den unbegrenzten geistigen Sinn, den Gott uns gibt, klarer erkennen, was das bedeutet, werden in uns die Schleusen des Mitgefühls, der Weisheit, des Mutes und der geistigen Wahrnehmung aufgetan. Der Begriff „normal“ wird wahrscheinlich eine ganz neue Bedeutung für uns erlangen, weil wir geistig informiert sind. Natürlich werden wir nur dann, wenn solche geistigen Eigenschaften und Erkenntnisse in unserem Leben den ersten Platz einnehmen, je die Probleme lösen können, die das heutige Leben und die moderne Technologie mit sich bringen.
Für beherzte geistige Denker und Pioniere hat es noch nie eine Zeit gegeben, in der Geistigkeit und bedingungslose Liebe zur Menschheit mehr gefragt wären als heute. Die Christliche Wissenschaft offenbart, daß aus solcher Menschlichkeit und Geistigkeit wieder Heilung und Erneuerung hervorgehen können, ähnlich wie zu Zeiten des Neuen Testaments.