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Wir sind kein Opfer der Sinnlichkeit

Aus der Oktober 1990-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Der folgende Bericht mag wegen seiner Freimütigkeit manchem Leser ungewöhnlich erscheinen. Nach den vielen Interviews und Gesprächen zu urteilen, die wir mit Studentinnen und Studenten geführt haben, gibt er ein genaues und nützliches Bild wieder. Er zeigt, wie eine Studentin durch konsequentes Gebet und christlich-wissenschaftliche Behandlung schließlich in der Lage war, eine ernste Anfechtung ihrer geistigen Unschuld und Reinheit zu überwinden. Durch ihre Erfahrung lernte sie, wie man das Eindringen der Sinnlichkeit handhaben kann. Natürlich war diese Erfahrung individuell und soll nicht das beste Rezept für andere hergeben. Der Bericht gibt einfach eine Geschichte wieder, die wahre Geschichte einer Studentin, die herausfand, daß Gott, die göttliche Liebe, in Zeiten der Not eine zuverlässige Hilfe ist und heilt.

Ich war mehrere tausend Kilometer mit dem Auto allein quer durch die USA gefahren, um an einer Hochschule zu studieren, die ich vorher nie gesehen hatte. Während der ersten paar Semesterwochen hatte ich nur eine gute Freundin gefunden. Und so freute ich mich, als jemand im Studentenheim an meine Tür klopfte und freundlich fragte: „Hallo, ist jemand zu Haus?“

Doch als die Besucherin ging und ich sanft hinter ihr die Tür schloß, verspürte ich große Lust, gleich alles ins Auto zu packen und wieder nach Hause zu fahren. „Alle in deinem Fachbereich sind lesbisch,“ hatte sie gesagt. „Wußtest du das nicht?“ Meine einzige Freundin gehörte auch zu diesen „allen“. Die Unterstützung, die sie mir gewährt hatte, und die herzliche Beziehung zu ihr schienen sich plötzlich auf fragwürdige Motive und auf raffinierte Manipulation zu gründen. Dazu hatte ich nun schreckliche Angst davor, mich mit der Fakultät zu identifizieren in dem einen Fach, das es mir ermöglichte, mein inneres Wesen freudig zum Ausdruck zu bringen.

Während des übringen Semesters nahmen mich Gedanken über die Beziehung zwischen Frauen immer mehr in Beschlag. Die lesbischen Frauen schienen mir stark zu sein, selbstbewußt, der Prototyp der modernen, unabhängigen Frau. Ich war von meiner Freundin sehr angetan. Ich meinte, daß ich vielleicht in sie verliebt sei. Ich war so naiv, daß ich mich, in einer Art Katz-und-Maus-Spiel, in eine romantische Verfolgungsjagd mit ihr einließ.

Kurz vor den Weihnachtsferien fragte mich meine Freundin, ob ich mit ihr schlafen würde. Ich lehnte ab und zog mich taktvoll aus der Situation. Da sich mein Verdacht hinsichtlich der Schattierungen unserer Beziehung bestätigt hatte, sah ich mich unausweichlich vor die Frage gestellt, wie ich mit den vielen widerstreitenden Gefühlen, die in mir brodelten, umgehen sollte.

Als ich über die Feiertage zuhause war, packte mich eine Krankheit so sehr, daß ich etwa drei Wochen lang keine Nahrung bei mir behalten konnte. Ich bat eine Ausüberin der Christlichen Wissenschaft, mit mir zu beten. Es war mir zu peinlich, ihr zu erzählen, daß ich mich davor fürchtete, zur Uni zurückzukehren und und mich diesem zwischenmenschlichen Problem zu stellen, obwohl ich vermutete, daß meine aufgewühlten Gedanken über diese Beziehung mit der Krankheit in Verbindung standen. Ich rang mit verwirrenden Gefühlen.

Aber dennoch spürte ich die Macht der kraftvollen Gegenargumente der Ausüberin, daß die Krankheitssymptome kein wahrer Hinweis auf meine wirkliche geistige Identität waren. Ihr geistig gebieterischer Standpunkt, daß ich als Gottes Kind und Gottes Ebenbild gesund war und nichts zu fürchten brauchte, stärkte mich. Durch ihre Überzeugung, daß Gott für mich sorgte, konnte ich alles gelassener sehen und mich in Seiner Liebe sonnen. Dann fiel mir ein, daß ja meine Freundin ebenfalls Gottes Kind war.

Ich dachte an die hohen Leistungen, die sie in ihrem Fach erreichen wollte, an ihren regen Intellekt und ihr exaktes Denken, an die ruhige Würde, die sie ausstrahlte. Ich erkannte, daß sie diese göttlichen Eigenschaften nur ausdrücken konnte, weil Gott sie als Seine geistige Idee liebte. Wenn aber Gott sie liebte, dann war es auch in Ordnung, daß ich ihr wahres Selbst liebte — ohne Furcht, daß es irgendwelche Mißverständnisse geben könnte oder irrige Gefühle aufkommen könnten.

In dem Bewußtsein, daß Gott uns beide liebte und daß Er die Beziehung zwischen allen Seinen Ideen regiert, konnte ich zur Uni zurückkehren — gesund zurückkehren.

Wenig später kam mir der Satz in den Sinn: „ ... von einem Gefühl der Abscheulichkeit der Sünde ... überwältigt.“ Er steht in Wissenschaft und Gesundheit, wo Mrs. Eddy erklärt, was die wahre Quelle der Ruhe ist. Sie führt dort aus: „Der Heiler muß auch achtgeben, daß er nicht von einem Gefühl der Abscheulichkeit der Sünde und durch das Entschleiern der Sünde in seinen eigenen Gedanken überwältigt werde. Die Kranken werden durch ihre kranken Annahmen in Schrecken versetzt, und die Sünder sollten durch ihre sündigen Annahmen in Furcht geraten; der Christliche Wissenschafter aber wird ruhig sein in Gegenwart von beidem, von Sünde und Krankheit, da er weiß, daß Leben Gott ist und daß Gott Alles ist.“

Ein Wörterbuch definiert „abscheulich“ als „Haß oder Widerwillen erregend oder verdienend“. Als ich über die Bedeutung des obigen Zitats nachdachte, bemerkte ich, daß es auf die Abscheulichkeit der Sünde hinwies, nicht auf die Abscheulichkeit jener Person, die der Sünde zum Opfer gefallen ist. Diese Unterscheidung machte mir bewußt, daß die es Natur meiner Freundin aufrecht und unschuldig war und nicht von körperlichen Zwängen verzerrt wurde. Ich war sicher, daß es richtig war, meine Freundin als das unschuldige Kind Gottes zu sehen. Nicht sie „erregte“ oder „verdiente“ „Haß oder Widerwillen“, wohl aber die Verderbtheit der Sinnlichkeit.

Die eben zitierte Stelle besagt: „Der Heiler ... muß achtgeben, daß er nicht ... durch das Entschleiern der Sünde in seinen eigenen Gedanken überwältigt werde.“ Ich hatte gewissenhaft gebetet, doch offensichtlich war mehr Gebet vonnöten. Meine Freundin und ich wohnten während jenes Semesters im gleichen Haus, und aufgrund dieser äußeren Gegebenheiten kam es doch manches Mal vor, daß ich nicht „achtgab“. Es war ein Kampf, die sinnlichen Gedanken nicht als meine eigenen Gedanken zu akzeptieren. Da Mrs. Eddy im Handbuch Der Mutterkirche alle Mitglieder Der Kirche Christi, Wissenschafter, ermahnt, „täglich [zu] wachen und [zu] beten, um von allem Übel erlöst zu werden, vom irrigen Prophezeien, Richten, Verurteilen, Ratgeben, Beeinflussen oder Beeinflußtwerden“, arbeitete ich hart daran, meine Gedanken nahe bei Gott zu halten und sie vor dem Einfluß der Sinnlichkeit zu schützen. Das war nicht leicht, und ich war versucht, mich auf Sex einzulassen. Manchmal dachte ich: „Ich mag meine Freundin sehr, und ich möchte ihr meine Liebe auch körperlich ausdrücken. Warum eigentlich nicht?“

Wenn wir über das Thema Liebe sprachen, sagte sie, daß es in allen Beziehungen Grauzonen gebe — bei Freundschaften, bei heterosexueller Liebe, in der Ehe. Das Leben sei nicht einfach schwarzweiß. Diese Ansicht, daß menschliche Beziehungen keine klar umrissene, geordnete, rationale Struktur hätten, verwirrte und bestürzte mich. Dieser ganze Erfahrungsbereich war mir völlig fremd.

Doch ich fand eine Stelle in der Einheit des Guten, wo Mrs. Eddy sagt, daß es nicht zwei Wirklichkeiten gibt, und das half mir, für eine ehrliche und moralische Beziehung einzutreten. Die Stelle lautet: „Du kannst nicht gleichzeitig dem Mammon der Materialität und dem Gott der Geistigkeit dienen. Es gibt keine zwei Wirklichkeiten des Seins, keine zwei entgegengesetzten Daseinszustände. Der eine sollte uns wirklich erscheinen und der andere unwirklich, sonst verlieren wir die Wissenschaft des Seins. Wenn wir uns nicht auf die grundlegende Wahrheit stützen, lassen wir, das Schlimmere als die höhere Vernunft erscheinen‘, und das Unwirkliche gibt sich in unserem Denken als das Wirkliche aus.“

Als Christus Jesus an Jakobs Brunnen die Samariterin traf, sagte er zu ihr: „Wer von diesem Wasser trinkt, den wird wieder dürsten; wer aber von dem Wasser trinken wird, das ich ihm gebe, den wird in Ewigkeit nicht dürsten“. Die Samariterin bat um dieses „lebendige Wasser“, das Jesus hatte, und er antwortete: „Geh hin, ruf deinen Mann und komm wieder her!“ Die Frau gab dann zu, daß sie keinen Mann hatte. Jesus wurde sich ihrer Lebensgeschichte bewußt: „Fünf Männer hast du gehabt, und der, den du jetzt hast, ist nicht dein Mann.“ Gewiß doch konnte diese Frau eine sehr viel befriedigendere Beziehung in Gott finden.

Je mehr ich darauf achtete, daß meine eigenen Handlungen, Wünsche und Motive so geistig wie möglich waren und ich im Gebet nahe bei Gott blieb, um so leichter fiel es mir, zwischen Gedanken zu unterscheiden, die sich als die meinen „ausgaben“, und Gedanken, die sich auf die wahre Idee meiner Beziehung zu Gott und Seiner Schöpfung gründeten. Davon war ich überzeugt: Wenn mein Denken ganz und gar gereinigt worden war, dann konnte ich Freundschaften auf einer im tieferen Sinne befriedigenden Grundlage aufbauen — konnte ich eine Freundschaft demonstrieren, die geistige Stärkung brachte anstatt die Befriedigung ichbezogener Wünsche.

Die Furcht und Scham, die mich daran gehindert hatten, meine Verstrickung zuzugeben, verschwanden. Jetzt konnte ich eine Ausüberin der Christlichen Wissenschaft um Behandlung bitten, und wir führten viele offene Gespräche. Das half mir, beständiger zu spüren, daß Gott gegenwärtig war. Ich begann, den selbstlosen, stärkenden und geordneten Einfluß zu prüfen, den Freundschaft, Ehe und Familie auf die Gesellschaft ausüben, und verstand ihn allmählich besser. Ich hatte Freundschaft, Ehe und Familie immer für selbstverständlich gehalten. Nun wollte ich aus dieser „Grauzone“ des Denkens herauskommen. Ich gewann die innere Kraft, gegenüber allen meinen Freunden, den Mitgliedern meiner Familie und den Männern, mit denen ich ausging, für moralisch saubere Beziehungen einzutreten, bei denen Gott im Mittelpunkt stand.

Kurze Zeit nachdem ich die Ausüberin um Hilfe gebeten hatte, drang alles, was in meiner Beziehung zu meiner Freundin bis dahin unterschwellig gegärt hatte, plötzlich an die Oberfläche. Nach einem emotional geladenen Zusammenstoß stürmte ich aus dem Haus.

Als nun das, was ich mein Zuhause genannt hatte, und die Freundschaft mit meiner besten Freundin verloren schienen, betete ich inbrünstig zu Gott. Ich prüfte mich ehrlich, um zu erkennen, was ich lernen mußte, um in meinem Leben ein besseres Gespür für Liebe zu entwickeln — für Gottes Liebe. Ich legte alles in Gottes Hände, fand eine neue Bleibe und öffnete mein Denken für neue Interessen und Freunde. Ich richtete meine Gedanken bewußt auf den letzten Teil jenes Abschnitts über die „Abscheulichkeit der Sünde“ aus: „ ... der Christliche Wissenschafter aber wird ruhig sein in Gegenwart von beidem, von Sünde und Krankheit, da er weiß, daß Leben Gott ist und daß Gott Alles ist.“

Immer wenn ich meine Freundin sah, bekräftigte ich voller Überzeugung: „Gott ist hier, jetzt, und wir beide sind von Seiner Liebe umschlossen.“ Die Folge war, daß die Zeit, die wir zusammen verbrachten, frei von jeder Befangenheit war. Wir arbeiteten an der Uni gemeinsam an konstruktiven Aufgaben, führten sinnvolle Gespräche miteinander und halfen einander, wenn immer wir konnten.

Das Festhalten an der Wahrheit über die Beziehung zwischen Gott und Seinen Kindern und das Leugnen der Macht jener Suggestionen, daß Gottes Kind ein Opfer der Sinnlichkeit werden könne, hatte eine Wirkung, vergleichbar dem Unkrautziehen in einem Blumenbeet, wobei das Unerwünschte ausgejätet wird und die schönen Blumen stehenbleiben, damit sie wachsen und erblühen. Die sinnlichen Gedanken hörten schließlich auf. Die gottgegebene Güte und Stärke, die meine Freundin, wie auch unsere enge Freundschaft, ausgezeichnet hatten, sind geblieben. Als sie vor einigen Jahren heiratete, wurde mein Leben durch die Freundschaft mit ihrem sehr liebenswürdigen Mann bereichert.

In der Bibel finden wir folgende Verheißung über das friedevolle Reich des Christus: „Da werden die Wölfe bei den Lämmern wohnen und die Panther bei den Böcken lagern. Ein kleiner Knabe wird Kälber und junge Löwen und Mastvieh miteinander treiben.“ Die räuberische Natur der Sinnlichkeit kann dadurch vernichtet werden, daß wir die Reinheit und Unschuld des Menschen anerkennen und die reine Zuneigung, die Gott für jedes Seiner Kinder empfindet. Wenn wir unsere Beziehungen auf dieses Wissen gründen, erleben wir das friedevolle Reich des Christus.

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