Das Zermalmen einer „Freiheitsstatue“ aus Pappmaché und die brutale Unterdrückung der Anfänge der Freiheit in China im vergangenen Jahr mußten uns einfach zu einer noch größeren Wertschätzung echter Freiheit und der eigentlichen Statue, die diese Freiheit verkörpert, führen.
Uns fällt wieder ein, was wir tatsächlich über Demokratie wissen — nämlich daß sie nicht lediglich eines von vielen miteinander wetteifernden politischen Systemen ist, sondern der Wille des Volkes. Von allen menschlichen Regierungssystemen liegt sie dem Herzen und dem Geist der Menschheit am nächsten. Wo immer wir sie in ihrer reinen Form antreffen, befreit und belebt sie. Die Demokratie entspricht direkt dem wahren Geist des Menschen.
Es ist nicht nur richtig, die Demokratie durch Gebet zu unterstützen, sondern auch äußerst wichtig. Nein, wir würden damit nicht Religion und Politik vermischen oder die Trennlinie zwischen Kirche und Staat überschreiten. Vielmehr werfen wir unser ganzes Gewicht in die Waagschale für die Rechte und Freiheiten der Menschen. Und das zu tun liegt den Lesern des Herolds sicherlich besonders am Herzen.
Die Gründerin der Christlichen Wissenschaft
Christian Science (kr′istjən s′aiəns), Mary Baker Eddy, setzte sich leidenschaftlich für die Rechte des einzelnen ein. Über solche Rechte schreibt sie in ihrem Buch Die Erste Kirche Christi, Wissenschafter, und Verschiedenes: „Wahrheit, zu Boden geschmettert, springt spontan wieder auf und flüstert dem Wind zu, was des Menschen unantastbares Geburtsrecht ist: Freiheit., Wo aber der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit.‘ “
Vielleicht sind die Bestrebungen, die Freiheit auf der ganzen Welt auszulöschen, in der Geschichte der Menschheit noch nie so raffiniert und hypnotisch gewesen wie heute. Obgleich es natürlich gewesen wie Terrorausbrüchen kommt, wie auf dem Platz des Himmlischen friedens, in Kabul, in Sharpeville oder in My Lai — und an zu vielen anderen Orten, um sie hier aufzuzählen —, so nimmt doch die Unterdrückung in diesem Jahrhundert immer mehr psychologische Formen an.
Lügen werden verbreitet. Die Lügen werden hypnotisch wiederholt. So begannen zum Beispiel die Übergriffe auf dem Platz des Himmlischen Friedens mit einer Lüge — nämlich der Lüge, daß die prodemokratischen Studenten einen bewaffneten Aufstand inszeniert hätten. Und die Übergriffe endeten mit einer Lüge — nämlich der, daß die Streitkräfte Opfer, nicht Angreifer gewesen seien.
Wie kann aktives Gebet das unterstützen, was man als weltweiten Widerstand gegen die Unterdrückung der Freiheit bezeichnen könnte? Gebet hilft wie nichts anderes, die Lügen aufzudecken, die dem menschlichen Gemüt vorgesetzt werden, seien sie auch noch so subtil und hypnotisch. Gebet und die sich daraus ergebende geistige Intuition lassen sich bekanntlich von Unwahrheiten nicht zum Narren halten, noch lassen sie sich durch Gruppenzwang oder eine höhere Macht einschüchtern.
Den Begründer des Christentums konnten Spitzfindigkeiten und glatte Worte nicht täuschen. Und wenn Jesus auf solche Dinge antwortete, nahm er oftmals kein Blatt vor den Mund. „Ihr Schlangenseid?“ sagte er einmal, „wie könnt ihr Gutes reden, die ihr böse seid?“ Ebenso ist die Geistigkeit, die wir erlangen, wenn wir Christus Jesus gehorchen und nachfolgen, nicht naiv. Sie läßt sich nicht von den hypnotisierenden und falschen Erscheinungen der heutigen Zeit irreführen.
In dem Bemühen, das Gute zu unterdrücken, lügt das Böse. Das sollte uns jedoch nicht verwundern. Man bedenke, daß Christus Jesus den Teufel, das Böse, als „einen Lügner und den Vater der Lüge“ bezeichnete. Mit anderen Worten, wenn das Böse selber „ein Lügner und der Vater der Lüge“ ist — und somit selbst eine Lüge —, dann sind Halbwahrheiten und regelrechte Lügen sicherlich seine Handelsware.
Dieses Thema ist in den biblischen Berichten leicht zu erkennen. Potifars Frau log über Josef, so daß er ins Gefängnis geworfen wurde. Im Gefängnis jedoch wurde er erhöht und fand Erfüllung und die Gelegenheit, dem Guten zu dienen. Haman log über Mordechai und dessen Volk, weil er Mordechai vernichten wollte. Haman jedoch wurde an den Galgen gehängt, den er für Mordechai aufgerichtet hatte. Die Hohenpriester logen über Jesu Absicht und Wirken; sie sagten, er wolle König der Juden werden und hetze das Volk auf. Diese Lüge wurde aufgedeckt; und ferner wurde für alle Zeiten die Lüge bloßgestellt, daß das Böse Macht über das Gute ausüben könne. Das Wesentliche bei jedem dieser Berichte ist nicht der Kummer und die Falschheit der Lüge, sondern die Tatscahe, daß die Lüge besiegt und das Gute als das erkannt wurde, was es ist.
Wie oft stellen wir im Alltag vielleicht selbst entsetzt fest, wie tükkisch doch das Böse ist. Wenn wir aber durch Gebet die Freiheit aller Menschen wie auch unsere eigene Freiheit vorantreiben wollen, dürfen wir nicht vergessen, was die eigentliche geistige Grundlage unseres Gebets ist.
Die Christliche Wissenschaft vertieft unser Verständnis, daß Gott, das unendliche Gute, schon jetzt allerhaben ist. Gott wird nicht erst irgendwann in der Zukunft mächtig. Er herrscht schon jetzt über alles. Das ist die Botschaft des Christus, der Wahrheit. Das Böse ist letztendlich eine Lüge über die Gegenwart und Allerhabenheit des Guten.
Wir haben noch einen weiten Weg vor uns, ehe wir diese geistige Offenbarung auch nur in geringem Grade demonstrieren können, doch sie bleibt die Grundlage des Gebets, wie es in der Christlichen Wissenschaft verstanden wird. Der Zweck christlich-wissenschaftlichen Gebets ist, das Denken so zu erheben, daß es die bestehenden geistigen Tatsachen erkennt. Das mag von uns verlangen, daß wir alle möglichen Formen der Furcht ablegen. Vielleicht fordert es den moralischen Mut, von der Mehrheitsmeinung, nämlich der Ansicht, das Böse könne betrügen und übermächtig sein, abzuweichen. Doch vor allen Dingen brauchen wir jene Demut, die die eifrigen Argumente des menschlichen Gemüts zum Schweigen bringt und bereit ist, tiefes, praktisches Vertrauen in Gottes unendliche Güte, Gerechtigkeit, Macht und Gegenwart zu haben.
Dadurch wird nicht irgendeine passive Hoffnung auf Gerechtigkeit in einem Leben nach dem Tode geweckt. Im Gegenteil. Es stärkt unsere Überzeugung, daß Gerechtigkeit notwendig ist und wir schon jetzt Freiheit erwarten müssen — mit dem leben müssen, was wahr ist. Ferner führt es uns zu der praktischen Weisheit, mit der wir dies erreichen können. Gebet hilft uns keineswegs nur, das Wesen der Lüge wahrzunehmen. Die Macht des Gebets zeigt sich auch darin, daß die Lüge zerstört und die Wahrheit aufgerichtet wird.
„Wo aber der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit“, heißt es in der Bibel. Den größten Beitrag zur menschlichen Freiheit leisten wir durch das Verständnis, daß „der Geist des Herrn“ unmöglich unterdrückt werden kann. Er ist immer gegenwärtig. Er ist in der Tat der Geist des Menschen, der zu Gottes Bild und Gleichnis erschaffen ist. Dächten wir anders, dann würden wir nur einer Lüge glauben.
