„Und siehe, der Stern, den sie im Morgenland gesehen hatten, ging vor ihnen her, bis er über dem Ort stand, wo das Kindlein war. Als sie den Stern sahen, wurden sie hoch erfreut“ (Matthäus).
Was war das für ein Stern, den die Weisen am dunklen Himmel Judäas sahen? Das fragten sich die Menschen durch die Jahrhunderte. In Zeiten tiefen Glaubens betrachteten sie den Stern als etwas Übernatürliches, als ein Zeichen von Gott. In unserem wissenschaftlichen Zeitalter, in dem, so scheint es, alles eine physikalische Erklärung haben muß, um glaubwürdig zu sein, theoretisieren Wissenschaftler, es könnte sich um eine ungewöhnliche Planetenkonstellation, um einen Kometen oder um eine Nova gehandelt haben.
Nach einer physikalischen Erklärung zu suchen führt jedoch am Ziel vorbei. Kometen, Novas und Planetenkonjunktionen kommen und gehen. Die menschliche Geschichte verzeichnet sie zu Tausenden. Welches astronomische Ereignis in jener Nacht auch stattgefunden haben mag, es wäre wohl nur als winzige Fußnote in die Geschichte eingegangen, wäre nicht ein Ereignis von unendlich viel größerer Bedeutung eingetreten.
In jener Nacht leuchtete etwas anderes — etwas so Wunderbares, das alles menschliche Fassungsvermögen so weit überstieg, daß es den Lauf der Geschichte verändern sollte. In einem einfachen Stall war ein Kind des Lichts geboren worden, ein Kind, das keinem Kind in der menschlichen Geschichte glich, ein kind, das zu einem Mann heranwuchs, dessen Worte und Heiltätigkeit ihn als Gottes Sohn auswiesen, als das Licht der Welt.
Dies war ein so wunderbares Ereignis, daß selbst die Natur es zu verkünden schien: geistiges Licht, das Licht hervorrief. Und doch, wer weiß, wie viele Menschen zum Himmel aufschauten, über die Schönheit dessen, was sie sahen, staunten und weiterlebten, als sei nichts geschehen? Für sie war es ein Wunder am Himmel und nicht mehr. Aber für jene, die Augen hatten zu sehen und Ohren zu hören — ein paar Weise, ein paar einfache Hirten, die ihre Herden auf dem Feld hüteten —, war jene Nacht voll göttlicher Bedeutung und geistiger Verheißung.
Die Bibel berichtet, was sie sahen und in ihrem Herzen empfanden. Und die Worte, die der Engelsbote zu jenen geistig empfänglichen Hirten sprach, hallen durch die Zeiten: „Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird; denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids“ (Lukas).
Das wahre Licht des Stern von Bethlehem war kein Licht im naturwissenschaftlichen Sinn; es war geistig — eine im menschlichen Denken aufdämmernde göttliche Botschaft. Die Phänomene, die das menschliche Auge als Licht und engelhaften Glanz wahrnahm, waren lediglich das sichtbare Zeichen oder die Objektivierung eines grundlegenden geistigen Durchbruchs im menschlichen Bewußtsein. Das „wahre Licht“ war in die Welt gekommen und bewirkte ein bis heute andauerndes geistiges Erwachen.
Was besagte diese frohe Botschaft? In einfachen Worten: Gott ist unser Vater, und der zu Seinem Bilde erschaffene Mensch ist der Sohn Gottes. Diese göttliche Idee ist ewig und war schon immer die Wahrheit über das Sein des Menschen. Obgleich materielle Bedingungen diese göttliche Tatsache zu verbergen scheinen, kann das Licht, das sich in uns widerspiegelt, niemals ausgelöscht werden. Güte, Liebe und geistiges Streben, die — wenn auch noch so schwach — in jedem menschlichen Herzen erstrahlen, zeugen für die Göttlichkeit des Menschen. Jeder von uns ist gesegnet durch „das wahre Licht“, wie es Johannes nennt, „das alle Menschen erleuchtet, die in diese Welt kommen“.
Dieses göttliche Licht scheint sogar noch heller in dem Leben der Geistiggesinnten und Heiligen in der gesamten menschlichen Geschichte. Am hellsten strahlt es jedoch in Jesus. Warum? Was ist das Besondere an der Ankunft Jesu, was der Anlaß zu so großer Freude? Es ist die Tatsache, daß er — mehr als alle anderen — diese göttliche Idee, den Christus, buchstäblich verkörperte und uns die geistigen Möglichkeiten des Menschen als Gottes Ebenbild vorlebte. Die Menschheit hatte sein Beispiel bitter nötig, denn er zeigte uns, was wir sein können, ja, was wir in Wahrheit sind: die geliebten Kinder Gottes.
In der Weihnachtszeit können wir uns auch heute der Weihnachtsbotschaft erfreuen: Das wahre Licht scheint noch immer in der Finsternis, und die Finsternis konnte es niemals überwältigen. Mrs. Eddy schreibt in einem Weihnachtsartikel, der in ihrem Buch Vermischte Schriften abgedruckt ist: „Der Stern, der liebevoll auf die Krippe unseres Herrn herabschaute, leiht dieser Stunde sein strahlendes Licht: das Licht der Wahrheit, das den Menschen ermutigt, führt und segnet, wenn er danach strebt, die kindhafte Idee göttlicher Vollkommenheit zu erreichen, die über der menschlichen Unvollkommenheit aufdämmert; es beschwichtigt die Furcht des Menschen, erleichtert ihm seine Lasten, veranlaßt ihn, sich zu Wahrheit und Liebe zu erheben, zu der durch sie verliehenen holden Freiheit von Sünde, Krankheit und Tod.“
In unserer Zeit leuchtet der Stern von Bethlehem hell auf ein neues Wunder herab: auf die Ankunft echten, geistigen Heilens, wie es die Christliche Wissenschaft lehrt. Obgleich diese christliche Heilmethode noch in den Kinderschuhen steckt, hat sie schon Tausende in die Lage versetzt, Jesu Beispiel zu folgen und von Krankheit und Sünde jeglicher Art frei zu werden. Sie erfüllt Jesu Verheißung: „Wer an mich glaubt, der wird die Werke auch tun, die ich tue.“
Wie vor alters rätseln manche, was dieses Phänomen wohl zu bedeuten habe, und setzen dann ihr gewohntes Leben fort. Andere spotten und suchen nach physikalischen oder psychosomatischen Erklärungen für dieses erneute Aufleben christlichen Heilens. Und andere, wie Herodes, möchten das „Kindlein“ töten, weil sie in ihm eine Gefahr für ihr Königreich und ihre Macht sehen. Aber einige — vom Licht der Wahrheit angezogen — suchen nach einer Bedeutung dieser Zeichen und Wunder unserer Tage. In der Christlichen Wissenschaft entdecken sie den Christus von neuem und werden geheilt.
Der Stern von Bethlehem leuchtet. Eine geistige Dämmerung bricht an. Wer wird die Zeichen wahrnehmen und das neugeborene Kind der Verheißung aufsuchen, das christliche Heilen?
