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Schulunterricht mit der Achtung vor der Gottesebenbildlichkeit der Kinder

Aus der Februar 1990-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Die Debatte über ein qualitativ hochwertiges Bildungswesen geht weiter. Was soll so bleiben, wie es ist, und was soll geändert werden — in der Bildungsfinanzierung, in den Lehrplänen, im Klassenzimmer —, damit die Kinder wirklich lernen und ihre Fähigkeiten entwickeln. Ein Element insbesondere würden wir wohl alle gern in der Schule verwirklicht sehen, auch wenn wir uns nicht darüber einigen können, wie es umgesetzt werden soll. Dieses Element ist Liebe. Aufgrund all der Herausforderungen, denen heutzutage die Familie und die Schule gegenüberstehen, mag es manchmal so aussehen, als käme sogar die Liebe zu kurz.

In dem folgenden Interview untersucht eine Lehrerin unter dem Gesichtspunkt dessen, was sie durch die Christliche Wissenschaft gelernt hat, die Anforderungen, die an ihre Tätigkeit gestellt werden, und die Forderung nach Liebe. Während der letzten elf Jahre war an unterschiedlichen Schultypen tätig, davon zwei Jahre an einer Schule für Lernbehinderte, unter denen sich zum Beispiel Kinder mit Lese- und Rechtschreibschwäche befanden. Vier Jahre lang hat sie auch mit Kindern gearbeitet, die als hochbegabt bezeichnet wurden. Sie ist gegenwärtig eine Fachkraft für die Erziehung Hochbegabter im Schulsystem einer Großstadt in den Vereinigten Staaten.

Machen Sie Ihre Lehrmethode von den Kindern abhängig, die sie unterrichten?

Mein Vorgehen ist gegenüber allen Kinder grundsätzlich gleich — gegenüber Kindern mit Leseschwächen, lerngestörten Kindern und Hochbegabten. Ich gehe grundsätzlich davon aus, daß jedes Kind ein unbegrenztes Entwicklungspotential hat, ob es sich nun um ein Kind im sechsten Schuljahr handelt, das auf dem Niveau eines Erstkläßlers liest, oder um ein Kind im zweiten Schuljahr, das schon den Lesestoff der fünften Klasse beherrscht. Als Christliche Wissenschafterin bete ich, um meine Schüler als unbegrenzten Ausdruck Gottes zu sehen.

Ich habe durch die Christliche Wissenschaft gelernt, daß es nur ein Gemüt gibt, nämlich Gott. Intelligenz ist keine personenbezogene Eigenschaft — etwas, was ein einzelner für sich besitzt. Intelligenz ist nicht Physiologisch, biologisch bedingt oder anfällig für Schädigungen, sei's vor oder nach der Geburt. Intelligenz ist eine Eigenschaft des göttlichen Gemüts, und der Mensch spiegelt sie wider.

Haben Sie das Gefühl, daß Ihre Erwartungen die Lernfähigkeit und das Verhalten des Schülers beeinflussen?

Die Erwartungen des Lehrers können einem Kind helfen, seine eigenen Erwartungen zu ändern; seine Leistungen werden sich dann entsprechend ändern. Ich habe festgestellt, daß die Eltern nur zu gerne ihre Vorhersagen ändern, wenn sie konkrete Anzeichen des Fortschritts sehen. Das trifft nicht nur auf schulische Probleme zu, sondern auch auf Verhaltensstörungen.

Ich hatte einmal einen Schüler in einer Klasse mit Legasthenikern, dem die Rückkehr zu seiner ehemaligen Schule strikt untersagt worden war, weil er eine Wand in der Schultoilette beschädigt hatte. Man hatte die Wand reparieren lassen, doch hatte er sie erneut beschädigt. In diesem Jungen hatte sich eine große Wut aufgestaut. Er war gar nicht mehr so klein; er ging schon in die fünfte Klasse, war fast so groß wie ich und sah wie ein Schlägertyp aus. Zuerst hatte mich das ein wenig eingeschüchtert.

Doch hinter dieser Fassade aus Brutalität oder Gemeinheiten steckte in dem Jungen eine angeborene Anständigkeit, Empfänglichkeit für das Gute und Freundlichkeit. Wertschätzung und Hochachtung für diese angeborenen Eigenschaften durchdrangen diese Fassade und brachten seinen wahren und guten Charakter als Kind Gottes, als Sein Bild und Gleichnis, ans Licht. Ich versuchte ganz bewußt, nichts Negatives von ihm zu erwarten, ganz gleich, was Eltern, Lehrer oder Schulleiter auch über ihn sagten. Ich begegnete ihm mit der vertrauensvollen Erwartung, daß er seinem wahren Charakter treu sein würde. Bald besserten sich seine Schulleistungen und sein Verhalten zur vollen Zufriedenheit aller, insbesondere seiner Eltern.

Wenn man etwas vor Augen hat, was hinter dem vollen Ausdruck Gottes zurückbleibt, kann man das menschliche Erscheinungsbild jederzeit durchschauen und den wahren Charakter des Menschen, den man vor sich hat, erkennen. Man braucht sich von dem äußeren Erscheinungsbild nicht abschrecken zu lassen. Meine Aufgabe sehe ich darin, daß ich mich davon nicht beeindrucken lasse, weil ich weiß, daß der Mensch das unendliche Wesen des Gemüts, das Wesen Gottes, ausdrückt.

Oftmals haben legasthenische Kinder schon so häufig versagt, daß sie von ihrer mangelnden Lernfähigkeit überzeugt sind. Die Eltern sind überzeugt, daß sie lerngestört sind. Diese Kinder haben versucht, positiv über sich zu denken, und haben sich nach besten Kräften angestrengt, doch oft hat das nichts bewirkt, weil diese Bemühungen auf der falschen Vorstellung von einem Gemüt, getrennt von Gott, beruhten. Die Fähigkeiten des menschlichen Gemüts können sich nicht mit den gottgleichen Eigenschaften messen, die dem geistigen Menschen angeboren sind.

Jedesmal, wenn man gottgleiche Eigenschaften ausdrückt, hat man das Gefühl, daß man richtig gehandelt hat. Das ist ein Hinweis darauf, daß das wahre Wesen des Menschen geistig ist. Man hat ein gutes Gefühl. Man möchte es am liebsten nochmals tun. Und so greift es immer weiter um sich. Dieses Vorgehen erfordert viel Geduld und beständige Arbeit, um die Dinge richtig zu sehen. Aber die eingeborene Vollkommenheit ist schon da.

Es gilt aber auch, einige Dinge ganz bewußt zu tun. Man muß den Kindern, ganz gleich, wie alt sie auch sind, mit Freundlichkeit und Achtung begegnen. Für manche ist das etwas ganz Besonderes. Es gibt ihnen moralischen Auftrieb, wenn jemand ihre Identität und ihre Integrität achtet und sie freundlich behandelt und mit all den wunderbaren Eigenschaften, um die man sich bemüht, wenn man das tun will, worüber wir hier sprechen.

Wie sehen Sie sich in Ihrer Rolle als Lehrerin?

Als Lehrerin habe ich im höchsten Sinne des Wortes eine Vorbildfunktion; das bedeutet, daß ich die Kinder als ebenbürtige Mitglieder der Familie Gottes behandeln muß. Ich gebe den Schülern keine christlich-wissenschaftliche Behandlung, aber ich liebe ihr wahres Wesen. Wenn man jemanden wegen seiner gottgleichen Eigenschaften schätzt, macht man ihm ein großes Kompliment. Jeder freut sich, wenn er sich in einer Atmosphäre bewegt, in der er mit Geduld, Freundlichkeit, Achtung, Humor und Freude behandelt wird. Ich sage den Kindern oft, wie froh ich bin, daß ich mit ihnen zusammen bin, und wie sehr ich mich über ihre Ideen freue, und ich danke ihnen, daß sie sie mir mitgeteilt haben.

Es ist auch wichtig, daß ich mir jeden Tag darüber klar werde, woher meine Inspiration, Geduld und Freundlichkeit kommen. Wenn ich für mich bete und mich dabei als Ausdruck der unendlichen Liebe und Intelligenz sehe, kann ich in dem Wissen das Klassenzimmer betreten, daß, ganz gleich, was auch geschieht, immer Gottes Hilfe gegenwärtig ist. Manchmal muß ich streng sein. Wenn sich Schüler nicht korrekt verhalten, sage ich: „Solches Benehmen erwarte ich nicht von euch und lasse ich auch nicht durchgehen." In dieser Klasse ist nicht alles locker und alles erlaubt. Es geht geordnet zu und gerecht. Der Unterricht gründet sich auf Liebe und findet in einer Atmosphäre statt, in der rechtes Verhalten untereinander die Regel ist.

Wie bereiten Sie sich geistig auf Ihre Arbeit vor?

Ich muß mir jeden Morgen das Wesen Gottes, meine Identität als Sein geliebtes Kind und meine Beziehung zu Gott klarmachen. Dann bin ich jeder Situation gewachsen, die eintritt. Ich habe festgestellt, daß Gebet zu einem immer ausgeglicheneren Bewußtseinszustand führt, zu einer beständigen, unantastbaren inneren Haltung.

Graut Ihnen je vor dem, was auf Sie zukommt?

Nein, eigentlich nicht. Ich habe erkannt, daß ich die Rüstung der Wahrheit anhabe. Christus Jesus betete demütig und standhaft. Er konnte mit den herausfordernden Umständen, die sich ihm entgegenstellten, erfolgreich fertig werden. Wenn wir inneren Frieden finden, bringen wir diesen Frieden mit uns; im 23. Psalm heißt es: „Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang, und ich werde bleiben im Hause des Herrn immerdar.” Ps 23:6.

Mich spricht der Gedanke sehr an, daß mir Gottes Güte und Barmherzigkeit nachfolgen und daß das alle Menschen spüren, denen ich begegne, sei es im Klassenzimmer oder sonstwo. Ich versuche das Bewußtsein von der Einheit mit Gott mitzubringen, der Quelle einer jeden Antwort, die die Herausforderungen des Tages verlangen. Ich vertraue geduldig darauf, daß Gott am Werk ist.

Man sollte verstehen, daß es nicht mein Ziel ist, einen Sterblichen in einen besseren Sterblichen zu verwandeln, sondern zu erkennen, daß der Christus in jedem einzelnen Menschen wirkt, und es dann Gott zu überlassen, uns allen zu offenbaren, was wir wissen, was wir tun und sagen müssen.

Wie hat sich Ihre Arbeit auf die schulischen Leistungen der Kinder ausgewirkt?

In der Klasse für Legastheniker haben wir zu Beginn und am Ende des Schuljahres einen Lesetest durchgeführt; im Durchschnitt hatten die Kinder in nur einem Jahr zwei Jahre aufgeholt. Der Schüler, der wegen seines aggressiven Verhaltens und seiner Zerstörungswut nicht mehr zu seiner ehemaligen Schule zurückkehren durfte, holte in einem Jahr vier Jahre auf. Er hatte zuvor mit Lesen nicht viel im Sinn gehabt, doch als er die Schule verließ, las er Mark Twain. Sein Vater kam zu mir und fragte mich: „Was ist hier bloß passiert? Ich kann ihn nicht mehr von den Büchern loseisen. Statt fernzusehen, liest er jetzt.” Zu der Zeit las er gerade Tom Sawyer.

Haben Sie das Gefühl, daß Sie durch diese Arbeit selber gewachsen sind?

O ja. Ich glaube, daß ich vor allem auf zwei Gebieten viel dazugelernt habe. Ich habe gelernt, was es heißt, furchtlos zu sein — mich nicht zu fürchten oder einschüchtern zu lassen. Zweitens habe ich erkannt, daß es immer eine Lösung gibt, die unter Garantie der Not abhilft, und daß Gott sie mir offenbaren kann und offenbaren wird. Das ist ein unschätzbarer Lohn, ganz gleich, was im einzelnen geleistet worden ist.

Ich erinnere mich zum Beispiel an folgenden Fall. Im abgelaufenen Schuljahr hatte ich einen Schüler, der von beiden Eltern körperlich mißhandelt worden war. Gegen den Vater lag ein Haftbefehl vor. Die Mutter durfte ihren Jungen nicht besuchen. Das Sozialverhalten dieses Jungen gegenüber anderen Kindern war gestört. Er war ein Problemkind. Doch aufgrund der guten Erfahrungen, die ich bis dahin gemacht hatte, und aufgrund der Einstellung, daß Gottes Kind vor mir stand, erlebte ich eine wundervolle Entwicklung mit.

Am ersten Schultag war dieser Junge sehr schweigsam. Nach einer Weile schien er sich in unserem Klassenzimmer recht wohl zu fühlen. Aber dann ging er zum Musiklehrer, und als ich kam, um die Klasse abzuholen, hockte er völlig zusammengekauert auf einem Stuhl im Flur — und er war für das zweite Schuljahr schon ein recht großer Junge. Still betete ich zu Gott um Hilfe. Als Antwort kam mir in den Sinn, ihm zu sagen: „Du bist ein guter Junge. Ich weiß, daß du ein guter Junge bist. Ich weiß es.” Das waren nicht nur leere Worte, denn ich wußte, daß er ein gutes Kind war. Ich wußte ja, daß er eigentlich Gottes vollkommenes Kind war.

Wenn ein Kind von Erwachsenen mißhandelt worden ist, fragt es sich vielleicht, ob es ein gutes Kind ist oder nicht. Kinder neigen oft dazu, sich selbst zu beschuldigen: „Warum tun mir Erwachsene das an? Ich muß et was Schlimmes getan haben, daß jemand Grund hat, mich so zu behandeln.”

Ich betete, um Gottes allumfassende Herrschaft selber besser zu verstehen. Das wahre Zuhause dieses Kindes mußte bei seinem Vater-Mutter Gott sein. Niemals konnte er davon entfernt sein. Dieser Junge befand sich in jenem Augenblick in den Armen der Liebe. Und in jenem Augenblick war er Gottes liebevolles, von Natur aus gutes Geschöpf.

Ein erfreulicher Wandel setzte ein. Der Junge wurde in vielerlei Hinsicht ein positives Vorbild. Er war liebevoll und hilfsbereit. Intellektuell war er auf allen Gebieten hervorragend. Wenn ich um seine Sicherheit daheim fürchtete, machte ich mir klar, daß er in Gottes Händen gut aufgehoben war und daß Wahrheit ihre Wirkung tut. Ich wußte, daß sich Gott um dieses Kind kümmerte und es liebte. Dieses geistige Verständnis war mir eine große Hilfe.

Ich habe gelernt, mich vor keiner Situation und keinen Zuständen zu fürchten, die die Entwicklung des Kindes beeinflußt haben könnten, sei es eine geistige Behinderung oder ein unglückseliges Elternhaus. Meine innere Ruhe und meine Zuversicht beruhen auf dem Trost und der Inspiration der Bibel und auf dem, was ich aus den Schriften der Entdeckerin und Gründerin der Christlichen Wissenschaft, Mary Baker Eddy, gelernt habe. Sie schrieb zum Beispiel: „Die heilende Kraft ist Wahrheit und Liebe, und diese versagen nicht in der höchsten Not.” Vermischte Schriften, S. 5. Ferner schrieb sie: „Wir müssen beten, ohne Unterlaß'. Solches Gebet wird in dem Maße erhört, wie wir unsere Wünsche in die Tat umsetzen.” Wissenschaft und Gesundheit, S. 15.

Ich habe gelernt, von ganzem Herzen daran zu glauben, daß es eine rechtmäßige Lösung für jedes menschliche Problem gibt. Manchmal habe ich mich nur an den Gedanken geklammert: „Vater, ich weiß, daß es eine Lösung gibt. Bitte, zeige sie mir. Wenn ich etwas sagen kann, wenn ich etwas tun kann, so sag es mir bitte!” Dann gehe ich voran und lausche auf die göttliche Weisung. Ich weiß, daß es eine Lösung gibt und daß sie erfolgreich ist. Über kurz oder lang wird die Lösung sichtbar — das rechte Wort, die rechte Tat —, und das begeistert mich ganz enorm.

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