Ein Heisser, Trockener Wind fegte vom Ägäischen Meer herüber, als unser Reiseführer uns die steinerne Durchgangsstraße in biblischen Tagen Curates-Straße genannt — Ruinen des alten Seehafens von Ephesus hinabführte. Wenn er auf dem Wege anhielt, um uns den Trajanischen Brunnen oder die römischen Bäder zu zeigen, suchten wir, wann immer wir konnten, im Schatten einer Säule oder einer Statue Zuflucht, um uns Erleichterung von der brennenden Augustsonne zu verschaffen. Ich konnte an nichts anderes mehr denken als eine Pause und etwas Kühles zum Trinken.
Plötzlich drehte sich unser Führer um, um uns wachzurütteln. „Sind Sie sich dessen bewußt“, brüllte er beinahe, „daß Sie sich auf den Spuren von Paulus und Johannes bewegen — auf genau derselben Straße, die die beiden jeden Tag gingen?
Keiner von uns hatte es in dieser Weise betrachtet. Besonders für die Christen unter uns bekam auf einmal alles, was der uns zeigte, viel größere Bedeutung. Und irgendwie machte die Hitze uns weniger aus.
Wir sahen, wo Paulus gelebt hatte, sahen den riesigen Marktplatz, wo er geheilt und beinahe drei Jahre lang den Juden und Nichtjuden gleichermaßen von Jesus Christus gepredigt hatte, und die Räume, wo er nach und nach die Herzen der Epheser erobert hatte, die ihm später halfen, in der Stadt eine Kirche zu gründen. Und wir sahen das Fundament des riesigen Tempels der Diana, wo Paulus die Figuren der Fruchtbarkeitsgöttin, die von Demetrius und den Silberschmieden verkauft wurden, öffentlich angeprangert hatte.
Schließlich betrachteten wir das große Theater am Hang mit Blick auf die blaue Ägäis, wo sich nach der Apostelgeschichte „die ganze Stadt“ (und das Theater faßte 24 000 Menschen!) im Zorn gegen Paulus erhoben hatte. Aber selbst da hatte Paulus an seiner für das Volk festgehalten. Sein Wirken in Ephesus zusammenfassend, berichtet die Bibel schlicht: „So breitete sich das Wort aus durch die Kraft des Herrn und wurde mächtig.“ Bei all dem stand Johannes dem Paulus zur Seite und sorgte zärtlich für die junge Kirche, nachdem Paulus gegangen war.
Es war etwas ganz Besonderes, an jenem Tage auf den Spuren von Paulus und Johannes zu gehen. Seitdem habe ich öfter darüber nachgedacht, und mir ist klar geworden, daß das Wandeln in den Fußtapfen dieser großen christlichen Pioniere weit mehr umfaßt, als nur durch die Gegend zu laufen, in der sie wirkten. Für den modernen Christen — besonders für den Christlichen Wissenschafter — gehört dazu, daß man wie Paulus und Johannes auch den Weg geht, den Jesus aufzeigte, als er seinen Jüngern sagte: „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater denn durch mich.“ Das bedeutet: furchtlos lehren und predigen und heilen, wie Jesus es seinen Jüngern anbefahl und wie Paulus und Johannes es so erfolgreich taten, indem sie dem Beispiel des Meisters folgten. Es bedeutet, daß man seine Scheu beiseiteschiebt und den Christus, die Wahrheit, jedem anbietet, dessen Herz danach ruft. Und es bedeutet, daß wir unsere Tätigkeit auf die ganze Menschheit ausweiten — und dann liebevoll für die Kirchen sorgen oder sogar welche gründen, wenn das zur Aufrechterhaltung dieser Mission nötig ist.
In die Fußtapfen dieser frühen Kirchenarbeiter zu treten, kann sogar bedeuten, daß man direkt in die Zähne der heidnischen Götter unseres Zeitalters blickt und, wenn nötig, aufzeigt, wie wenig fähig sie sind, der Menschheit zu helfen und sie zu heilen. Und daß man dann trotz des Widerstandes das christliche Liebeswerk unermüdlich weiterführt (obwohl nur wenige von uns jemals 24 000 Gegnern zugleich werden gegenüberstehen müssen!).
In dem Kapitel „Fußtapfen der Wahrheit“ in Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift, dem Lehrbuch der Christlichen Wissenschaft, fordert Mrs. Eddy ihre Leser auf, den Weg zu gehen, den unser Meister wies. Der Weg des Christen, so wie sie ihn beschreibt, ist ein völlig geistiger Weg, der uns mit jedem Schritt läutert und zu einer neuen und gesundheitbringenden Erkenntnis von Gott und Seiner Schöpfung führt. Mrs. Eddy schreibt: „Unser Ziel, ein Schritt über den Glauben hinaus, sollte sein, die Fußtapfen der Wahrheit zu finden, den Weg zur Gesundheit und Heiligkeit. Wir sollten danach streben, die Horebshöhe zu erreichen, wo Gott sich offenbart; und der Eckstein allen geistigen Bauens ist Reinheit.“
Geistige Erkenntnis und Reinheit — das sind fundamentale Eigenschaften für die christlichen Pioniere der neunziger Jahre. Sie lassen uns die Dinge des Geistes erkennen, die für das Auge nicht sichtbar sind. Sie offenbaren so viel mehr über uns, als was wir zu sein scheinen (manchmal weise, manchmal törichte körperliche Geschöpfe). Ja, wir sind die vollkommen ausgerüsteten geistigen Kinder Gottes. Erkenntnis und Reinheit veranlassen uns, unsere Brüder und Schwestern in der Welt so innig zu lieben, daß wir unmöglich zögern können, ihnen von den Wahrheiten zu erzählen, die ihnen helfen und sie heilen werden. Und Erkenntnis und Reinheit ermutigen uns, den Götzen, die unser Zeitalter irreführen — von der Astrologie bis zur Demagogie, von geistloser Technologie bis zu Drogen — die Maske abzureißen. Mrs. Eddy, die die Notwendigkeit solch einer christlichen offenheit erkannte, schrieb in ihrer Botschaft an Die Mutterkirche für 1900: „Es wäre gut, wenn auch wir einen Paulus hätten, der unsere Städte von Quacksalberei säubern würde.“
Wie nähren wir nun diese Erkenntnis und Reinheit? Jeder Augenblick, den wir damit verbringen, das Gottähnliche und Wahre wertzuschätzen, nährt unsere Erkenntnis. Jeder Widerstand gegen zerstörerisches, lustbetontes Verlangen, jede nicht gemachte kritische Bemerkung, jede Zurückweisung der physischen Anschauung vom Menschen zugunsten der geistigen läutert uns und hält uns in den Fußtapfen des Meisters.
Wenn wir in diesen gesegneten Fußtapfen wandeln, gehen wir nie allein. Wir reisen in Gesellschaft all jener, die das Gute anstelle des Bösen, Selbstlosigkeit anstelle von Egoismus gewählt haben. Und wir reisen in Einigkeit. Auch kleinliche Dispute können uns nicht entzweien, denn, wie Paulus den Ephesern sagt:
„[Wir sind] ein Leib und ein Geist, wie ihr auch berufen seid zu einer Hoffnung eurer Berufung; ein Herr, ein Glaube, eine Taufe; ein Gott und Vater aller, der da ist über allen und durch alle und in allen.“
Wir brauchen nicht um die halbe Welt zu reisen, um die Fußtapfen der Wahrheit zu finden. Wir können in diesem Augenblick zu unserer Reise in Richtung des Geistes aufbrechen. Wir können jederzeit unseren eigenen „Nachmittag in Ephesus“ erleben — uns wieder verpflichten, auf dem Weg zu wandeln!
