Manchmal Ist Es schwer, sich vorzustellen, daß es so etwas wie das allgegenwärtige Gute gibt. Einige oft verwendete Ausdrücke bezeugen das. So spricht man zum Beispiel von einer „gottverlassenen Gegend“ oder davon, daß jemand „von Gott und den Menschen verlassen“ sei.
Auch Jakob befand sich einmal in einer solchen „gottverlassenen“ Stimmung. In der Bibel wird uns berichtet, daß er seinen Vater betrogen und etwas genommen hatte, was rechtmäßig seinem Bruder zustand, und sich deshalb auf der Flucht befand, um sein Leben zu retten. In der ersten Nacht träumte er: „Eine Leiter stand auf Erden, die rührte mit der Spitze an den Himmel, und siehe, die Engel Gottes stiegen daran auf und nieder.“ Und darüber sah er Gott, der zu ihm sprach: „Siehe, ich bin mit dir und will dich behüten, wo du hinziehst, und will dich wieder herbringen in dies Land.“ Als Jakob danach aufwachte, stellte er fest: „Fürwahr, der Herr ist an dieser Stätte, und ich wußte es nicht!“ Siehe 1. Mose 28:12—16. Er erlebte die Allgegenwart Gottes, sie war ihm bewußt geworden.
In Wissenschaft und Gesundheit beschreibt Mrs. Eddy Engel als „Gottes Gedanken, die zum Menschen kommen; geistige Eingebungen, die rein und vollkommen sind; die Inspiration der Güte, Reinheit und Unsterblichkeit, allem Bösen, aller Sinnlichkeit und aller Sterblichkeit entgegenwirkend.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 581. Durch Jakobs Traum wurde gezeigt, daß die guten Gedanken oder Ideen Gottes ständig zur Verfügung stehen. Sie zeigten ihm den Weg zum Himmel, der in Wirklichkeit die gegenwärtige Harmonie des Seins ist. Jakob sah den Weg zum Himmel als eine Leiter mit Stufen. In den folgenden Jahren erstieg er eine Reihe dieser Stufen. Er arbeitete für den Bruder seiner Mutter, und er verdiente gut dabei. Nachdem er um ein reineres Verständnis vom Menschen als Gottes Gleichnis gerungen hatte, konnte er sich schließlich mit seinem Bruder versöhnen und in seine Heimat zurückkehren. Jakob sagte, er habe das Gesicht seines Bruders gesehen, als sähe er „Gottes Angesicht“ 1. Mose 33:10..
Wie oft befinden wir uns in einer ähnlichen Situation, wenn wir wie Jakob versuchen, unseren Problemen davonzulaufen oder plötzlich ohne Unterkunft und ohne Versorgung dastehen — ohne Wohnung oder ohne Arbeit. Vielleicht kommen auch wir uns in einer solchen Lage so recht verlassen vor. Dann ist es Zeit, sich an Jakob und sein Erlebnis zu erinnern. Die Christliche Wissenschaft lehrt die Allgegenwart Gottes, so wie Jakob sie erlebte, als er sagte: „Fürwahr, der Herr ist an dieser Stätte.“ Und darum ist es auch ganz wichtig, sich damit zu beschäftigen, was Gott, der Herr, ist und was Er tut.
Es gibt viele Stellen in der Bibel, die das Wesen Gottes beschreiben. Im ersten Brief des Johannes lesen wir zum Beispiel: „Gott ist die Liebe.“ 1. Joh 4:8. Stellen Sie sich vor, daß diese Liebe genau dort ist, wo Sie sich gerade befinden! Glauben Sie, daß diese unendliche Liebe Sie ohne Wohnung oder Arbeit lassen wird? Was hätte Christus Jesus wohl auf diese Frage geantwortet? Vielleicht das, was er einmal gesagt hat: „In meines Vaters Hause sind viele Wohnungen. Wenn's nicht so wäre, hätte ich dann zu euch gesagt: Ich gehe hin, euch die Stätte zu bereiten?“ Joh 14:2.
Jesu Vater ist auch unser Vater, unser aller Vater. Was die göttliche Liebe dem Menschen, Seiner Idee, gibt, gehört ihm für alle Zeiten. Dieses Wissen nimmt uns die Furcht und öffnet unser Denken für die Engelsgedanken, die uns mit guten Ideen versorgen und uns zeigen, daß der Himmel, die Harmonie, immer gegenwärtig ist. Diese vollkommene Harmonie ist die göttliche Wirklichkeit, die offenbart, daß der wahre Mensch kein von der Liebe und dem Guten getrennter Sterblicher ist, sondern tatsächlich das Ebenbild Gottes, geistig und vollkommen.
Ich habe die liebevolle Gegenwart Gottes sehr oft erlebt. Als ich noch Student war, lebte ich vor allem von den Einkünften aus einer Hilfsassistententätigkeit. Das war nicht sehr viel. Einmal waren mein Geld und meine Vorräte völlig verbraucht. Ich hatte nichts mehr zu essen. An dem Abend setzte ich mich hin, um zu beten.
Ich nahm meine Bücher — die Bibel, Wissenschaft und Gesundheit von Mary Baker Eddy und eine Sammlung ihrer anderen Schriften — und fing an, darin zu lesen. Ich liebte diese Bücher sehr, denn oft schon hatten sie mir Trost und Hilfe vermittelt. Ich weiß nicht mehr genau, welche Stellen ich las, aber ich erinnere mich, daß ich die große Liebe unseres himmlischen Vaters empfand.
In der Zeit davor hatte ich darunter gelitten, daß mir ein gewisses Erbteil aus dem Besitz meiner Großmutter vorenthalten worden war. In diesem Gebet nun wurde mir klar, daß meine Versorgung nicht von solch einem Erbe oder von irgendwelchen anderen materiellen Mitteln abhing, sondern daß Gott mein Vater und meine Mutter ist und daß Seine Vollkommenheit mein Erbe ist. Dankbar erkannte ich, daß mich nichts von dieser göttlichen Liebe trennen konnte.
Nachdem ich so eine Weile gebetet hatte, fiel mir ein, daß ich noch eine Tafel Schokolade hatte, die mir jemand beim letzten Weihnachtsfest geschenkt hatte. Sie war so schön in Geschenkpapier eingewickelt gewesen, daß ich sie aufgehoben hatte, um sie vielleicht weiterzuverschenken. Jetzt kam sie mir gerade recht, denn ich hatte Hunger. Als ich sie auswickelte, kam ein Geldschein zum Vorschein. Der Betrag reichte aus, um genügend Nahrungsmittel für die nächsten Tage zu kaufen. Einige Tage später wurde mir ohne mein Zutun auch das erwähnte Erbteil übertragen, von dem ich mich innerlich völlig frei gemacht hatte.
Der Geldschein in der verpackten Tafel Schokolade erinnerte mich daran, wie Jesus Petrus auftrug, den Steuergroschen im Maul des Fisches zu suchen. Wir sollten diese Berichte in der Bibel nicht als Wunder abtun, sondern sie als Beweise der großen Liebe Gottes verstehen. Nehmen Sie Gott beim Wort!
Nachdem Jakob bei Bethel die Allgegenwart Gottes erlebt hatte, fühlte er sich nicht mehr „von Gott und der Welt verlassen“. Auch wir können unseren Weg mutig weitergehen, wenn wir wissen, daß wir nicht allein gelassen sind, wenn wir wissen, daß Gott bei uns ist. Dieser Gedanke hat mir in vielen schwierigen Lebenslagen geholfen. Wir alle können daran denken, wenn wir uns fürchten, wenn wir glauben, mit unserer Kunst am Ende zu sein. Die Allgegenwart der Liebe beendet jede Einsamkeit und jede Hoffnungslosigkeit, indem sie uns mit allen guten Ideen versorgt und uns die Türen zum Himmel öffnet.
Allerdings müssen wir oft auch den inneren Kampf ausfechten, aus dem Jakob auf seinem Heimweg als Sieger hervorging. Wir müssen eine klarere geistige Anschauung vom Menschen als Gottes Ebenbild erlangen. Dann können auch wir in unseren Mitmenschen, unseren Brüdern und Schwestern und unseren Eltern das „Angesicht Gottes“ sehen. Das ist das heilende Sehen, mit dem Jesus die Menschen umwandelte. In Wissenschaft und Gesundheit heißt es: „Jesus sah in der Wissenschaft den vollkommenen Menschen, der ihm da erschien, wo den Sterblichen der sündige, sterbliche Mensch erscheint. In diesem vollkommenen Menschen sah der Heiland Gottes eigenes Gleichnis, und diese korrekte Anschauung vom Menschen heilte die Kranken.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 476.
Dieses Sehen ist echte Vergebung. Es akzeptiert nicht das Bild vom Menschen als einem gebrechlichen Sterblichen, der in einem begrenzten, materiellen Universum lebt. Dieses Sehen heilt so vollkommen, daß auch der menschliche Augenschein umgewandelt wird und so die Allgegenwart Gottes, des Guten, offenbart. Jesus hat uns durch sein Leben, sein Wirken und Lehren gezeigt, wie wir für uns selbst beweisen können, daß das Gute wirklich allgegenwärtig ist.