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Laßt Eutychus nicht auf der Fensterbank sitzen!

Aus der Januar 1994-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Man Redet Heute viel über die Jugendlichen, über ihre Zukunft und ihre mehr oder weniger erfolgreiche — und doch so notwendige — Eingliederung in die Gesellschaft. Das Schulsystem und die ganze Einstellung der Gesellschaft zur Jugend werden in Frage gestellt und verschiedene Lösungsvorschläge diskutiert.

Ähnlich ist die Situation in vielen Kirchen. Die jungen Leute bleiben aus, es fehlt der frische Wind. Irgendwie scheint das Verbindungsglied zu fehlen zwischen dem Ende der Sonntagsschule und der aktiven Mitarbeit junger Leute in der Kirche.

Als ich vor kurzem über dieses Problem betete, war mir eine Geschichte aus der Bibel eine große Hilfe. Sie steht in der Apostelgeschichte, in der die Anfänge der christlichen Kirche geschildert werden. Der Vorfall ereignete sich in Troas, wo der Apostel Paulus gerade eine Woche lang das Evangelium von Christus Jesus gepredigt hatte. Viele Zuhörer hatten sich in einem „Obergemach“ versammelt. Wir lesen: „Es saß aber ein junger Mann mit Namen Eutychus in einem Fenster und sank in einen tiefen Schlaf, weil Paulus so lange redete; und vom Schlaf überwältigt fiel er hinunter vom dritten Stock und wurde tot aufgehoben.“

Ich hatte diese Geschichte schon viele Male gelesen, aber an jenem Tag fiel mir auf, daß es sich hier um einen jungen Mann handelte. Ich dachte an die weitverbreitete Ansicht, daß Jugendliche in Kirche und Gesellschaft nur schwer Fuß fassen können. Man nimmt an, junge Leute fühlten sich nicht richtig „zu Hause“ in einer Kirchengemeinde oder einer gesellschaftlichen Organisation — entweder weil sie sich nicht voll akzeptiert fühlen oder ihre Meinung nicht so viel gilt wie das, was ältere Mitglieder sagen, oder weil sie an solchen Dingen nicht besonders interessiert sind.

Ich fand es sehr anerkennenswert, daß ein junger Mann wie Eutychus gekommen war, um Paulus zuzuhören, daß er auf das verzichtet hatte, was er vielleicht sonst an diesem Abend vorgehabt hätte. Er war da: und das bewies doch, daß sich geistiger Hunger und geistige Empfänglichkeit nicht nur bei Leuten reiferen Alters finden. Ich wußte, wieviel die Kirche jungen Menschen geben kann — und wieviel junge Menschen der Kirche geben können. Als mir also klar wurde, daß Eutychus durch seinen tödlichen Sturz gewissermaßen aus der Kirchengemeinde „hinausgefallen“ war, empfand ich Dankbarkeit dafür, daß Paulus sofort so liebevoll reagierte.

Wir lesen: „Paulus aber ging hinab und warf sich über ihn, umfing ihn und sprach: Macht kein Getümmel; denn es ist Leben in ihm.“ Eutychus konnte nicht von Gott, von Leben und Liebe, getrennt sein. Und so erfahren wir: „Sie brachten aber den jungen Mann lebend herein und wurden nicht wenig getröstet.“ Apg 20:9, 10, 12.

Vielleicht sah Paulus in diesem Vorfall nur einen weiteren Versuch des Bösen, ein dynamisches Element der Kirche anzugreifen — die Teilnahme junger Menschen. Augenscheinlich ist dieser Irrtum auch heute noch weit verbreitet. Er versucht, die Kirche an der Erfüllung ihrer wichtigen Aufgabe in der Welt zu hindern, indem er behauptet, einige Menschen seien eben zu jung, zu alt, zu beschäftigt oder was auch immer und hätten deshalb keinen rechten Platz dort.

Welche Eigenschaften möchte dieser Widerstand gegen die Wahrheit aus der Kirche ausschließen? Aufgeschlossenes Denken etwa, Spontaneität, Vitalität, sogar — warum denn nicht? — Kühnheit. Sind diese Eigenschaften nur in Menschen zu finden, die gerade erwachsen geworden sind? Natürlich nicht. Jeder nützliche und gute Charakterzug kommt von Gott, der Quelle aller rechten Ideen, und wird in allen Seinen Kindern offenbar. Im wahren Wesen eines jeden von uns liegen die positiven Eigenschaften, die man mit menschlicher Reife verbindet: Weisheit, Verantwortungsbewußtsein, Ausdauer und Geduld, aber auch die, die man traditionsgemäß der Jugend zuordnet: Lebhaftigkeit, Fröhlichkeit, Begeisterung und Empfänglichkeit.

Mrs. Eddy schreibt in ihrem Buch Die Erste Kirche Christi, Wissenschafter, und Verschiedenes: „Ein von einem einzigen Ton der Christlichen Wissenschaft berührtes und geheiligtes Herz kann die ganze Skala bewältigen; aber dieses Herz muß ehrlich sein und es ernst meinen und darf nie müde werden in dem Ringen, vollkommen zu sein — das göttliche Leben, die göttliche Wahrheit und Liebe widerzuspiegeln.“ Verschiedenes, S. 150. Alle Töne, die wir als Kinder Gottes widerspiegeln, haben ihren Platz in der Kirche. Und wenn uns immer mehr bewußt wird, daß wir selber die ganze Skala von Eigenschaften in uns haben, wird eine Schranke nach der anderen fallen. Dann werden wir erkennen, daß kein Kind Gottes — und wir sind in Wirklichkeit alle Gottes Kinder — „auf der Fensterbank“, also halb in der Wahrheit und halb außerhalb, sitzen kann, da doch die göttliche Wahrheit und Liebe allen Raum erfüllen.

Dies wurde mir eines Tages beim Nachhausegehen ganz klar. Ich kam gerade aus dem Bahnhofsgebäude, als etwa fünfzehn Jugendliche auf mich zukamen. Ihren Frisuren und ihrer Kleidung nach gehörten sie zu einer Gruppe, der man allgemein Gewaltbereitschaft zuzchreibt und der es anscheinend Spaß macht, den Leuten Angst einzujagen. Ein paar hatten Bierdosen in der Hand, und ich hatte das Gefühl, sie suchten Streit. Einer fragte mich ziemlich ruppig, ob ich in einer bestimmten Stadt wohne. (Es war nicht mein Wohnort, sondern ein Nachbarort.) Ich hatte keine Angst, aber sie waren mir entschieden unsympathisch. Ich antwortete: „Nein“ und ging weiter. Jetzt liefen sie in dieselbe Richtung wie ich. Anscheinend suchten sie nach ihrem Weg. Der Bürgersteig war sehr schmal, und auf einmal war ich mitten in der Gruppe.

Da erinnerte ich mich an ein Jugendtreffen, das einige Zeit zuvor für junge Leute, die sich für die Christliche Wissenschaft interessieren, in Hamburg abgehalten worden war. Hunderte von jungen Christlichen Wissenschaftern und viele andere junge Menschen verschiedener Glaubensrichtungen aus ganz Europa und darüber hinaus hatten sich dort versammelt. Ich erinnerte mich an die fröhliche Kameradschaft, die uns alle verbunden hatte, die „Jungen“ und die „Nicht-ganz-so-Jungen“, die gekommen waren, um zu helfen. Wir hatten damals festgestellt und es auch empfunden, daß wir alle Weltbürger sind und einen Vater haben.

Die Straße war dunkel und fast leer. Die wenigen Fußgänger gingen hastig an der Gruppe vorbei, zu der inzwischen auch ich gehörte. Und da fühlte ich plötzlich, wie eine Welle von Liebe zu diesen Jungen und Mädchen um mich herum in mir aufstieg. Ich wußte, daß sie in ihrem wahren Wesen, genau wie ich, die geliebten Kinder Gottes sind. Und deshalb befand ich mich nicht in einer fremden und möglicherweise feindseligen Umgebung, sondern mitten unter meinen Brüdern und Schwestern. Ich konnte mich einfach nicht abweisend verhalten. Im Gegenteil. Ich hatte nur noch den Wunsch, ihnen zu helfen.

Also wandte ich mich an den jungen Mann, der mich zuerst angesprochen hatte, und fragte, wo sie denn hinwollten. Sie suchten einen Konzertsaal. Ich konnte ihnen den Weg dorthin beschreiben, und der junge Mann dankte mir in einer Art, die das genaue Gegenteil seiner schnodderigen Haltung von vorher war.

Als sich die Gruppe in die richtige Richtung auf den Weg machte und ich meinen Weg fortsetzte, war ich nicht nur dankbar dafür, daß ich keine Furcht gehabt hatte, sondern vor allem dafür, daß mir ein bißchen klarer geworden war, daß wir in einem tieferen, geistigen Sinn wirklich alle zu ein und derselben Familie gehören. Und diese Familie ist nicht in Altersgruppen aufgeteilt, sondern jedes Familienmitglied spiegelt göttliche Eigenschaften wider und erkennt und schätzt sie auch in jedem anderen. Ich erkannte etwas von der Wirklichkeit, die Mrs. Eddy in Wissenschaft und Gesundheit so beschreibt: „Mann und Weib, die zugleichbestehend und ewig mit Gott sind, spiegeln in verherrlichter Eigenschaft immerdar den unendlichen Vater-Mutter Gott wider.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 516.

Was für eine Freude ist es doch, die ganze Skala der guten Eigenschaften zu erkennen, die Gott uns gibt! Wer würde auch nur eine davon „auf der Fensterbank“ sitzen lassen wollen? Wenn jeder einzelne von uns alle diese Eigenschaften in sich pflegt, werden wir frischen Wind in unsere Kirchen bringen.

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