Die Politik einer Regierung kann die Loyalität der Menschen gewinnen, doch sie kann auch ihre Skepsis hervorrufen. Um die Qualität von Regierung und Verwaltung — auf welcher Ebene auch immer — zu verbessern, müssen sich die Staatsbürger eine Wachsamkeit erhalten, die weder durch Mißtrauen blind geworden noch von Enthusiasmus verblendet ist. Eine geistige Frische ist notwendig, ein klarer Blick nicht nur für ethisches Handeln, sondern auch für die Regierung Gottes, denn das schafft eine Basis für Gerechtigkeit und gesetzestreue Zusammenarbeit unter den Menschen. Wir wollten einmal einige der Forderungen, die an eine solche Wachsamkeit zu stellen sind, genauer untersuchen, und baten deshalb
, etwas zu diesem Thema zu sagen.Ich Habe Einmal gehört, wie jemand die Politik als einen Beruf beschrieb, in dem einer aufsteht, um zu sprechen, niemand zuhört und alle anderer Meinung sind. Es herrscht — nicht nur auf dem Gebiet der Politik, sondern auch in anderen Berufen — üblicherweise eine Atmosphäre emotionaler Anspannung und Unruhe. Ich glaube, wenn das in irgendeinem Bereich der Fall ist, darf man sich von der menschlichen Unruhe nicht anstecken lassen, sondern muß sich bewußt werden, daß Gottes Macht und Güte verfügbar sind und auch im Leben des einzelnen demonstriert werden können.
In der Politik ist es wie in jedem anderen Beruf wichtig, daß wir uns bewußt sind, was die wahren Motive unserer Handlungen sein sollten. Ich bin immer der Meinung gewesen, daß man, um in der Politik erfolgreich zu sein, die Menschen wirklich lieben muß. Ich möchte noch weiter gehen und sagen, daß unser wahres Motiv in jedem Beruf die Liebe zu Gott und zu allen Menschen sein sollte. Erst das führt wahrhaft zum Erfolg. Man wird dann nicht ans Gewinnen und Verlieren denken, sondern läßt sich von Gott führen.
Aber in letzter Zeit scheint die Taktik der Wahlkämpfe auf einen Sieg um jeden Preis gerichtet zu sein. Inwiefern ist in solchen Fällen eine geistige Betrachtungsweise hilfreich? Ich habe mehrmals für ein öffentliches Amt kandidiert, und die Wahlkämpfe waren unterschiedlich schwer. Ich erinnere mich, wie ich bei einem Wahlkampf meinem Gegner zufällig auf dem Parkplatz vor dem Fernsehstudio begegnete, wo wir gerade eine Fernsehdebatte geführt hatten. Wir sprachen wohl fast eine Stunde miteinander, und es war die erfreulichste Unterhaltung, die man sich zwischen zwei heftig gegeneinander streitenden politischen Gegnern vorstellen kann. Wir kamen überein, dieses Zusammentreffen zum Anlaß zu nehmen, den saubersten Wahlkampf zu führen, der je in unserem Wahlkreis geführt worden war.
Das war natürlich ein hochgestecktes Ziel, und es ist manchmal erheblich leichter, sich ein Ziel zu setzen, als es zu erreichen. Das Erfreuliche in diesem Fall war, daß wir unser Ziel tatsächlich erreichten. Wir trafen uns mehrfach und führten sehr fruchtbare Gespräche über unsere Wahlkampfführung.
In einem anderen Wahlkampf hingegen wurde ich wiederholt persönlich attackiert, und meine Ansichten und sogar meine Religion wurden ganz massiv angegriffen. Ich glaube, die Lösung in einem solchen Fall ist nicht, zurückzuschlagen, sondern zu sagen, wie die Dinge wirklich sind, um so Klarheit zu schaffen.
In der Politik — wie in jedem anderen Beruf auch — ist es wichtig, von Feindbildern wegzukommen. Zuallererst müssen wir die geistige Wahrheit erkennen, daß wir alle unter Gottes Regierung stehen. So werden wir die Menschen nicht in Parteigänger und Gegner einteilen. Wenn wir wissen, daß wir alle unter Gottes Herrschaft stehen, werden wir nicht versucht sein, einige innerhalb der Regierung Gottes und andere außerhalb zu sehen — außerhalb Seiner Güte und Seiner Macht.
Wenn wir Vertrauen in Gottes Regierung haben und erkennen, daß Gottes Güte alles durchdringt, dann ist nicht ein politischer Gegner oder ein Konkurrent der wirkliche Feind. Der wirkliche Feind ist die Versuchung, von Neid erfüllt zu sein, zu hassen oder auf Rache aus zu sein. Wir können Neid, Haß oder Rachegefühle überwinden, indem wir anerkennen, daß jeder Mensch die Fähigkeit hat, aufgeschlossen zu sein für das, was recht und gut und ehrlich ist — empfänglich zu sein für moralische Integrität.
Für mich ist auf dem Gebiet der Politik das Gebet mächtiger als politische Propaganda. Mit Gebet meine ich, daß wir die Macht Gottes anerkennen müssen, die Allheit des Guten, Gottes, die Güte Gottes, die Intelligenz Gottes. Wenn wir Gottes Allheit und Güte anerkennen, erkennen wir eine Macht an, die jeder von uns seinem wahren Wesen nach widerspiegelt. Wir gründen uns dabei auf die Bibel.
Wenn ich an Gott denke, denke ich an die Kraft des göttlich Guten. Wenn wir versuchen, Gottes Güte in Eigenschaften wie Ehrlichkeit, Integrität, Gerechtigkeit, Hoffnung und Mitgefühl Ausdruck zu geben, dann verleiht uns dieses rechte Denken und Handeln Stärke und Kraft. Diese Kraft stammt nicht von uns selbst, nicht vom menschlichem Willen, nicht von menschlicher Entschlußkraft, sondern von Gott selber. In Gott finden wir die Quelle des Lebens oder der Aktivität, der Intelligenz, richtige Entscheidungen zu treffen, und auch die Kraft zu handeln.
Was läßt sich über das politische Taktieren sagen, das einsetzt, sobald jemand in ein Amt gewählt ist? Seit ich in der Politik bin — also seit fast zwanzig Jahren —, trage ich in meiner Brieftasche ein Zitat aus Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift bei mir. Die Autorin Mary Baker Eddy schreibt: „Der eine unendliche Gott, das Gute, vereinigt Menschen und Völker; richtet die Brüderschaft der Menschen auf; beendet die Kriege; erfüllt die Schriftstelle:, Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst‘; vernichtet heidnische und christliche Abgötterei — alles, was in sozialen, bürgerlichen, kriminalen, politischen und religiösen Gesetzen verkehrt ist; stellt die Geschlechter gleich; hebt den Fluch auf, der auf dem Menschen liegt, und läßt nichts übrig, was sündigen, leiden, was bestraft oder zerstört werden könnte.“Wissenschaft und Gesundheit, S. 340.
Ich nehme diese Erklärung wörtlich — der eine Gott kann Menschen und Nationen vereinen, unabhängig von ihrem politischen Standort, ihrer beruflichen Stellung oder ihrem Bildungsstand. Menschen, die Gegner oder Feinde gewesen sind, können vereint werden durch das Anerkennen des göttlichen Einflusses zum Guten. Das gilt für den Bereich der Politik ebenso wie für andere Berufsfelder.
Vor einem Jahr sah es so aus, als ob mehrere Gesetzesvorlagen, die ich eingebracht hatte, nicht einmal von dem zuständigen Unterausschuß gebilligt werden würden — in den USA der erste Schritt im Gesetzgebungsverfahren. Ich war machtlos, denn es schien, als sei der Vorsitzende des zuständigen Unterausschusses allein deshalb gegen die Vorlage, weil sie nicht aus seiner Partei kam. Zwar blieb mir in diesem Verfahren keine Chance, doch es stellte sich heraus, daß sich mir andere Möglichkeiten boten. Im Vermittlungsausschuß arbeiteten wir an einer anderen, sehr viel weitreichenderen Gesetzesvorlage, und ich konnte die Ausschußmitglieder dazu bewegen, in diese Vorlage auch die beiden Gesetzesvorlagen einzuarbeiten, die im Unterausschuß keine Zustimmung gefunden hatten. Das Ergebnis war, daß diese Vorlage angenommen wurde und Gesetzeskraft erlangte.
Mein Gebet in der Zeit lautete nicht etwa so: „Diese Vorlage wird Gesetz werden.“ Ich halte mich an das, was Mrs. Eddy über einen Präsidenten der USA — William McKinley — schrieb und was damals in den Tageszeitungen veröffentlicht wurde. Sie lobte diesen Politiker wegen seiner Fähigkeit, „die Vulkane des Parteiwesens zum Erlöschen zu bringen“.Die Erste Kirche Christi, Wissenschafter, und Verschiedenes, S. 291. Derselbe Abgeordnete, der in seiner Funktion als Vorsitzender des Unterausschusses meine Gesetzesvorlagen zu Fall gebracht hatte, stimmte später im Vermittlungsausschuß zu, diese Vorlagen der anderen Vorlage anzufügen, so daß sie Gesetz werden konnten.
Ich habe oft über die Stelle in der Bibel nachgedacht, wo wir aufgefordert werden, bis zu „siebzigmal siebenmal“ zu vergeben. Es kam in meiner politischen Laufbahn nicht selten vor, daß ich mit einigen politischen Gegnern ziemlich nahe an diese Grenze heranreichte. Aber natürlich gibt es keine Obergrenze dafür, wie oft man anderen vergeben soll, weil sie etwas Falsches gesagt oder uns kritisiert haben. Das gleiche gilt für das Anerkennen der Gegenwart und Führung Gottes. Wir können es nie zu oft tun. Wir müssen uns immer wieder bewußt werden, daß Gottes Gegenwart und Führung Teil unseres Lebens sein können. Und wenn wir vorankommen wollen, müssen sie sogar ein Teil unseres Lebens werden.
Manchmal könnte man leicht den Mut verlieren; die Dinge entwickeln sich nicht immer so, wie wir es gern hätten. Doch jede gute Tat zählt, und jedes inspirierte Wort hat Macht. Und das ist das Entscheidende. Jedesmal wenn jemand für einen moralischen Grundsatz eintritt, jedesmal wenn jemand zum Beispiel eine gerechte Sache unterstützt, haben seine Worte und Taten Macht. Jeder Anstoß zum Guten kommt von dem einen göttlichen Guten, einer Kraft, die alles, was nicht gut ist, hinwegfegen oder neutralisieren kann.
Sie erwähnten das Einstehen für moralische Grundsätze. Was sagen Sie zu dem Argument, daß man manchmal, was die eigenen Wertmaßstäbe angeht, Zugeständnisse machen muß, damit man Chancen hat, gewählt zu werden? Christi Jesu Vorbild ist für mich immer eine große Hilfe gewesen. Er gewann die Menschen nicht dadurch, daß er seine eigenen persönlichen Tugenden in den Vordergrund stellte; er zog sie durch die Wahrheit an — durch Güte und durch Heilung. Da ist eine Stelle in der Bibel, wo zwei seiner Nachfolger sagen, nachdem er mit ihnen gesprochen hat: „Brannte nicht unser Herz in uns, als er mit uns redete auf dem Wege. ...?“ Lk 24:32. Die Menschen wurden von seiner Liebe angezogen, von der Wahrheit, die er predigte. Jesus liebte die Wahrheit, er liebte Gott, das göttliche Prinzip, doch er haßte auch die Ungerechtigkeit. Übeltäter wies er zurecht. Er sprach mit Vollmacht und Überzeugungskraft. Was er wußte, bewies er mehr als durch alles andere durch die Heilungen, die geschahen. Die Heilungen waren Beweise von Gottes Gegenwart und Macht. Das ist das Beispiel, dem wir folgen müssen.
Die Versuchung, etwas zu tun, von dem man weiß, daß es falsch ist, ist für mich eine Suggestion — die Suggestion nämlich, daß es eine Macht gebe, die Gott, der einzigen Macht, entgegengesetzt ist.
Einmal kam jemand in mein Büro und bat mich, in einer bestimmten Weise abzustimmen. Er deutete an, daß ich in diesem Fall ein hübsches Sümmchen als Spende erhielte. Nun war es so, daß ich ohnehin in der Weise abstimmen wollte, die mir der Besucher nahelegte. Doch als zwei oder drei Tage später die Spende einging, wies ich sie zurück. Es ist sicherlich in jedem Beruf wichtig, nicht nur unrechtes Handeln zu vermeiden, sondern — wenn irgend möglich — schon den bloßen Anschein unkorrekten Verhaltens.
Ich glaube, aus unserer Erfahrung ergibt sich die Forderung, für den Fortschritt, für eine kontinuierliche Entfaltung unseres Verständnisses von Gott zu arbeiten und nach Möglichkeiten zu suchen, dieses Verständnis im täglichen Leben anzuwenden, und — wenn sich das anbietet — anderen dabei zu helfen, dasselbe zu tun. Es ist natürlich sehr leicht, über diese Idealvorstellung zu sprechen, über das Ziel zu reden; bedeutend schwerer ist es oft, die Lektionen, die wir lernen, anzuwenden. Ich halte mich wahrlich nicht für den idealen Kandidaten oder den vollkommenen Politiker. Doch ich weiß, daß ich täglich darum ringe, Gott besser zu verstehen, meine Beziehung zum Vater-Mutter Gott zu begreifen und auch andere als Kinder — geistige Widerspiegelungen — Gottes zu sehen.
Glauben Sie als jemand, der ein öffentliches Amt innehat, daß das Gebet der Bürger hinsichtlich der Qualität der Regierung etwas bewirken kann? Gebet fördert ein höheres Verständnis von Regierung. Es läutert unser Fühlen und Denken, so daß wir die göttliche Stimme hören können — nicht um auf diese Weise unsere politischen Vorstellungen durchzusetzen, sondern um unser Leben ganz konkret besser zu meistern. Nur Gebet bewirkt wirklich eine Veränderung zum Guten. Gebet ist eine Bejahung der Regierung Gottes und Seiner Herrschaft über unsere Handlungen. Die Gebete der Bürger sind wichtig, weil eine repräsentative Regierung die Gedanken und Handlungen ihrer Bürger vertritt.
Jede echte Reform beginnt mit der Stimme des Volkes, und diese „Stimme“ kann tatsächlich das Gebet sein. Je mehr Menschen sich an Gott um Führung wenden, desto wahrscheinlicher ist es, daß die Regierung die unfehlbare Führung Gottes widerspiegeln wird. Wenn die Bürger mehr Zeit und Mühe für Gebet aufwendeten, würden mehr Probleme harmonisch statt im Streit gelöst, und das Ergebnis wäre mehr Gutes für mehr Menschen. Mir gefällt eine Bemerkung, die einem der Gründer unserer Nation zugeschrieben wird: „Wir haben, was die ganze Zukunft der amerikanischen Zivilisation angeht, nicht auf die Macht der Regierung gesetzt. Weit gefehlt! Wir haben, was diese Zukunft angeht, ... auf die Fähigkeit jedes einzelnen von uns gesetzt, entsprechend den Zehn Geboten Gottes sich selbst zu regieren, über sich selbst zu bestimmen und sich selbst zu erhalten.“