Vor Kurzem Besuchte ich ein Land, dessen Sprache mir fremd war. Auf der Suche nach etwas Bestimmtem traf ich eine junge, sehr freundliche Frau, die meine Sprache sprechen und mir behilflich sein konnte. Sie ließ es nicht dabei bewenden; sie lud mich in ihr Haus ein und bereitete mir ein köstliches Mahl. Später half sie mir, das Land noch besser kennenzulernen. Sie erinnerte mich an den barmherzigen Samariter in Christi Jesu Gleichnis, weil sie sich so viel Mühe machte, mir zu helfen.
Als ich darüber nachdachte, was der Kirche Kraft und Vitalität verleiht, wurde mir plötzlich bewußt, daß in diesem so bekannten Gleichnis viel darüber ausgesagt wird, wie wir uns individuell am Kirchenbau beteiligen.
Die Geschichte vom barmherzigen Samariter erzählt von einem Mann, der unter die Räuber fiel; „die zogen ihn aus und schlugen ihn und machten sich davon und ließen ihn halbtot liegen“. Zwei Leute waren vorübergegangen und hatten sich nicht um ihn gekümmert. Aber als der Samariter ihn sah, „jammerte er ihn“. Lk 10:30, 33. Seine Barmherzigkeit ließ ihm keine Wahl, als dem Verwundeten zu helfen.
Hatte der Samariter mit seiner Nächstenliebe nicht angefangen, „Kirche“ zu bauen? Ist nicht Kirche ein Ort, wo wir uns verstanden fühlen, geborgen, geliebt, von Fürsorge umgeben?
Der Meister zeigt uns in seinem Gleichnis noch andere Eigenschaften, die zum Kirchenbau gehören. Wir hören von der selbstlosen Hilfsbereitschaft des Samariters. „Die vollkommene Liebe treibt die Furcht aus“ 1. Joh 4:18., sagt uns der erste Brief des Johannes. Vorbehaltlose Nächstenliebe schließt immer jede Furcht aus.
Vollkommene Liebe zu haben, die die Furcht austreibt, bedeutet, vergeben zu können. Wir alle müssen noch sehr viel mehr Nächstenliebe und Behutsamkeit uns selbst und anderen gegenüber zum Ausdruck bringen, und die Christliche Wissenschaft ist uns dabei eine große Hilfe. Christliche Wissenschafter lernen, auf die biblische Wahrheit zu vertrauen, daß der Mensch Gottes vollkommenes Bild und Gleichnis ist. Dieses Ebenbild Gottes ist gut und nicht böse. Vergeben bedeutet also, nichts als wirklich anzuerkennen, was nicht diesem wahren Bild Gottes angehört — der wirklichen, geistigen Identität eines jeden. Was uns scheinbar Böses tut oder uns beleidigt, ist nicht geistig wahr, sondern eine Lüge über den Menschen. Wenn wir das Unschöne, dem wir begegnet sind, von dieser Seite aus betrachten, ist es vernünftig, zu vergeben und auf eine Besserung hinzuarbeiten. Der barmherzige Samariter mag oft von seinen israelitischen Brüdern beleidigt worden sein — denn Samariter standen nicht in hohem Ansehen —, aber das hinderte ihn nicht daran, seinen Nächsten, der sich in Not befand, zu lieben.
Der Samariter goß Öl und Wein auf die Wunden des Überfallenen. Das Lehrbuch der Christlichen Wissenschaft, Wissenschaft und Gesundheit von Mary Baker Eddy, gibt uns die geistige Bedeutung von Öl als „Hingabe; Nächstenliebe; Sanftheit; Gebet; himmlische Inspiration“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 592.. Brauchen wir nicht all diese Eigenschaften auch zum Kirchenbau? Wieviel Sanftmut, wieviel Verständnis und Hingabe sollten wir den anderen Arbeitern entgegenbringen, die mitbauen, und noch viel mehr den Lieben, die — von den rauhen Winden der Welt bald umgestoßen — sich in die Kirche flüchten!
In Jesu Gleichnis lud der Samariter den Verwundeten auf sein Tragtier, brachte ihn zu einer Herberge und pflegte ihn. Und als der Samariter weiterziehen mußte, gab er dem Wirt so viel Geld, wie nötig war, um weitere Unkosten zu decken.
Der barmherzige Samariter stellte nicht nur Geld für den unter die Räuber Gefallenen zur Verfügung, sondern verwendete auch seine Zeit auf ihn. Selbstloses Geben unserer Zeit wird für den Kirchenbau dringend gebraucht — oft bedeutet das ein Zurückstellen von uns sehr wichtig erscheinenden Angelegenheiten in unserem persönlichen Leben. Wenn wir jedoch für Gott arbeiten, werden wir uns bewußt, wie Er für uns arbeitet! Unsere Hingabe wird durch höhere Freuden und geistiges Wachstum belohnt.
Ich erinnere mich noch heute nach zwanzig Jahren, wie Mitglieder einer kleinen Zweigkirche Christi, Wissenschafter, uns in ihre Arme nahmen, als wir als Fremdlinge das erste Mal in ihrem Land waren. Sowohl die Erste wie auch die Zweite Leserin luden uns in ihr Heim ein und bewirteten uns liebevoll. Sie konnten nicht wissen, wie dringend wir diese warme Gastfreundschaft damals benötigten. Die herzliche Freundschaft mit ihnen besteht noch heute.
Unsere Gastfreundschaft sollte den Fremden, den Neuling und auch unsere eigenen Gemeindemitglieder wie eine warme, zärtliche Umarmung umgeben. Unsere liebevolle Zuwendung sollte alle bereit machen, von dem Gottesdienst gespeist zu werden, den sie besuchen.
Mrs. Eddy erklärt Kirche geistig als den „Bau der Wahrheit und Liebe; alles, was auf dem göttlichen Prinzip beruht und von ihm ausgeht“ Ebd., S. 583.. Ein Bauwerk oder Gebäude ist aus verschiedenen Baumaterialien konstruiert. Paulus sagt den Christen in einem seiner Briefe an die Korinther, aus welchen Elementen Liebe zusammengesetzt ist: „Die Liebe ist langmütig und freundlich, die Liebe eifert nicht, die Liebe treibt nicht Mutwillen, sie bläht sich nicht auf, sie verhält sich nicht ungehörig, sie sucht nicht das Ihre, sie läßt sich nicht erbittern, sie rechnet das Böse nicht zu, sie freut sich nicht über die Ungerechtigkeit, sie freut sich aber an der Wahrheit; sie erträgt alles, sie glaubt alles, sie hofft alles, sie duldet alles. Die Liebe hört niemals auf.“ 1. Kor 13:4–8.
Da Liebe Gott — und der Mensch Seine Widerspiegelung — ist, sind diese Elemente der Liebe in Wirklichkeit Eigenschaften des wirklichen Menschen, die uns allen — Ihnen und mir — angehören. All die Eigenschaften, die wir für den Bau unserer Kirche brauchen, müssen sich zuerst in uns selbst und in jedem einzelnen Mitglied entfalten. Je mehr wir uns bewußt werden, daß diese Elemente der Liebe und Wahrheit unabänderliche Bestandteile unseres Seins als Widerspiegelung Gottes sind, desto beständiger werden wir sie ausdrücken und damit unsere Kirche aufbauen — in uns und für die Gemeinde. Kirchenbau ist nicht ein einmaliges Ereignis, sondern ein immerwährender, wachstumsfördernder Vorgang.
