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POSITIVE PRESSE

Aus der April 1994-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft

Christian Science Monitor


„Die Kinder Gottes in Sarajevo”

„In Europa hängt dieser Tage eine düstere, graue, ernüchternde Wolke über fast jedem Gespräch. Die Wolke ist Sarajevo — und die anderen vom Krieg bedrängten Städte und Menschen in Bosnien.

Es ist das erste warme Wochenende in Berlin, und ich sitze mit einem Freund am Wannsee in einem Café im Freien., Kaum zu glauben, daß etwas über eine Stunde [mit dem Flugzeug] von hier ein regelrechter Krieg im Gange ist’, sagt mein Freund.

Am nächsten Tag, als ich allein in einem Hotel in Brüssel esse, knüpfe ich mit der Kellnerin ein Gespräch an. Sie erzählt mir, daß sie frisch aus Irland nach Belgien gekommen sei, um hier zu arbeiten, und sie fragt mich, wo ich her bin. ‚Aus Boston’, gebe ich zur Antwort. Darauf meldet sich eine Frau, die allein an einem Nachbartisch sitzt: ‚Tatsächlich? Meine Tochter lebt auf Cape Cod.’ Die Frau, eine Argentinierin, ist Komponistin und lebt jetzt in Paris. (In Brüssel findet gerade ein bedeutendes Festspiel für moderne Musik statt.) Sie erkundigt sich nach meinem Beruf. Als ich den Christian Science Monitor erwähne, fragt sie, ob diese Zeitung einer Kirche angeschlossen sei. Ich sage ja. ‚Warum können Sie dann nichts für Bosnien tun?’ will sie wissen. ‚Sie müssen doch sehen, was für ein großes Unrecht dort geschient.’

Ja, ich muß sagen, die Tragödie in Jugoslawien war mir den ganzen Tag nicht aus dem Kopf gegangen. Ich war gerade im Wagen von Frankfurt nach Brüssel gefahren und hatte in Aachen und Lüttich haltgemacht — zwei Städten, die ich noch nie gesehen hatte. Zwischen ihnen liegt die deutsch-belgische Grenze, die nur durch die zwölf goldenen Sterne der Europäischen Gemeinschaft markiert ist. Nicht anders als etwa daheim in den USA das, Welcome to Indiana’-Schild [an der Grenze zum Bundesstaat Indiana]. Doch in diesem Gebiet, wo vier Länder aneinandergrenzen, erinnern die Ortsschilder an Europas Bürgerkriege in diesem Jahrhundert: Ardennen, Bastogne.

Ich machte in Lüttich halt und kaufte mir an einem der Verkaufsstände entlang der Maas belgische Waffeln zum Mittagessen. Auch die Maas erinnerte an die Kriege. Es waren Kriege, die dem kultivierten, eleganten Europa aus der Zeit vor 1914 das Herz herausrissen.

Doch aus diesen beiden tragischen Kriegen ging das Bestreben hervor, ein neues Europa zu schaffen — ein Europa, dessen Institutionen letzten Endes mit dem modernen Leben Schritt halten würden. Politisch ist Westeuropa noch nicht am Ziel, doch wirtschaftlich ist es fest zusammengefügt.

Hinter den Gesprächen über Bosnien steht nicht nur die Furcht, daß die unsicheren Verhältnisse dort unweigerlich Nachwirkungen auf ganz Europa haben werden. Den Gesprächen liegt, so glaube ich, auch die Erkenntnis der Westeuropäer zugrunde, daß Bürgerkriege an sich kaum all dem Haß und den menschlichen Mißverständnissen auf den Grund gehen, die für diese Kriege verantwortlich sind. Die Westeuropäer meinen, daß ein so nahegelegenes Land wie Jugoslawien aus den europäischen, Bürgerkriegen’ dieses Jahrhunderts Lehren gezogen haben müßte.

Eher ist es wohl so, daß jede Menschengruppe, jeder Block mit eigener politischer Souveränität, im Grunde genommen aus seiner eigenen Erfahrung lernen muß. Das ist das Tragische an der Lage. Und deshalb ist auch nur zu hoffen, daß bei einer Einmischung der Vereinigten Staaten in Bosnien das, was man dabei erreichen zu können hofft, gegen den natürlichen Wunsch abgewogen wird, den unmenschlichen Vorgängen dort Einhalt zu gebieten.

Ich kam nach Brüssel, nachdem ich in Berlin an einem Symposium des Forums für Deutschland teilgenommen hatte. Das Symposium befaßte sich dieses Jahr vornehmlich mit den Beziehungen zwischen Westeuropa und den Ländern im Osten. Die argentinische Komponistin fragte: ‚Warum können Sie nicht öfter über die geistigen Werte sprechen, die die Menschen zusammenbringen würden?’

Einen Augenblick lang dachte ich an Berlin zurück. Bei einer Diskussion über politische und wirtschaftliche Fragen war der Bürgermeister von St. Petersburg der einzige gewesen, der geistige Werte zur Sprache brachte. Er hatte im Hinblick auf Jugoslawien die Frage gestellt, warum wir nicht lernen können, daß wir alle die Kinder eines Gottes sind. Es klingt so einfach, und doch stellt es die größte Herausforderung für die heutige Generation dar.”

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