Angenommen, Sie Bekommen ein Telegramm von einer Freundin, die sich auf einer Kreuzfahrt befindet. Ihr Ehering — ein Diamantring — ist ihr gerade aus Versehen über Bord gefallen! In dem Telegramm bittet sie um Hilfe durch Gebet. Welche Art von Hilfe erwartet sie? Rechnet sie überhaupt damit, den Ring wiederzubekommen? Das ist nicht ausgeschlossen. Doch es wirft die Frage auf: Was ist der wahre Grund für ihre Bitte um Hilfe durch Gebet?
Der wahre Wert von Gebet besteht darin, daß wir unser Denken auf Gott richten. Das Motiv für Gebet muß selbstlos sein. Dann erkennen wir mehr und mehr unsere gottverliehene Herrschaft über Verlust jeder Art.
Die Antwort auf unser Gebet mag nicht unbedingt so ausfallen, wie wir es uns vorgestellt oder erhofft haben. Aber tiefempfundenes Gebet, dem ein — wenn auch noch so geringes — Verständnis von Gottes ganz und gar gutem Wesen zugrunde liegt, segnet uns und bringt unserem Bewußtsein Heilung. Dies führt oft dazu, daß wir etwas finden, was außerhalb unserer Reichweite zu liegen schien. In jedem Fall gewinnen wir. Wir gewinnen inneren Frieden, und das Gefühl von Verlust oder Verzweiflung läßt nach.
Was ist unser Motiv beim Beten, was ist unser Ziel? Wollen wir Gott verherrlichen? Herausfinden, was Sein Wille ist? Sein Wille und nicht unser Wille? Wenn wir Seinen Willen suchen, werden wir einen wahren Schatz finden, denn das Himmelreich, die ewige Harmonie, ist „nahe herbeigekommen“.
Die Bibel lehrt uns, daß Gott Geist ist; daher ist alles, was Gott schafft, geistig, auf immer unversehrt und vollständig, und kann nicht verlorengehen. Diese Wahrheit zu erkennen heißt begreifen, daß Gottes Wille stets gut ist. Durch Gebet lernen wir, Seinen vollkommenen Willen zu beanspruchen und ihm zu vertrauen. Es ist außerordentlich wichtig, ja geradezu unerläßlich, daß wir den Begriff von Verlust in Frage stellen, im Kleinen wie im Großen. Warum? Weil Verlust der geistigen Wirklichkeit der Schöpfung widerspricht, derzufolge Gott dem Menschen ständig alles gibt, was er braucht.
In der Heiligen Schrift finden wir die Aussage: „Was sichtbar ist, das ist zeitlich; was aber unsichtbar ist, das ist ewig.“ 2. Kor 4:18. Kann etwas, was ewig ist, verlegt oder zerstört werden? Kann Wahrheit verlorengehen? Kann Liebe aufhören zu existieren? Kann Freude verfliegen, Gutes verschwinden?
Der Verlust eines Diamantringes hat seine Bedeutung, weil er einen Gefühlswert und einen Geldwert besitzt. Doch er wird ziemlich belanglos, wenn wir an die ernüchternden Probleme denken, denen sich heute viele Menschen gegenübersehen — Verlust des Arbeitsplatzes und des Zuhauses, Verlust von Freunden und Familie, von Gesundheit, Freiheit und innerem Frieden. Kann Gebet in solch bedrückenden Situationen helfen? Mit Sicherheit! Im Gebet finden wir nie erlahmende Stärke und nie nachlassenden Mut; wir gewinnen Freiheit und Trost; wir erkennen Gottes Führung und die richtigen Lösungen. Und geht es uns im Grunde nicht genau darum? Wenn wir Gottes Fürsorge und seine vollkommene Führung spüren, öffnet sich uns der Weg, so daß wir konkrete Beweise Seiner Versorgung erleben.
Wenn Gott Gemüt ist, der einzige Schöpfer, was erschafft dann dieses Gemüt? Was Gemüt erschafft, ist vollständig geistig und geistig vollständig. Gemüt erschafft Ideen, keine materiellen Dinge. Dinge können verlorengehen, aber die Substanz einer Idee ist geistig. Sie kann nicht verlorengehen. Sie besteht stets im Gemüt und ist untrennbar von ihm. Und das ist die Grundlage, von der aus wir die Gesetzwidrigkeit von Verlust in unserem Leben beweisen können.
Wenn wir uns von ganzem Herzen an Gott wenden, werden wir diese Tatsachen begreifen lernen. Wir können erkennen, daß einfach nichts, was seinen Ursprung in Gott hat, je verlorengeht. Erhaltung ist eine Eigenschaft des Gemüts. Zugegeben, wir sehen nicht immer sofort den Beweis dafür; trotzdem ist dies die ewige Tatsache.
Glauben wir, die Sonne sei verlorengegangen, wenn wir sie nicht mehr scheinen sehen? Da wir die Wissenschaft der Astronomie verstehen, zweifeln wir nicht daran, daß die Sonne nach wie vor besteht. Wir wissen, daß es absurd wäre zu sagen, sie sei verlorengegangen.
Wenn allein die körperlichen Sinne bestimmen könnten, was der Mensch ist, müßten wir zugeben, daß der Mensch sterblich ist, daß er in die Materie hineingeboren und auf einen Lebensweg geschickt wird, der zwangsläufig von Verlust geprägt ist — von dem Verlust der Unschuld und der Liebe, von verpaßten Gelegenheiten, begrabenen Hoffnungen, dem Verlust von Freuden und Fähigkeiten, dem Verlust der Gesundheit und schließlich dem Verlust des Lebens selbst. Machen wir aber von unserem natürlichen gottgegebenen geistigen Sinn Gebrauch, so wissen wir intuitiv, daß es etwas Besseres gibt. Gott könnte niemals einen so unvollkommenen Plan machen. Und indem wir dies erkennen, gewinnen wir Vertrauen in das, was „unsichtbar“ ist, oder, wie es im Römerbrief heißt, in „die Dinge des Geistes“. Und wir fangen an, unser Erbe, die Herrschaft über „die Dinge des Fleisches“ Röm 8:5 [nach der engl. King-James-Bibel]., zu beweisen.
Mrs. Eddy sagt in einem ihrer Gedichte: „Herz, harre aus: für Haß lieb um so mehr! / Gott ist ja gut, Verlust ist segenschwer.“ Vermischte Schriften, S. 389. Wir werden gesegnet, wenn wir die falsche Auffassung aufgeben, daß der Mensch materiell sei und all die Verluste erleiden müsse, die die menschliche Annahme akzeptiert und zuläßt. Solche Annahmen müssen wir in Frage stellen! Eine falsche, materielle Auffassung der Dinge kann die Wahrheit niemals ändern, noch kann sie die geistige Wirklichkeit auf Dauer verborgen halten.
Sicher, das menschliche Dasein ist nicht einfach. Aber wir haben die Möglichkeit, gegen seine aggressiven Ansprüche vorzugehen, statt darunter zu leiden. Wir haben die Wahl. Kürzlich wurde ich lebhaft daran erinnert. Ich hörte mit halbem Ohr dem Radio zu und bemerkte, daß der Text des gesendeten Liedes davon handelte, daß wir geboren werden, um zu verlieren. Normalerweise mag ich Blues, aber in diesem Fall wurde mir klar, daß ich gründlicher über die Begriffe Versagen und Verlust nachdenken mußte.
Wie können wir auf ein Leben in Gesundheit und Glück hoffen, wenn wir nicht den Suggestionen des fleischlichen Gemüts entgegentreten, die uns alle Hoffnung nehmen wollen? Indem wir diese Gedanken mit Hilfe des Gebets umkehren — mit dem Verständnis, daß der Mensch, das Gleichnis Gottes, keine Verluste hinnehmen muß, sondern auf immer vollständig ist —, tragen wir zur Heilung von Verzweiflung bei. Sollte das nicht für uns alle an erster Stelle stehen? In dem Maße, wie jeder einzelne von uns bereit ist, Gottes Gesetz der Wiederherstellung anzuerkennen, weicht das Gefühl, daß uns etwas fehlt, der Erkenntnis unserer Vollkommenheit. Die angeborene Unschuld, Freiheit, Gesundheit und Freude des Menschen werden uns immer klarer, und das segnet zwangsläufig auch andere. Und es macht uns unausweichlich zu besseren Heilern.
Mrs. Eddy mußte eine Zeitlang in ihrem Leben vieles entbehren, was ihr teuer war — Familie, Freunde, Gesundheit, finanzielle Sicherheit —, doch ihr Verständnis von Gott und Seiner Allmacht konnte ihr nie genommen werden. Sie triumphierte über ihr Unglück und bewies damit ihre Aussage in Wissenschaft und Gesundheit: „Es ist unmöglich, daß der Mensch irgend etwas verlieren könnte, was wirklich ist, wenn Gott alles ist und ewiglich sein eigen ist.“ In den Zeilen davor schreibt sie: „Der materielle Körper und das materielle Gemüt sind zeitlich, der wirkliche Mensch hingegen ist geistig und ewig. Die Identität des wirklichen Menschen geht durch diese Erklärung nicht verloren, sie wird vielmehr durch dieselbe gefunden; denn durch sie wird die bewußte Unermeßlichkeit des Daseins und aller Identität erkannt und unverändert erhalten.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 302.
Diese Worte gaben uns mehr als nur Ermutigung, als mein Mann vor einigen Jahren allem Anschein nach einen Schlaganfall erlitt. Er war teilweise gelähmt und konnte seine Arme und Hände nicht mehr gebrauchen. Auch sein Gedächtnis war in Mitleidenschaft gezogen. Da er von Beruf Musiker ist, war dies ein besonders schwerer Schlag. Wir hielten fest an unserem Verständnis, daß Gottes Gesetz der Wiederherstellung stets wirksam ist und nicht außer Kraft gesetzt werden kann, und wandten uns an unseren himmlischen Vater, in vollem Vertrauen darauf, daß mein Mann durch Gebet seine Freiheit wiedererlangen würde.
Wir erkannten an, daß das gleiche göttliche Prinzip, das Jesus demonstrierte, als er die verdorrte Hand heilte (siehe Mt 12:10–13), hier und jetzt wirksam war. Wir ließen weder Zweifel noch Furcht aufkommen und erhoben Anspruch auf die von Gott verliehene Fähigkeit des Menschen, sich ungehindert zu bewegen und unabhängig zu leben. Wie schon bei vielen Herausforderungen zuvor, war dieses Vertrauen auf Gebet eine Stütze für uns. Unser Glaube war aktiv und stark! Dies führte dazu, daß die heilende Tätigkeit der göttlichen Wahrheit auf den Zustand meines Mannes zu wirken begann und seine Hände ihre volle Beweglichkeit wiedererlangten. Langsam, aber sicher gewann er die normale Kontrolle über seinen körper zurück und ebenso über sein Denken. Heute erfreuen wir uns gemeinsam am Leben und an seiner Musik, die er wieder spielen kann. In unserer verzweifelten Lage war auch folgende Stelle aus dem Lehrbuch Wissenschaft und Gesundheit ein großer Segen für uns: „Wenn die Täuschung sagt:, Ich habe mein Gedächtnis verloren’, so widersprich dem. Keine Fähigkeit des Gemüts geht verloren. In der Wissenschaft ist alles Sein ewig, geistig, vollkommen und harmonisch in jeder Tätigkeit.“ Ebd., S. 407.
Wenn Christliche Wissenschafter mit vermeintlichem Verlust konfrontiert werden, können sie „dem widersprechen“, und in aller Regel tun sie es auch. Wir erkennen, daß Verlust von einem absoluten, geistigen Standpunkt aus nicht die Wahrheit des Seins ist. Unser Gebet ist eine Bestätigung der Allgegenwart des Guten und ein Verneinen von allem, was diese Tatsache verbergen möchte. Im Gebet erkennen wir Gottes heilendes Gesetz an und Seine beständige, liebevolle Fürsorge. Wir beten, bis wir diese Fürsorge fühlen. Dann wird die Wirklichkeit unseres Seins konkret in unserem Leben sichtbar.
Das menschliche Gemüt kann dahingehend beeinflußt werden, daß es glaubt, Verluste — im Kleinen wie im Großen — seien unvermeidlich. Diese Annahme muß bekämpft und zurückgewiesen werden. In der Heilarbeit der Christlichen Wissenschaft wird manchmal übersehen, daß dies ein grundsätzlicher Anspruch ist, der abgewiesen und durch die Wahrheit von Gottes Allgegenwart und Allmacht ersetzt werden muß.
Christus Jesus, unser Wegweiser, gab uns den Rat: „Suchet, so werdet ihr finden.“ Mt 7:7. Können wir angesichts dieses Rates aufhören zu suchen — und folglich zu finden? Haben wir es aufgegeben, das Abenteuer des Lebens besser zu verstehen — nach einem besseren Verständnis von der Wahrheit des Seins zu suchen? Ganz gleich, was sich auf dem menschlichen Schauplatz abspielt oder wie das weltliche Denken argumentiert, die Mentalität eines „geborenen Verlierers“ ist kein Drama, in das der Mensch Gottes verwickelt ist. Sie hat keinerlei Verbindung mit dem wirklichen, geistigen Dasein.
Wie raffiniert und gleichzeitig einlullend sind doch die Suggestionen, die sich im menschlichen Bewußtsein eingenistet haben, ohne Widerstand zu erfahren, wie etwa die Suggestion, daß wir unser Interesse am aktiven Studium der Bibel und der Schriften von Mary Baker Eddy und an der Mitarbeit in der Kirche verloren hätten. Die meisten von uns haben schon mit dieser heimtückischen Versuchung zu tun gehabt. Wie können wir andere wachrütteln, wenn wir nicht zuerst uns selbst wachgerüttelt haben, so daß wir solche teuflischen Gedanken hinauswerfen und sie durch die Wahrheit ersetzen können.
Wenn wir unter der Annahme von Verlust leiden — welcher Art auch immer und ganz gleich, wie lange schon —, dürfen wir dieser Annahme nicht zustimmen noch einfach aufgeben. Wir brauchen Verlust in unseren Gedanken über das Leben nicht zu akzeptieren, denn das würde auf ein Leugnen der Allerhabenheit Gottes hinauslaufen!
Halten Sie an Ihrer Identität als geliebtes Kind Gottes fest. Verteidigen Sie Ihr Verständnis hiervon. Identität ist geistig und vollständig, nicht fragmentarisch. Es können unmöglich Teile davon verlorengehen. Wir sind keine Opfer von Umständen, über die wir keine Kontrolle haben. Durch gewissenhaftes Beten erkennen wir, daß unser geistiger Sinn und unsere geistige Kraft nicht beeinträchtigt sind. Wahres Gebet bittet ehrlich um göttliche, unfehlbare Führung — und es erhält sie. Können wir denn in Wirklichkeit den Kontakt zu Gott überhaupt verlieren? Niemals!
Der Geist Gottes des Herrn ist auf mir,
weil der Herr mich gesalbt hat.
Er hat mich gesandt,
den Elenden gute Botschaft zu bringen,
die zerbrochenen Herzen zu verbinden,
zu verkündigen den Gefangenen die Freiheit,
den Gebundenen, daß sie frei und ledig sein sollen;
zu schaffen den Trauernden zu Zion,
daß ihnen Schmuck statt Asche,
Freudenöl statt Trauerkleid,
Lobgesang statt eines betrübten Geistes gegeben werden,
daß sie genannt werden „Bäume der Gerechtigkeit“,
„Pflanzung des Herrn“, ihm zum Preise.
Jesaja 61:1, 3
