Wenn Ich Früher ältere Menschen dabei beobachtete, wie sie sorgsam jeden Brotkrumen vom Tisch auflasen und die Reste vom Mittagessen noch für eine andere Mahlzeit verwendeten, konnte ich mich eines leicht spöttischen Lächelns nicht erwehren. Wie unüberlegt ich dieses — wie es mir schien — kleinliche Knausern belächelt habe! Ich dachte, sie könnten sich vielleicht nicht daran gewöhnen, daß für sie keine Not mehr herrscht. Doch ist es wirklich nur Gewohnheit, die die Menschen auch die kleinen Brotkrumen aufsammeln läßt?
Als mein geistiges Verständnis wuchs, habe ich begriffen, daß ein sorgfältiges Ausschöpfen der gegenwärtigen Reserven eine Form der Dankbarkeit und Wertschätzung sein kann. Bei der Speisung der Fünftausend dankte Christus Jesus für die fünf Brote und zwei Fische und ließ sie verteilen, obwohl sicher keiner außer ihm vermutete, mit so wenig Nahrung diese große Menschenmenge speisen zu können. Siehe Mt 14:15-21. Er hielt das Wenige nicht fest aus Furcht, ihm könne deshalb später etwas fehlen. Er bewies, daß Gott alle Seine kinder liebt und daß diese Liebe jeden auch dann versorgt, wenn menschliche Gegebenheiten andeuten, daß nicht genug vorhanden ist. Er hat die Brote und Fische dankend genutzt und vertraute darauf, daß Gott die Bedürfnisse stillen wird. Sein geistiges Verständnis von der untrennbaren Beziehung eines jeden Menschen zu Gott ermöglichte es ihm, die reiche Versorgung seitens der einen göttlichen Quelle anzuerkennen, die alle segnet und versorgt.
Mrs. Eddy sagt dazu in Wissenschaft und Gesundheit: „In der wissenschaftlichen Beziehung von Gott zum Menschen sehen wir: was einen segnet, segnet alle, wie Jesus es an den Broten und Fischen zeigte — da Geist und nicht die Materie die Quelle aller Versorgung ist."Wissenschaft und Gesundheit, S. 206.
Diese Lektion machte mich empfänglicher und dankbarer. Gleichzeitig ließ sie mich jene Dinge mehr schätzen, die ich bis dahin für selbstverständlich gehalten hatte — die Gesundheit, das tägliche Brot, das Dach überm Kopf. Ich lernte bis zu einem gewissen Grade die Wahrheit folgender Worte aus der Bibel verstehen: „Alle gute Gabe und alle vollkommene Gabe kommt von oben herab." Jak 1:17.
Ich habe erkannt, daß wir nicht passiv sein dürfen, wenn wir diese Gaben von Gott erhalten möchten. Wir haben eine gewisse Verpflichtung, diese Gelegenheiten zu ergreifen und nach unserem bestem Verständnis umzusetzen. Wie können wir vorhandene Möglichkeiten selbstverständlich nutzen, ohne daß daraus ein Nachteil für andere oder ein unverdienter Vorteil für uns erwächst?
Wir können und sollten im Gebet anerkennen, daß es richtig, ja, gesetzmäßig ist für jeden Menschen, vollständig versorgt zu sein. Kein Schaden kann für irgend jemanden oder irgend etwas daraus entstehen. Jesus sagte: „Sorgt nicht um euer Leben, was ihr essen und trinken werdet; auch nicht um euren Leib, was ihr anziehen werdet." Mt 6:25. Diese Worte gründeten sich sicher auf eine feste Gewißheit, daß der Mensch als Gottes Ebenbild ein Recht darauf umfassend von seinem Schöpfer versorgt zu sein.
Nicht nur in Fragen der täglichen Versorgung ist dieses Nutzen des Vorhandenen wichtig, sondern in allen Situationen, in denen vielleicht Mangel oder Unzufriedenheit herrschen. Wir könnten uns fragen, ob wir die bestehenden Möglichkeiten schon völlig ausgeschöpft haben. Das kann zum Beispiel eine Partnerschaft sein, die uns nicht befriedigt, oder ein Problem im Berufsleben, das eine Veränderung nahelegt. Haben wir wirklich schon alles getan, was wir tun können, das heißt, haben wir alles betätigt, was wir verstanden haben von Gottes Fähigkeit, uns mit der Inspiration oder den Ideen zu versorgen, die unsere Bedürfnisse stillen? In Wissenschaft und Gesundheit wird die Frage gestellt: „Sind wir wirklich dankbar für das schon empfangene Gute? Dann werden wir uns die Segnungen, die wir haben, zunutze machen und dadurch befähigt werden, mehr zu empfangen." Wissenschaft und Gesundheit, S. 3. Vielleicht könnten wir noch beharrlicher all das Gute und Richtige über den Menschen pflegen, das wir durch unser Studium der Bibel und der Schriften Mrs. Eddys schon jetzt verstanden haben. Sicher ist es richtig zu erwarten, daß die göttliche Liebe uns den weiteren Weg zeigt und uns die Aufgabe enthüllt, die sie für uns hat. Doch gleichzeitig können wir die Freude über das schon erfahrene Gute zum Ausdruck bringen.
Wenn wir zu Gott um Führung beten, sollten wir vielleicht still werden und uns an folgenden Vers aus den Psalmen erinnern: „Lobe den Herrn, meine Seele, und vergiß nicht, was er dir Gutes getan hat." Ps 103:2. Selbst für kleine Dinge dankbar zu sein wird uns Zuversicht bringen, weil jedes davon ein Beweis der beständigen Fürsorge Gottes ist. In diesem Gebet werden wir uns an die göttliche Liebe wenden die Quelle der Sicherheit und Geborgenheit. Da der Mensch geistig ist, wird uns das wachsende Verständnis dieser Tatsache helfen, liebevoller und friedfertiger und weniger abhängig von menschlichen Umständen zu sein. Da Gott den Menschen zu Seinem Ebenbild erschaffen hat, ist der Mensch mit all Seinen geistigen Eigenschaften ausgestattet. Daher brauchen wir nicht besorgt zu sein, denn uns ist alles, was wir wirklich brauchen, schon gegeben.
Die Dankbarkeit und Freude, die wir für die Segnungen in unserem Leben empfinden, machen uns empfänglicher für das Gute, das Gott jedem Menschen zuteil werden läßt. Diese Erkenntnis und ihr heilender Einfluß ist allen Menschen überall verfügbar. Aktive Dankbarkeit für das gegenwärtige Gute hilft uns, die Vollkommenheit der göttlichen Liebe ans Licht zu bringen und so den Nöten einzelner und der ganzen Welt zu begegnen.