Vorschriften, Strafen Und überall Leute, die dir sagen, was du zu tun hast. Manchmal könnte man meinen, daß man nicht Herr über sein eigenes Leben ist. Einige Vorschriften sind sicherlich nützlich, andere aber scheinen so unfair, daß wir glauben, gegen das Leben und die Welt rebellieren oder vor ihnen fliehen zu müssen. Wenn wir aber für Gottes Liebe aufgeschlossen sind, kann sich unsere Sicht vom Leben völlig ändern — mögen sich die Dinge auch noch so schlimm darstellen. Ich erlebte das in meinem ersten Jahr an der Uni.
Nach Abschluß der Oberschule konnte ich es kaum erwarten, von zu Hause wegzukommen. Das Verhältnis zu meiner Mutter war schwierig gewesen, und ich wollte nun endlich all das erleben, was die Welt zu bieten hatte. Gleich zu Anfang des ersten Semesters begann ich, regelmäßig zu trinken. In dieser Zeit hatte ich vier Autounfälle, die allesamt von mir verschuldet waren. Beim letzten Unfall fuhr ich das Auto zu Schrott. Ich selbst kam zwar mit heiler Haut davon, aber der Sachschaden war schrecklich.
Als ich in den Weihnachtsferien zu Hause ankam, war meine Mutter ausgegangen. Ich erinnere mich noch gut, wie einsam und verloren ich mich fühlte, als ich abends das leere Haus betrat. Je verlassener ich mir vorkam, desto klarer wurde mir, daß ich nirgendwo anders Antworten finden konnte, als in dem bißchen Wissen, das ich von Gott hatte. Tief im Innern wußte ich, daß meine Gedanken und Handlungen einen Einfluß hatten auf das, was mit mir geschah. Mir wurde immer deutlicher bewußt, daß die Autounfälle und meine Ruhelosigkeit in direktem Zusammenhang standen mit meinen materialistischen Fluchtversuchen.
Eine Definition von Sünde, wie der Begriff im Alten Testament gebraucht wird, ist Auflehnung gegen Gott. Siehe Calwer Bibellexikon, 5. Aufl. 1985, S. 1292. Und das beschrieb genau mein Denken und Tun. Jedesmal wenn etwas in meinem Leben schiefging, behauptete ich, daß es eben so ist: alles, was nur schiefgehen kann, geht auch schief — anstatt anzuerkennen, daß Gott gegenwärtig und mächtig ist.
Obwohl ich glaubte, ich wüßte nicht, wie man betet, begann ich doch, mich an Gott zu wenden. Dennoch konnte ich mir immer noch nicht recht vorstellen, wie Er mir ein so konkretes Fluchtmittel verschaffen könnte, wie es mir der Alkohol in meinen Augen bot. Und ich konnte auch nach Beginn des nächsten Semesters noch nicht ganz der Versuchung widerstehen zu trinken. Ich schwankte ständig hin und her; oft besuchte ich die Sonntagsschule der Christlichen Wissenschaft nach einer durchzechten Samstagnacht.
Durch die Heilungen, die ich in unserer Familie miterlebt hatte, wußte ich, daß es eine geistige Wahrheit geben mußte, die meine Ruhelosigkeit und die Depressionen durchbrechen konnte. Auch erinnere ich mich, daß ich Einladungen zu Parties ablehnte und statt dessen allein in meinem Zimmer im Studentenwohnheim saß, Wissenschaft und Gesundheit von Mary Baker Eddy las und mich an Gott wandte, während in den angrenzenden Zimmern rund um mich her gefeiert wurde. Die ersten beiden Kapitel in Wissenschaft und Gesundheit sagen eine Menge über die Notwendigkeit, Sünde zu überwinden. Mir wurde klar, daß ich in meinem Leben keine großen Beweise von Gottes Gesetz des Guten erwarten konnte, solange ich nicht wirklich meinen Lebenswandel änderte. Folgende Stelle aus dem Kapitel „Versöhnung und Abendmahl“ erwies sich als besonders hilfreich: „Jede Qual der Reue und des Leidens, jede Bemühung, besser zu werden, jeder gute Gedanke und jede gute Tat wird uns helfen, Jesu Sühne für die Sünde zu verstehen und sie wirksamer zu machen; doch wenn der Sünder fortfährt, zu beten und zu bereuen, zu sündigen und betrübt zu sein, dann hat er geringen Anteil an der Versöhnung — an dem Einssein mit Gott —, denn ihm mangelt die praktische Reue, die das Herz umwandelt und den Menschen befähigt, den Willen der Weisheit zu tun.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 19.
Aber immer wieder wollte mich der Gedanke verführen: „Natürlich ist es falsch, sich zu betrinken und die Kontrolle über sich zu verlieren, aber ein oder zwei Gläschen können doch nicht schaden!“ Das schien durchaus logisch, bis mir klar wurde, daß das fleischliche Gemüt — wenn man ihm auch nur den kleinen Finger reicht — nicht zu bremsen ist und einem all die alten Versuchungen wieder entgegenschleudert.
Ich bemühte mich, ein besseres und reineres Leben zu führen, und allmählich fühlte ich mich mehr als ganzer Mensch, frei von der Annahme, daß ich irgendein Ventil zum Abreagieren brauchte. Das Gefühl der Ganzheit und Vollkommenheit, das sich einstellte, als ich erkannte, was ich als Gottes geistiges Ebenbild alles bin — und nicht, was ich als Student alles nicht war —, bewirkte langsam eine Änderung. Das Verlangen nach Alkohol verließ mich, meine Mutter und ich wurden beste Freunde, und zum ersten Mal in meinem Leben interessierte ich mich wirklich für meine Ausbildung. Am Ende des Jahres wechselte ich auf eine andere Hochschule über, und der Rest meiner Studienzeit verlief ausgezeichnet.
In den Jahren danach ist mir klar geworden, daß die Zehn Gebote und Christi Jesu Lehren über Moral keine einschränkenden Vorschriften sind, die das Leben langweilig machen. Im Gegenteil, sie sind — wenn wir ihnen gehorsam sind — geradezu ein „Freifahrschein“ zu geistiger Freiheit und Herrschaft. Ich erkannte auch, daß man hart arbeiten muß, um die tief im menschlichen Gemüt verwurzelte Vorstellung aufzugeben, daß Anerkennung, Liebe, Gesundheit und Versorgung ihren Ursprung in Personen oder materiellen Dingen haben anstatt in Gott, und um die Tatsache zu akzeptieren, daß wir in Ihm wahrhaft vollständig sind.
Mrs. Eddy schreibt in den Vermischten Schriften: „Wenn wir versucht werden zu sündigen, sollten wir wissen, daß das Böse nicht aus Gott, dem Guten, hervorgeht, sondern eine falsche Annahme der persönlichen Sinne ist, und wenn wir die Ansprüche dieser Sinne verneinen und erkennen, daß der Mensch von Gott, Geist, regiert wird und nicht von materiellen Gesetzen, wird die Versuchung weichen.“ Verm., S. 198. Auf meine Erfahrung zurückblickend, kann ich die Wahrheit dieser Worte nur bestätigen. Menschliche Anstrengungen reichen meist nicht, um einer Versuchung zu widerstehen und sie zu überwinden. Erst als ich die Wahrheit akzeptierte, daß Gott mich regiert und daß Er mich tatsächlich von Versuchungen befreien kann, gewann ich meine Freiheit.
Jeder kleinste Sieg über eine Versuchung — das habe ich seitdem festgestellt — schafft eine moralische Grundlage und ein Vertrauen auf Gott, Wahrheit, das durch nichts in der Welt zu erschüttern ist. Im Römerbrief heißt es: „Die Sünde wird nicht herrschen können über euch, weil ihr ja nicht unter dem Gesetz seid, sondern unter der Gnade.“ Röm 6:14. Die Gnade, die uns befähigt, Versuchungen zu überwinden, ist ein Zeichen für das göttliche Wirken in uns. Wenn wir uns diesem heiligen, tragenden Einfluß nicht verschließen, verliert der Wunsch, ein Partyhecht zu sein oder bei Freunden auf diese Weise Anerkennung zu finden, an Bedeutung im Vergleich zu dem, was wir erahnen von „der herrlichen Freiheit der Kinder Gottes“ Röm 8:21..
Selig ist der Mann, der die Anfechtung erduldet;
denn nachdem er bewährt ist,
wird er die Krone des Lebens empfangen,
die Gott verheißen hat denen, die ihn liebhaben.
Jakobus 1:12