„Seid So Gut und haltet die Rede, wie ich sie euch vorsagte, leicht von der Zunge weg.“ Wenn man eine wirkungsvolle Rede halten will, dann gibt es wohl kaum einen besseren Rat als den, den der Prinz im 3. Akt von Hamlet den Schauspielern gibt. Laut Hamlet sollte man aber nicht nur klar und deutlich sprechen, sondern auch Gebärden und Gefühle sorgsam unter Kontrolle halten, denn — so sagte er — „ihr müßt euch eine Mäßigung zu eigen machen, die [der Rede] Geschmeidigkeit gibt.“
Aber was nützt einem dieser Ruf nach Mäßigung beim Sprechen, wenn man wie festgeleimt auf seinem Stuhl sitzt und absolut kein Wort herausbekommt! Ich kenne diesen Zustand nur allzu gut. In meiner Schulzeit, in den Jahren an der Universität und auch zu Beginn meiner Kirchenmitgliedschaft wäre ich eher aus dem Raum geflohen, als daß ich vor anderen gesprochen hätte. Zuerst kam es mir gar nicht in den Sinn, daß ich diese Furcht durch Gebet überwinden könnte. Ich brauchte dringend mehr Selbstvertrauen, aber da ich so sehr mit mir selbst beschäftigt war, übersah ich die grenzenlosen Mittel und Wege unseres unendlichen Vater-Mutter Gottes, dessen Fürsorge gerade ein Skeptiker, wie ich es in meiner Jugendzeit war, so dringend nötig hat.
In der Heiligen Schrift finden wir ein besonders hilfreiches Beispiel für solch liebevolle Unterstützung. Im zweiten Buch Mose wird berichtet, daß Gott Mose dazu berief, die Kinder Israel aus der Knechtschaft der Ägypter zu befreien. Mose fühlte sich außerstande, diesen Auftrag auszuführen. Er behauptete, daß er dazu nicht beredt genug sei. Gott sagte: „So geh nun hin: Ich will mit deinem Munde sein und dich lehren, was du sagen sollst.” 2. Mose 4:12. Weiter wies der Herr darauf hin, daß auch für Moses Bruder Aaron Hilfe da sei: „Ich will mit deinem und seinem Munde sein und euch lehren, was ihr tun sollt.” 2. Mose 4:15.
Diese unbegrenzte Hilfe steht auch uns heute jederzeit zur Verfügung, wenn wir uns auf unserem sehr viel bescheideneren Weg durch Klassenzimmer, Büros, Säle und Kirchen die Fähigkeit wünschen, uns gewandter auszudrücken. Es geht dabei gar nicht darum, die menschliche Persönlichkeit herauszustreichen oder ein marktgerechtes Image zu pflegen, sondern darum, die Eigenschaften unseres Schöpfers lebendiger zum Ausdruck zu bringen. Bei diesem Bemühen ist uns Christus Jesus in Wort und Tat das beste Beispiel.
In Wissenschaft und Gesundheit schreibt Mrs. Eddy: „Der Mensch ist der Ausdruck vom Wesen Gottes. Wenn es je einen Augenblick gegeben hat, wo der Mensch die göttliche Vollkommenheit nicht zum Ausdruck gebracht hat, dann hat es einen Augenblick gegeben, wo der Mensch Gott nicht ausgedrückt hat, und infolgedessen eine Zeit, wo die Gottheit ohne Ausdruck, d.h. ohne Wesenheit gewesen ist.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 470. Dieser Satz macht nicht nur deutlich, daß wir in unserem wahren Wesen Gottes Ebenbild sind, sondern auch, daß es unsere Pflicht ist, das Wesen Gottes immer besser auszudrücken — „bekanntzumachen, offenbar werden zu lassen“, wie der Begriff in einem Wörterbuch erklärt wird.
Wie unbedeutend auch der Anlaß zu sein scheint, bei dem wir genötigt sind, anderen einen Sachverhalt wirkungsvoll darzustellen — unser wahrer Auftrag ist immer, die geistige Vollkommenheit von Gott und Mensch offenbar werden zu lassen. Es gibt nur einen Gott, einen Schöpfer, und nur eine Schöpfung — das makellose Bild Gottes, das Ihn in unendlich vielfältiger Individualität ausdrückt. Und wenn wir erkennen, daß das Sein des Menschen jetzt und immerdar als Idee im Gemüt, in Gott besteht, wird uns auch klar, daß der Mensch die Natur des Gemüts offenbar werden lassen muß. Minderwertigkeits- oder Überlegenheitsgefühle, Stolz, Vorurteil, Haß und dergleichen sind falsche Annahmen, die sich nur im sterblichen oder fleischlichen Gemüt ausdrücken. Und das fleischliche Gemüt bzw. die fleischliche Gesinnung bezeichnet der Apostel Paulus als Feindschaft gegen Gott und als etwas, was dem Gesetz Gottes nicht untertan ist. Siehe Röm 8:7. Die Christliche Wissenschaft entlarvt dieses falsche Bild oder diese bloße Vorspiegelung von Intelligenz.
König David riet seinem Sohn Salomo: „Sei getrost und unverzagt. .. ! Fürchte dich nicht und laß dich nicht erschrecken! Gott der Herr, mein Gott, wird mit dir sein und wird die Hand nicht abziehen und dich nicht verlassen, bis du jedes Werk für den Dienst im Hause des Herrn vollendet hast.“ 1. Chr 28:20. Wenn wir diese Zusagen annehmen, als seien sie ganz persönlich an uns gerichtet, dann verschwinden Aufregung oder Unsicherheit, und an ihre Stelle tritt das Verständnis der Nähe Gottes und Seiner immer verfügbaren Allmacht. Auf diese Weise werden wir befähigt, uns zu erheben und wertvolle Gedanken an andere weiterzugeben.
Aber wir können uns nicht von ganzem Herzen an Gott um Hilfe wenden, wenn wir nur mit uns selbst beschäftigt sind — mit dem, was wir als die Umstände, als unsere Schwächen und unsere Unsicherheit ansehen. Diese Dinge sind die Folge einer falschen Auffassung von uns selbst. Wir glauben, wir hätten ein persönliches Ich, das unaufhörlich beachtet werden will — besonders wenn es sich mit einer ganzen Reihe von Unzulänglichkeiten quält. Manchmal redet es uns sogar ein, es sei ein demütiges, frommes Selbst, das man sich bewahren sollte. Aber wir müssen das sterbliche Ich nicht beobachten, analysieren und versuchen, es zu verbessern. Vielmehr wird von uns gefordert, es abzulegen und gegen unser wahres Ich als Ausdruck Gottes einzutauschen.
Der einzig wirksame, heilende Weg, von der dauernden Beschäftigung mit dem sterblichen Ich wegzukommen — sei es nun zu wenig selbstbewußt oder überheblich oder sonstwie gestört —, ist, sich gar nicht mit diesem Ich auseinanderzusetzen, weder mit einer „guten“ noch mit einer „schlechten“ Persönlichkeit. Wir müssen den Gedanken schätzen, daß wir Gottes vollkommene Widerspiegelung sind, müssen uns für dieses wahre Selbst einsetzen, es lieben und alles andere dafür aufgeben.
In meiner Studienzeit erkannte ich Schritt für Schritt, daß Schüchternheit, Empfindlichkeit und Gefühle der Unzulänglichkeit kein Teil meines wahren Selbst sind und ersetzt werden müssen durch die Wahrheit über den geistigen Menschen, dem immer die göttlichen Kräfte der Ausgeglichenheit und Beherrschung zu Gebote stehen. Einmal machte mich eine Hochschullehrerin auf ein Eisteddfod aufmerksam — eine Festveranstaltung mit Wettkämpfen im öffentlichen Sprechen, die von Schauspiellehrern in unserer Gegend ausgeschrieben worden waren. Und sie meinte, es wäre doch großartig, wenn ich den vielen tausend Teilnehmern aus den verschiedenen Hochschulen unserer Provinz etwas von meiner Liebe zu Shakespeare vermitteln könnte.
„Seien Sie aber nicht darauf aus, einen der tollen Buchpreise zu gewinnen, die ausgesetzt worden sind, sondern setzen Sie sich nur zum Ziel, anderen Freude zu machen“, betonte sie. Sechs Wochen später stand ich mutterseelenallein in Wams und Pluderhose auf einer kahlen Bühne und rezitierte Hamlets Ratschläge vor einer imaginären Truppe von Wanderschauspielern. Tiefe Dankbarkeit für das, was mir Gott gegeben hatte, überflutete mich und löschte jedes Verlangen aus, nur mich selbst hervorzutun. Ich fand, meine Worte kamen „leicht von der Zunge weg“, sie waren erfüllt von Geschmeidigkeit und Mäßigung — und ich denke, Hamlet wäre stolz auf mich gewesen!
Die Tatsache, daß ich an diesem Abend einen der Buchpreise gewann, war für mich unwichtig im Vergleich zu der Freiheit, die ich daraufhin erlangte: Ich konnte meine Dankbarkeit mit den Mitgliedern meiner Zweigkirche der Christlichen Wissenschaft teilen — und habe in der Folgezeit bei Aufführungen unseres hiesigen Theatervereins viele Rollen gespielt. Ich wurde frei durch die Entdeckung, daß es ganz natürlich für uns ist, Gott bei jedem richtigen Vorhaben mit Würde und Ausgeglichenheit zum Ausdruck zu bringen.
