mit über seine Erfahrungen als Christlicher Wissenschafter in einem Zeitraum von mehr als sieben Jahrzehnten.
Wie haben Sie, Herr Kirchhoff, die Christliche Wissenschaft kennengelernt?
Ich hatte gerade 1924 die Volksschule verlassen und eine Lehre begonnen, als meine Eltern durch meine ältere Schwester zu einer Lesegruppe der Christlichen Wissenschaft in Halberstadt kamen. Meine Schwester war zuvor durch die Christliche Wissenschaft von einer Nervenkrankheit geheilt worden. Im selben Jahr begann diese Gruppe öffentliche Gottesdienste abzuhalten, die ich auch besuchte.
Was hat Sie zu dieser Zeit von der Christlichen Wissenschaft angesprochen?
Ich hatte mich schon als Kind sehr für Religion interessiert und liebte auch die Bibel. In der Christlichen Wissenschaft lernte ich nun eine klarere Auslegung der Bibel und der Lehren Christi Jesu kennen. Das veranlaßte mich, das Lehrbuch der Christlichen Wissenschaft, Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift von Mary Baker Eddy, gründlicher zu studieren.
Mit den Jahren wurde das Studium intensiver. Ich hatte nun eine beweisbare Religion gefunden und erzählte davon auch meinen Schriftsetzerkollegen am Arbeitsplatz. Sie warfen mir vor, daß ich mich als „aufgeklärter Mensch" mit religiösen Fragen befaßte. Doch ich ließ mich nicht irritieren, denn ich sah Beweise, daß die Christliche Wissenschaft heilt.
Können Sie ein Beispiel nennen?
Nach mehreren Jahren, als mein Verständnis von der Christlichen Wissenschaft und vom heilenden Christus sich vertieft hatten, arbeitete ich mit einem Kollegen zusammen, der meine Religion als eine beweisbare Wissenschaft anzweifelte. Er wollte meine Überzeugung auf die Probe stellen. Er wies mich auf einen anderen Mitarbeiter hin, der im Ersten Weltkrieg verwundet worden war und unter Schmerzen litt. Wir kamen ins Gespräch, und er bat mich, daß ich für ihn beten solle. Nach einigen Tagen wurde er gefragt, wie es ihm ginge und ob er sich besser fühle. Er bestätigte, daß die Schmerzen bereits fast verschwunden seien, worauf mir der zweifelnde Kollege zu diesem Beweis freudig gratulierte. Beim Beten für diesen Mann hatte ich verstanden, daß Verletzung und Schmerz keinen göttlichen Ursprung haben, sondern nur in der menschlichen Annahme bestehen. Dieses Verständnis bewirkte die Heilung. Ich war damals Gott von ganzem Herzen dankbar (und bin es noch heute), daß Er diesen Beweis Seiner steten Gegenwart bekundete. Ich wurde dann Mitglied Der Mutterkirche.
In den dreißiger Jahren wurden Sie arbeitslos. Wie hat Ihnen da die Christliche Wissenschaft geholfen?
In meiner Arbeitslosigkeit hielt ich daran fest, daß eine geistige Idee, also der von Gott geschaffene Mensch, nicht arbeitslos ist. Er spiegelt Gott wider, der immer aktiv ist. So nahm ich an Kursen teil, um mich weiterzubilden. Ich begann Englisch zu lernen und beschäftigte mich mit darstellender Geometrie und bekam eine neue Arbeit im Flugzeugbau. Da ich mich immer als tätig gesehen hatte — ob durch die Kurse, an denen ich teilnahm, oder auf sonstige Weise —, konnte ich das Gelernte nutzen, wurde fest eingestellt und konnte mich bis zum Detailkonstrukteur emporarbeiten. Das war für mich der Beweis, daß ich als Gottes geistiger Mensch die göttliche Intelligenz widerspiegele.
Wie waren Sie in der Kirche tätig?
Da ich Mutterkirchenmitglied war, wurde ich auch in der christlich-wissenschaftlichen Vereinigung in Halberstadt zur Mitarbeit herangezogen. Diese Aufgabe machte mir Freude und veranlaßte mich, ernster in die Lehre einzudringen. So wurde ich mit der Zeit Schatzmeister, Vorsitzender des Vorstands und Zweiter Leser. Nachdem ich am Klassenunterricht in der Christlichen Wissenschaft teilgenommen hatte, wurde ich auch zum Ersten Leser gewählt. [Unter Klassenunterricht versteht man einen zwölftägigen Kurs bei einem autorisierten Lehrer der Christlichen Wissenschaft. Anm. d. Red.] Dieses Amt veranlaßte mich, die Bedeutung der Bibel und des Lehrbuchs tiefer zu erfassen. Dadurch wurde ich ganz besonders gesegnet.
Wie hat sich das Verbot der Christlichen Wissenschaft durch die Nationalsozialisten für Sie ausgewirkt?
Öffentliche Gottesdienste fanden nicht mehr statt. Zahlreiche Christliche Wissenschafter wurden inhaftiert und einige sogar in Konzentrationslager gebracht. Mit zwei anderen Christlichen Wissenschaftern hielt ich im Gefängnis daran fest, daß die göttliche Gerechtigkeit herrscht und daß Gott diese Herrschaft nicht abtritt. So wurden wir nach neun Tagen wieder entlassen. Die christlich-wissenschaftlichen Schriften waren uns genommen worden, doch die geistige Wahrheit, die wir aufgenommen hatten, stand uns zur Verfügung. So konnten wir den Geist der Wissenschaft auch ohne den „Buchstaben" weiter leben.
Wie ging es für Sie im Zweiten Weltkrieg weiter?
Ich hatte immer den festen Standpunkt eingenommen, daß der Krieg im göttlichen Gemüt nicht existiert. Mein Gedanke war, niemanden töten zu wollen. Um so überraschter war ich daher, daß ich im dritten Kriegsjahr zum Wehrdienst einberufen wurde. Ich konnte die Einberufung zunächst nicht als göttliche Führung sehen. Ich wurde einer Einheit in Nordnorwegen zugeteilt, wo ich fernab vom Kriegsgeschehen blieb. Hier hatte ich Gelegenheit, für den Frieden zu beten, und ich erlebte die Schönheit der Polarregion. So zeigte sich doch, daß ich richtig geführt worden war, denn ich war aus der Gefahrenzone in Deutschland herausgenommen worden.
Was geschah nach dem Krieg?
Ich hatte geheiratet und mußte nun für die Familie sorgen. Ich hatte mich als Ausüber ganz in den Dienst meiner Religion gestellt und hatte keine weiteren Einnahmen. [Ausüber der Christlichen Wissenschaft widmen sich der Aufgabe, anderen durch Gebet beizustehen. Sie tun dies ganztägig und gehen keinem anderen Beruf nach. Anm. d. Red.] Dies erforderte volles Vertrauen auf Gottes Fürsorge und Versorgung, und hier erlebte ich auch, daß Gott uns in jeder Lage hilft. Unsere Versorgung wurde auf unterschiedlichste Weise gesichert. Einmal, als ich in Bedrängnis war, um das Wirtschaftsgeld aufzubringen, flatterte mir auf einer Chaussee sogar ein Zwanzigmarkschein entgegen. Das erschien mir als Gottesgeschenk. Jede Erfahrung, auch die Mitarbeit in der christlich-wissenschaftlichen Vereinigung, stärkte mich in dem absoluten Vertrauen auf Gott.
Während der Teilung Deutschlands wohnten Sie in der damaligen Deutschen Demokratischen Republik. Wie haben Sie dort Ihre Freiheit bewahrt?
In der DDR war die öffentliche Betätigung der Christlichen Wissenschaft verboten, aber die Bücher waren uns belassen. So studierte ich die christlich-wissenschaftlichen Wochenlektionen aus dem Vierteljahrsheft der Christlichen Wissenschaft weiter. Die Zitate beschaffte ich mir illegal, denn die Einfuhr der Vierteljahrshefte war verboten. Diese Zitate wurden an diejenigen weitergegeben, die nach dieser geistigen Speise hungerten. Auch andere Christliche Wissenschafter handelten so wie ich, so daß dieses Bedürfnis in der DDR gestillt wurde. Da ich mich nun nicht mehr als Ausüber der Christlichen Wissenschaft öffentlich betätigen konnte, übte ich — bis zum Beginn meines Rentenalters — meinen erlernten Beruf wieder aus. Wenn jemand christlich-wissenschaftliche Hilfe brauchte, war ich bereit, für ihn zu beten. Denn ich vertrat den Standpunkt, daß Beten nicht verboten ist. Ich nahm natürlich keine Bezahlung an, denn dann hätte ich mich strafbar gemacht. Gegen Geschenke war aber nichts einzuwenden, weil sie ein Ausdruck der Dankbarkeit waren.
Natürlich wollte ich an den jährlichen Schülertagen teilnehmen, zu denen die Absolventen des Klassenunterrichts mit ihrem Lehrer zusammenkommen, und dazu mußte ich in die BRD reisen. Es wurde versucht, mich daran zu hindern und mir für die betreffende Zeit keine Genehmigung zu erteilen. Doch setzte ich mich durch und nahm in der Folgezeit immer daran teil.
Als durch Verhandlungen mit der DDR-Regierung die Erlaubnis erteilt wurde, christlich-wissenschaftliche Literatur einzuführen, die uns Die Mutterkirche gratis schickte, hatte ich den Wunsch, mich für diese Geschenke dankbar zu erzeigen. So kam ich der Aufforderung im Herold nach, für unsere Zeitschriften Artikel zu schreiben. Und ich erlebte, wie die DDR-Regierung am 2. November 1989 die Christliche Wissenschaft als Religionsgemeinschaft offiziell anerkannte und somit alle Beschränkungen für unsere Religion wieder aufgehoben waren.
Ich habe im Laufe des Lebens an der Christlichen Wissenschaft schätzengelernt, daß sie uns in jeder Situation die Ideen gibt, die uns zum Erfolg führen. Alle Schwierigkeiten, die ich zu überwinden hatte, waren stets zum Segen und brachten mich im Verständnis der Wirklichkeit des geistigen Seins voran. Und ich danke Gott für die Führung, die ich erlebt habe. Ihr werde ich mich auch weiterhin anvertrauen.
