Viele Menschen beklagen sich heutzutage darüber, dass Nächstenliebe und Selbstlosigkeit aus der Mode gekommen wären. Wer die spitzesten Ellenbogen hätte, käme am weitesten. Eine verhängnisvolle Illusion.
Im Gegensatz dazu steht die These, dass das Empfinden, ja das Wissen, dass Gott jeden Menschen gleichermaßen liebt, heilt. Die Bibel zeigt den Menschen als Idee, als von Gott erdachtes, vollständig ausgestattetes, sicher behütetes und geliebtes Wesen. Es befindet sich stets in der göttlichen Gegenwart, im Reich der Liebe, der Wärme, der Geborgenheit.
Das ist keine bloße Theorie. Wir können es im täglichen Leben erfahren, wenn wir in unserem Gegenüber dieser Idee Gottes begegnen. Eingefahrene Gleise halten uns nicht länger im gewohnten Trott. Alles kommt wieder in richtige Bahnen.
Ich kenne eine Frau, die hatte mit ihrem Mieter große Probleme. Seit mehreren Monaten war die anstehende Miete nicht bezahlt worden. Es gab große Auseinandersetzungen, grobe Beschimpfungen bis die beiden Parteien total zerstritten waren und es nun per Rechtsanwalt weiterging, ohne Erfolg.
Die Lage war total verfahren. Eines Tages wurde mir die ganze Lage geschildert. Darauf sagte ich dieser Frau spontan: „Sie müssen diesen Mieter lieben. Er will gewiss so auch nicht sein.” Damit meinte ich natürlich nicht, dass sie ihn nun umarmen und küssen sollte. Es war mehr als Aufforderung gedacht, mal einen anderen Blickwinkel einzunehmen und ihm zuzutrauen, dass er sein Verhalten auch ändern könnte. Mit dem durchschlagenden Erfolg, dass ich jetzt die ganzen Beschimpfungen abbekam. „Diesen Mann kann man nicht lieben!” — und der Hörer wurde eingehängt.
Irgendwie musste ich lachen. Wie gut und tröstlich zu wissen, dass jeder Mensch Gottes geliebte Idee ist. Und wie gut, dass bei dieser Betrachtung Lösungsmöglichkeiten sichtbar werden, die bereits vorhanden sind.
In einem interessanten Buch von Mary Baker Eddy Nein und Ja ist zu lesen: „, In Ihm leben, weben und sind wir’; folglich ist es unmöglich für den wahren Menschen — der ein in der ewigen Wissenschaft des Seins erschaffenes geistiges und individuelles Wesen ist — sich irgendetwas anderem als des Guten bewusst zu sein” (Nein und Ja, S. 17:9).
Ich empfand es als meine Pflicht, mir dieses Gute als einzige Schöpfung ins Bewusstsein zu rufen. Und ich empfand große Freude dabei. Ich konnte mich von diesem äußeren „Streit-Bild” wie von einem nächtlichen Traum losmachen. Dank Mary Baker Eddys Werken gibt es einen unbeschreiblichen Schatz, eine geistige, wissenschaftliche Sichtweise praktisch anzuwenden und die Wirkungen gesetzmäßigen Denkens zu erfahren.
Nun noch einmal kurz zu dieser Geschichte.
Innerhalb von wenigen Tagen hatte sich alles geklärt. Die ersten Worte der Dame beim nächsten Telefonat waren nun: „Ich habe den Mieter im Licht der Liebe gesehen.” Alles hatte sich geregelt. Die Mieten waren nachgezahlt worden. Aber das Wichtigste war, die Harmonie war auf wunderbare Weise wiederhergestellt.
Die Blockade des Nicht-lieben-Könnens war gelöst worden. Gott ist Liebe. So sagt die Bibel. Und der Mensch ist Seine Widerspiegelung. So heißt es in Wissenschaft und Gesundheit. Hier sehen wir, dass Gott sich ausdrückt — gerade auch da, wo wir sind — als Liebe.
Es gibt sicher viele Dinge, die sich unbemerkt lösen. Und manchmal sehen wir in Ehrfurcht zu, wie sich etwas löst, ganz ohne Anstrengung. Außer unserer Bestimmtheit und Standfestigkeit, dass es eine Lösung geben wird. Aber gelegentlich werden wir um Hilfe gebeten bei einem Thema, das sich nicht unbemerkt löst, sondern eher mit großem Aufruhr einhergeht. Dann seinen Nächsten, Nachbarn, Freund als göttliche Idee zu identifizieren, ihn mit göttlichen Eigenschaften ausgestattet zu sehen — bis kein Bewusstsein von Begrenztheit mehr vorhanden ist — ist ein wunderbares Privileg. Und eine große Befreiung für alle Beteiligten. Christus Jesus teilt uns dazu Folgendes mit: „Ich und der Vater sind eins” (Joh 10:30). In diesem Einssein sind wir sicher und geborgen. Nichts kann uns dieses Ur-Empfindens berauben oder dieses Einssein auslöschen.
In dieser Erkenntnis erleben wir mehr Freiheit, mehr Harmonie. Unser Wahrnehmungsvermögen wird klar. Lösungen werden sichtbar. Wege zeichnen sich ab. Und „Liebe inspiriert, erleuchtet und führt den Weg.” 3 Diese Liebe für jeden zu empfinden führt zum Ziel.
