Es gibt ein Kinderbuch, das erzählt von einem Adler, der als Vogeljunges von einem Bauern gefunden und mit auf seinen Hof genommen worden war. Er setzte ihn zu den Hühnern, die ihn bald als einen der ihren betrachteten. Er wuchs dort zu einem wunderschönen großen Adler heran, ernährte sich aber wie sie von den Körnern, die der Bauer ihnen vorwarf.
Nun kam eines Tages ein Mann zu Besuch zu dem Bauern. Als er den Adler inmitten der Hühner sah, fragte er den Bauern, ob er denn wisse, was für einen Vogel er dort habe. Das sei doch ein Adler. „Ja, ja!” erwiderte der Bauer, „ich weiß. Aber er ist mit den Hühnern aufgewachsen und ist nun ein Huhn.” Der Mann widersprach. Ein Adler sei immer ein Adler und er würde es ihm beweisen. Er versuchte zweimal, den Adler zum Fliegen zu bringen: erst hielt er ihn auf der Faust hoch über die anderen Tiere, dann stieg er aufs Dach des Bauernhauses und forderte den Adler beschwörend auf zu fliegen. Aber der Adler hüpfte nur immer wieder zu den Hühnern herunter.
Schließlich nahm der Mann eines Morgens den Adler und kletterte mit ihm auf einen sehr hohen Berg. Er hielt den Adler in die aufgehende Sonne und rief: „Adler! Du bist ein Adler! Du bist frei! Fliege hinauf in den Himmel!” Nach kurzem Zögern ging ein Zittern durch den Körper des Adlers. Dann breitete er seine großen Schwingen aus und flog mit dem Schrei eines Adlers hoch hinauf in den Himmel und kam niemals wieder zurück.
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