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„Ich hätte drei Männer verlieren können, aber kein Kind"

Aus der Mai 2003-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft

Herold-Radio-Interview


Ich habe vor vielen Jahren so sehr im Dunkeln gelebt. Ich war nach außen mehr oder weniger glücklich und war stolz, dass ich alle Lasten tragen konnte. Aber mein Problem bestand darin, dass ich Liebe und Geborgenheit suchte. Dann fand ich eines Tages einen Menschen, der mir das alles geben konnte. Und dann fing ich mit ihm ein Verhältnis über einige Jahre an. Aber es brachte mir kein wahres Glück.

Sind Sie mit diesem Mann zusammengezogen?

Nein, ich bin nicht mit ihm zusammengezogen. Er wohnte einige Kilometer weg und ich war abends dort und am Tage war ich zu Hause und hab da meine Arbeit gemacht. Und mein Mann war auch damit einverstanden, denn er merkte, dass ich mehr arbeiten konnte.

Sie waren also zu der Zeit verheiratet?

Ich war verheiratet, ich hatte drei Kinder. Meine Familie hatte keine Einwände, dass ich da hinging. Ich hatte auch immer gebetet und ich fand, es war eine göttliche Fügung. Ich hatte doch ein Recht auf Liebe.

Aber dann hatte ich Selbstmord-versuche hinter mir und da gab mir ein Verwandter das Buch Wissenschaft und Gesundheit. Ich las es sofort durch bis zu folgender Stelle: „Wäre das Dasein ohne persönliche Freunde leer für dich? Dann wird die Zeit kommen, in der du einsam und ohne Mitgefühl sein wirst; aber dieses scheinbare Vakuum ist bereits von göttlicher Liebe erfüllt. Wenn diese Stunde der Entwicklung kommt, wird die geistige Liebe dich zwingen, das zu akzeptieren, was dein Wachstum am meisten fördert, selbst wenn du an der Auffassung von persönlichen Freuden festhältst" (Wissenschaft und Gesundheit, S. 266).

Aber der Mann, den Sie besuchten, gab Ihnen ja Liebe, die Sie erfüllte.

Ja, ja. Also, ich war noch nie so glücklich in meinem Leben, wie zu dieser Zeit. Aber ich wusste auch, dass es Ehebruch war. Und das konnte nicht glücklich machen.

Ich musste zur Entscheidung kommen, entweder zu dem einen oder zu dem anderen zu gehen. Ich stand unter dieser Spannung. Ich konnte nicht auf zwei Hochzeiten tanzen. Als ich in Wissenschaft und Gesundheit las, war mir immer wieder klar: „Du musst dich entscheiden." Das fiel schwer.

In dieser Zeit des Ringens besuchte ich dann eine christlich-wissenschaftlichen Vereiningung, aber ich fand noch keine Entscheidung. Ich wollte auch nicht aufgeben. Ich wollte auch nicht ganz wieder zurück, weil das so trostlos war.

Hat Ihre Familie in dieser Zeit etwas von Ihrem inneren Ringen und Kämpfen mitbekommen?

Nein, nie.

Ich hab mich dann entschlossen, zu meiner Familie zurückzugehen. Ich habe noch mal ein letztes Treffen mit dem Bekannten gehabt, um Abschied zu nehmen, um zu sagen, dass es mein Entschluss sei, zurückzugehen, meine Familie brauche mich.

In den Stunden, in denen ich mit ihm zusammen war, da hörte ich in mir die Worte: „Ich gehe zum Vater." Und da wusste ich, dass ich mich recht entschieden hatte. Ich war zufrieden.

Und als ich dann nach Hause kam, waren zwei meiner Kinder und mein Mann da und erzählten mir, dass gerade unser jüngster Sohn tödlich verunglückt ist. Und dann fing mein Kampf an. Selbstvorwürfe. Ist es jetzt eine Strafe? Und ich fing an, mit Gott zu hadern. Gerade jetzt, wo ich mich entschlossen hatte, doch wirklich wieder einen normalen Weg einzuschlagen, wurde mir das jüngste Kind genommen. Ich konnte es einfach nicht glauben, dass das Gottes Wille sei. Das kann nicht Gottes Wille sein, dass Er der Mutter ein Kind nimmt. Es kann auch nicht Gottes Wille sein, dass Er ein junges Leben auslöscht.

Diese Worte „Ich gehe zum Vater" waren eigentlich der Einstieg in ein ganz neues Leben. Sie ließen mich darauf vertrauen, dass es einen Weg gibt, den ich noch nicht kenne und ich bat darum, dass Gott ihn mir zeigte. Ich betete. Und vor allem las ich viel. Jede freie Minute habe ich gelesen und gelesen.

Hat Ihre Familie Sie in dieser Zeit unterstützt?

Nein, das hat sie nicht. Mein Mann war Kirchenvorsteher bei der lokalen Kirche und jeder sagte: „Das geschieht dir recht. Gott straft dich jetzt." Alle Freunde fielen ab, sie hielten zu meinem Mann, ich stand alleine da.

Ich fuhr zu meiner Christian Science Kirche, das war immer 100 Kilometer hin und 100 zurück. Manches Mal hatte sich mein Mann hinter das Auto gelegt, so dass ich nicht aus der Garage kam. Also, es gab sehr viel Widerstand. Aber diese langen Touren waren ein Segen.

Es gab kein Zurück, es gab nur ein Vorwärts. Und dann wurde ich Mitglied in dieser Kirche.

Wenn Sie so viel investieren, dass Sie 200 Kilometer in einen Gottesdienst fahren, dann muss der Glaube für Sie etwas sehr Wichtiges geworden sein.

Irgendwas ist da gewesen, was immer so die treibende Kraft gewesen ist. Wenn man einen Garten hat, muss man den Boden vorbereiten ehe man ackert. Und mein Boden war von Kindheit an nicht vorbereitet. Dadurch — so sehe ich es heute — musste ich vieles erleben, um andere zu verstehen.

Heute kann ich mitfühlen. Ich suche nicht mehr das Glück, sondern ich kann glücklich machen. Das ist jetzt der Unterschied. Ich kann trösten, ich kann helfen.

Was ist passiert, dass es Ihnen möglich gemacht hat, jetzt helfen oder geben zu können.

Also, die Hilfe muss von Gott gekommen sein, direkt von Gott, denn ich hatte wirklich keinen Menschen. Hin und wieder habe ich einen Christian Science Praktiker gefragt, mich mit Gebet zu unterstützen. Aber dieses Ringen, das musste ich alleine.

Das Erlebnis mit dem Kind war die Herausforderung. Ich wollte wissen: „Was steht dahinter? Was ist Gott? Was ist der Mensch?" Und ich lernte, der Mensch ist die Idee, der Ausdruck Gottes.

Ich hatte kein Auto, ich hatte kein Geld, aber ich wollte zur Kirche. Und von zu Hause bekam ich keine Unterstützung. Aber es gab einen Verwandten, der sagte: „Ich hab noch ein bisschen Geld auf der Kasse, kauf dir ein Auto." Dann hatte ich ein Auto!

So war immer wieder die Hilfe da, sodass ich wusste: „Das muss der Weg sein."

Wie hat Ihnen Ihr geändertes Denken über den Menschen geholfen, einen neuen Blick über Ihren verstorbenen Sohn zu bekommen?

Ich musste lieben lernen. Ich erkannte, dass alle Menschen Gottes Ideen sind. Ich hörte auf, Kritik zu üben. Ich hatte gedacht, ich würde nicht hassen. Aber dann wurde mir bewusst: Wenn ich einen Menschen nicht mag, dann ist das schon eine Art von Hass. Und bei Gott gibt es das nicht.

Wie denken Sie heute über Ihren Sohn?

Die Trauer und der Kummer standen wie Bluthunde vorm Denken, um irgendwo ein Schlupfloch zu finden. Aber ich konnte es mir nicht erlauben, traurig zu sein.

Ich muss jetzt schon sagen: Ich hätte drei Männer verlieren können, aber kein Kind. Das hat schon zum Denken angeregt.

Heute denke ich, dass mein Sohn als Gottes Schöpfung seinen Platz hat, an dem er immer gewesen ist. Leben ist Gott und das ist niemals begrenzt. Die Liebe, die dieses Kind ausgedrückt hat, die er mir gegeben hat, die ist geblieben.

Als die Kinder kleiner waren, bin ich oft in Hamburg gewesen. Sie haben nach England im Austausch Schülerfahrten mit dem Schiff gemacht. Man sieht die Schiffe kleiner und kleiner werden. Da könnte man glauben, dass die Schiffe untergehen. Das hab ich natürlich nicht gedacht. Ich wusste: Die Kinder kommen wieder.

Und das war ein Trost für mich. Ich wusste: Das Schiff und die Besatzung sind unverändert. Wie sie weggefahren sind, so kommen sie auch an.

Hat Ihre Familie gemerkt, dass sich in Ihnen etwas geändert hat? Dass Sie vielleicht Ihre Depressionen verloren haben, oder mehr Selbstbewusstsein bekommen haben, mehr Zufriedenheit?

Das haben sie gemerkt. Sicherlich. Zu Beginn hat mein Mann wohl gehofft, dass die alte Beziehung wieder auflebt. Ich habe oft zu hören bekommen: „Du bist ja mit Gott verheiratet. Du kennst mich gar nicht mehr."

Unsere Beziehung hat sich geändert. Heute leben wir wie Bruder und Schwester zusammen. Wir haben ein wunderbares Verhältnis. Mein Mann nimmt viel Rücksicht. Das ist sehr schön. Und ich glaube, das zählt mehr als die körperliche Liebe. Wir sind beide glücklich, aber anders, als es am Anfang war. Und wir haben uns schätzen gelernt, lieben gelernt.

Unsere Kinder haben inzwischen geheiratet und wir haben ein wunderbares Verhältnis mit den Schwiegertöchtern und auch mit den Eltern.

Haben Sie Ihre Erfüllung gefunden, die Sie vorher nicht hatten?

Ich hab meine Erfüllung gefunden. Ich muss jetzt auch nicht mehr alles auf meinen Schultern tragen. Das kann ich schön an Christus abgeben.

Meine Mutter, die damals schlecht über Christian Science gesprochen hat, kam vor einem Jahr vobei und sagte: „Weißt du, du hast da doch so ein Buch, das heilt. Gib mir das mal." Sie begann zu lesen.

Dieses ganze Erlebnis mit meinem Freund und meinem Sohn war ein totaler Wendepunkt. Ich bin einfach reifer geworden.

Ich stelle mir jemanden vor, der mit Depressionen zu kämpfen hat und sagt: Ich versuche ja Zufriedenheit im Leben zu finden, aber wo finde ich in mir den Glauben?

Im geistigen Hunger. Er ist in jedem da, jeder hat ihn, denn der Christus ist in jedem Menschen da.

Die Erinnerungen an das Dunkel, die sind immer sehr stark. Wenn ich dann weiß, dass der Christus das Licht ist, das immer alles heller macht, dann brauche ich nichts zu tun. Ich muss es nur wissen.

Und ich denke, so hat es in mir auch gewirkt. Das Licht hat sich Bahn geschaffen. Der Einstieg kam, als ich verstehen wollte, was Demut war. Als ich keinen Groll mehr haben wollte, kein Bewusstsein von irgendwelchen Schuldzuweisungen, als ich in jedem Menschen diese göttliche Liebe sah. Ich begann zu sehen, dass der Mensch im Kern wirklich rein und unschuldig ist.

Der weitere Lebensweg hat sich für unsere Gesprächspartnerin so gestaltet, sich vollberuflich der Christian Science Praxis zu widmen. Ihr Mann hat begonnen, sich für Christian Science zu interessieren und ist ebenfalls der Kirche beigetreten.

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