Das Titelbild der Oktober-Ausgabe (eine Sphinx), erinnert mich an eine Begebenheit in Kairo: Meine Frau und ich waren in einem Hotel am Roten Meer, als sich eine private Mitfahrgelegenheit nach Kairo ergab, um für einen Tag die Stadt, die Pyramiden und die Sphinx zu sehen. Das Gelände der Pyramiden und die unter dem Sand verborgenen Kammern mit den fast 4000 Jahre alten original erhaltenen farbenfrohen Wandgemälden waren tief beeindruckend, und eine längst vergangene Kulturepoche wurde für uns wieder lebendig.
Der Ägypter, der uns führte und auch deutsch sprach, setzte uns am Nachmittag am Eingang zum Basar ab, weil er noch etwas zu erledigen hatte, und wir vereinbarten einen Treffpunkt. Der Basar ist ein unbeschreibliches Gewirr von engen Gassen, Gerüchen, Farben, Menschen und Geschäften. Wir hatten Hunger und fanden den Schnellimbiss, den uns unser Begleiter empfohlen hatte und wo wir etwas Warmes zum Essen bekommen konnten. In dem düsteren Gewölbe saßen nur Einheimische an kleinen Tischen und wir waren die einzigen Fremden. Alle schauten auf uns. Wir waren so mit Freude erfüllt über den herrlichen Tag, dass wir jeden nur liebevoll ansehen konnten. Als wir das Essen bestellten, kam der Inhaber und sagte, es sei ihm eine große Ehre, dass wir sein Lokal besuchen und bot uns einen schönen Tisch an. In dieser finsteren Gegend fühlten wir uns im Moment so geborgen wie an keinem anderen Ort in der Welt.
Warum? Weil wir wussten, dass die Anerkennung und Wertschätzung eines jeden Menschen in seiner göttlichen Reinheit sich auf andere überträgt. Das spürt doch jeder, ganz gleich welcher Religion er angehört. Es begrenzt sich nicht nur auf diejenigen, die wir in unserem Umfeld kennen, sondern ist weltweit gültig.
Als ich dann den Artikel von Michael Pabst zum Titelbild las, fiel mir ein anderes Erlebnis ein: Meine Frau und ich waren auch unlängst mit einem Mietauto im Südwesten der USA unterwegs, um die außerordentlichen Schönheiten und Färbungen der Natur im Spätherbst zu erleben. Die gewaltigen Canyons, die Weite des Landes und die mächtigen Erhebungen sind unvergesslich. Da die Tage schon kurz waren, war es meistens dunkel, wenn wir anfingen, um nach einer Übernachtung in einem Motel zu suchen. Es war auch in einem Indianerreservat, wo wir an dem einen Abend ein Zimmer fanden. Auf die Frage nach einem Restaurant wurde uns ein Gebäude in der Nähe empfohlen. Im Finstern suchten wir zu Fuß den Weg (die Ansässigen fahren alle mit dem Auto) und kamen zu einer alleinstehenden Holzbude, die nicht sehr einladend aussah. Wie gewohnt blieben wir erst einen Moment am Eingang stehen, um zu hören, was Gott zu uns sagt, d.h. wir lassen uns von der Liebe führen, die uns ein Gefühl von »ja« oder »nein« gibt. Die Liebe sagte »ja« und so gingen wie hinein. Drinnen waren nur indianisch aussehende Menschen und wir setzten uns an einen Tisch. Sehr eingehend betrachteten wir den Raum mit vielen indianischen, kunsthandwerklichen Gegenständen und Bildern aus der Geschichte, ein Thema, das uns immer interessiert. Es waren dort auch Familien mit kleinen Kindern, die ihre Eltern fragten, wer wir sind. Alles war sehr einfach, aber wir spürten eine friedliche Atmosphäre. Wir wussten nicht, was wir bestellen sollten und die Bedienung empfahl uns liebevoll ein Gericht, was genau das richtige für uns war. Während wir aßen, fühlten wir wieder — wie so oft — diese Geborgenheit und Wärme, die von einer gegenseitigen Wertschätzung ausgeht.
Diese Begebenheiten fielen mir ganz spontan ein, als ich gerade den Oktober Herold zur Hand nahm.
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