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Ist Vergebung eine moralische Verpflichtung?

Aus der November 2005-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Absolut! Christus Jesus gab seinen Jüngern diese Verpflichtung mit auf den Weg in seinem Gebet, das die Christenheit heute das Gebet des Herrn nennt: »Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern«.

In den Monaten um den 60. Jahrestag des Kriegsendes wurde in den Medien viel über Schuld gesprochen, so dass dieses Wort wie mit großen Lettern im Raum stand. Und ich habe mich gefragt: wer oder was ist schuldig?

»Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.«

Es ist leicht den Finger zu erheben und Menschen oder Nationen für Fehler in der Vergangenheit fortwährend schuldig zu sprechen. Wo ist hier die Vergebung?

Menschliche, barmherzige Bemühungen genügen nicht. Geistige Vergebung ist nötig für eine gedankliche Umwandlung.

Es ist richtig, dass erlittenes Unrecht wieder gutgemacht werden muss, es muss geheilt werden. Menschliche Bemühungen sind unerlässlich, genügen aber allein nicht, auch wenn sie noch so barmherzig sind. Hier ist eine geistige Vergebung nötig, die uns eine gedankliche Umwandlung bringt, verbunden mit einem inneren Frieden, der alles auslöscht, was die Beziehungen zwischen den Menschen und zwischen Gott und Mensch belastet. Aber das kann nur der Christus im Bewusstsein eines jeden Einzelnen tun.

Trotzdem sollten wir Wache halten in unserem Bewusstsein, damit sich vergangene Fehler nicht wiederholen. Selbstgerechtigkeit tut keinem Menschen gut. Zu sagen »Wir sind die Guten, aber ihr die Bösen« erinnert mich an ein Spiel, das wir als Kinder spielten, aber es kam nichts Konkretes dabei heraus. Selbstgerechtigkeit ist ein großes Übel, weil es die Menschen blind macht für die wahre Natur des Guten. Demut, Dankbarkeit und selbstlose Liebe sind heilende Mittel gegen eine falsche »Ich-Bezogenheit«.

Hierzu schreibt Mary Baker Eddy in ihrem Hauptwerk Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift: »Das unsterbliche Gemüt heilt, was kein Auge gesehen hat, aber die geistige Fähigkeit, den Gedanken zu erfassen und durch die Macht der Wahrheit zu heilen, gewinnt man nur, wenn der Mensch nicht als selbstgerecht, sondern als Widerspiegelung des göttlichen Wesens erkannt wird.« (S. 179)

Die Bibel lehrt uns, dass der Mensch rein und unschuldig ist, weil Gott den Menschen zu seinem Bild und Gleichnis gemacht hat (1. Mose 1) und das ist der einzige Mensch, den Gott geschaffen hat. Dieser Mensch ist absolut gut, er ist gar nicht fähig, Böses zu tun, weil er sich aus geistigen Eigenschaften zusammensetzt.

Demut, Dankbarkeit und selbstlose Liebe sind heilende Mittel gegen eine falsche »Ich Bezogenheit«.

Wir dürfen uns weigern, mit einem Rucksack voller Schuldgefühle herumzulaufen, das würde uns nur beschweren. Wir dürfen jeden Tag neu und frisch erleben und uns unsere Freude am Guten und Schönen nicht nehmen lassen. Die unbewältigte Vergangenheit wollen wir nicht im Bewusstsein herumwälzen, denn wenn man die Erinnerung negativer Erfahrungen beständig mit sich herumträgt, läuft man Gefahr, dass die Probleme in größerer Heftigkeit wieder aufbrechen.

Menschliche Geschichte ist nur nützlich, wenn sie gute und aufbauende Erinnerungen an die Oberfläche bringt, aus denen man lernen kann. Es genügt nicht, großmütig zu sagen »Wir wollen alles vergangene Unrecht vergeben.« Erlittenes Unrecht kann man heilen. Es muss im Bewusstsein der Betroffenen aufgelöst und durch erbarmungsvolle Liebe ersetzt werden.

Erlittenes Unrecht kann man heilen.

Die geistige Geschichte birgt in sich die Gesetze des Guten und die bringen uns den ersehnten Fortschritt in allen Bereichen des menschlichen Lebens. Wir leben heute, nicht gestern und auch nicht morgen. Wir brauchen unsere Kraft, unsere Freude und unsere Gesundheit und Frische heute und hier, in der Gegenwart.

Schuldgefühle ebenso wie Hass, Frust oder Hassgefühle bringen Krankheit, Mangel und Begrenzung mit sich. Sie sind destruktiv und bringen Depressionen und Zerstörung. Das Heilmittel ist die Wärme der Liebe, Barmherzigkeit und Geduld mit der Wahrheit, die uns ein unaussprechliches Gefühl der Freiheit gibt. Eine Freiheit, die uns weit über menschliches Leid und Schmerz erhebt und einen Schimmer von der strahlenden Schönheit von Gottes wunderbarer Schöpfung erahnen lässt.

Ich hatte einen Stiefvater gehabt, der sehr streng war. Meine Kindheit war geprägt durch ununterbrochene Strafe für Dinge, die ich nie getan hatte. Ich vergoss viele Tränen darüber, weil man mir nicht glaubte, dass ich unschuldig war. Aber trotz meines kindlichen Schmerzes wuchs in mir eine Gewissheit, dass ich ja einen himmlischen Vater hatte, der alles wusste und der mir auch glauben würde. Dieser Gedanke tröstete mich oft über alles Leid hinweg.

Als ich dann erwachsen war und mein eigenes Leben lebte, dachte ich, nun würde ich frei sein. Doch das stimmte nicht. Das vergangene Unrecht in meiner Kindheit spukte einige Jahre noch in meinem Bewusstsein herum und ich fühlte mich für alles verantwortlich und schuldig, was immer Schlimmes in meiner Familie oder in meiner näheren Umgebung geschah, bis mir jemand eines Tages das Buch Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift von Mary Baker Eddy schenkte. Dieses wunderbare Buch kam zur rechten Zeit und öffnete mir die Augen. Ich erkannte, dass es noch ein anderes Leben gibt, ein Leben voller Glückseligkeit und Freude. Und ich wusste mit Bestimmtheit, dass all das Böse in meinem Leben niemals eine Daseinsberechtigung gehabt hatte.

Ich lernte, dass es nur eine Ursache und eine Wirkung gibt, der allerhabene Gott, das allmächtige Gute und Seine sehr gute Schöpfung. In diese Schöpfung konnte das Böse niemals eindringen. Durch ernsthaftes Studium bekam ich nach und nach ein neues Denken und ich sah, wie absurd es ist, an Fehlern der Vergangenheit festzuhalten, die niemals zu unserer wahren geistigen Identität gehört haben.

Ich musste mir selbst vergeben und auch dem Stiefvater, denn er hatte auch gute Eigenschaften in sich. Und ich erinnerte mich, dass er sogar in schweren Zeiten immer gut für die Familie gesorgt hatte. Als ich ihn nach Jahren wiedersah, war es eine gute und freundliche Begegnung.

Ich wusste mit Bestimmtheit, dass all das Böse in meinem Leben niemals eine Daseinsberechtigung gehabt hatte.

Die Menschen sollten einander vergeben. Das kostet keinen Cent. Und dann würde es auf unserer Welt noch schöner sein, und Frieden und Glückseligkeit wären die Norm. Die Sonne ist immer da. Auch wenn dicke Wolken am Himmel sind, so zweifeln wir doch nicht, dass sie wieder scheinen wird. So ist es mit der Liebe: die göttliche Liebe ist immer da. Auch wenn die Probleme noch so groß sind, gibt es doch immer eine Lösung, wenn man sich im Vertrauen an die eine große Macht des Guten wendet und nicht zweifelt.

»Vergib dem Bruder, so soll dir
vergeben sein! hör Jesu Wort,
O Mensch, es ändert deine Welt
macht dir zum Himmel jeden Ort.«

(Christian Science Liederbuch, Lied 163)

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