Liebe Leserinnen und Leser, heute möchte ich eine kleine Geschichte mit ihnen teilen: Die Lehre vom Schmetterling.
In einem Schmetterlingskokon erschien eines Tages ein kleines Loch. Ein Mann, der zufällig vorbei kam, blieb stehen und beobachtete, wie der Schmetterling sich stundenlang abmühte, um durch dieses kleine Loch zu schlüpfen. Nach langer Zeit schien der junge Schmetterling sich zu ergeben, denn das Loch hatte seine Größe nicht geändert. Der Mann hatte den Eindruck, dass der Schmetterling alles getan hatte, was in seinen Kräften stand und ihm nichts mehr möglich war.
So entschloss sich der Mann, dem Schmetterling zu helfen. Er nahm sein Taschenmesser und öffnete vorsichtig den Kokon. Der Schmetterling kam sofort heraus. Aber sein Körper war klein und verkrampft, und seine Flügel waren kaum entwickelt und bewegten sich nur mühsam. Der Mann schaute weiter zu, denn er hoffte, dass die Flügel sich von einem Augenblick zum nächsten entfalten würden, so dass sie den Körper tragen könnten und der Schmetterling zu fliegen beginnen würde.
Es geschah nichts. Der Schmetterling verbrachte den Rest seiner Existenz damit, sich mit verkrampftem Körper und unterentwickelten Flügeln über die Erde zu schleppen. Er konnte niemals fliegen. Der Mann mit seiner freundlichen Geste und der Absicht zu helfen verstand nicht, dass der Widerstand, den das kleine Loch beim Schlüpfen bot, für den Schmetterling als Auslöser nötig war, um Flüssigkeit aus seinem Körper in die Flügel zu pressen und fliegen zu können.
Dies war die gottgegebene Weise, zu wachsen und sich zu entwickeln.
Was will uns diese Geschichte sagen? Sie sollte uns zum Nachdenken anregen, denn sie zeigt auf, dass sich nicht alle Probleme mit gut gemeinter, fremder Hilfe lösen lassen. Schwerwiegende Probleme in unserem Leben treten nicht zufällig auf, sie sind vielmehr schicksalsbedingt. Wir können sie nicht wegschieben oder ignorieren oder auf fremde Hilfe hoffen. Wir müssen uns ihnen stellen, uns bemühen, Kraft einsetzen, um sie zu bewältigen. Der falsche Weg wäre, daran zu verzweifeln, mutlos zu werden oder das Schicksal anzuklagen.
Wir sollten vielmehr den Problemen, die das Leben mit sich bringt, mit Mut, Entschlossenheit und Tatkraft begegnen, damit wir ohne fremde Hilfe Widerstände überwinden lernen und stark werden, um die zukünftigen Herausforderungen des Lebens besser zu meistern.
Dann können auch wir »fliegen« lernen.
Mit herzlichen Grüßen aus einem frühlingshaften Schwarzwald verbleibe ich lhre Gerlinde Glöckner, Chefredakteurin
Nachdruck mit freundlicher Genehmigung aus VISIONEN 2/2005, Sandila-Verlag. Erhältlich im Zeitschriftenhandel.
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