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Radikal — nicht rechtsradikal

Aus der Juni 2005-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Rechtsradikales Denken ist ein Thema, mit dem wir uns in Deutschland immer wieder konfrontiert sehen und ganz besonders sensibel umgehen. Deshalb war für mich eine der schwierigsten Zeiten in der Erziehung meiner Kinder die Zeit, in der sich mein Sohn als Jugendlicher in rechtsradikalen Kreisen bewegte. Es begann damit, dass er sich eines Abends mit einer Gruppe Skinheads traf und ich mit einem sehr unguten Gefühl zu Hause zurückblieb. Mitten in der Nacht bekam ich einen Anruf von der Polizei. Er war mit einer Gruppe Skinheads verhaftet worden, weil in dem S-Bahn-Wagen, in dem sie gefahren waren, ein Ausländer angegriffen worden war. Ob ich ihn abholen wolle? »Nein,« sagte ich, »wenn er sich festnehmen lässt, kann er auch allein nach Hause fahren.«

War mein Sohn in Gewalt verwickelt? Und wenn ja, wie würde ich damit umgehen? Gewalt war etwas, was ich am wenigsten tolerieren würde.

War mein Sohn in Gewalt verwickelt? Und wenn ja, wie würde ich damit umgehen? Gewalt war etwas, was ich am wenigsten tolerieren würde. Meine erste Reaktion, als er heimkam, war die Drohung, ihn rauszuschmeißen, die er damit konterte, er könne ja sofort seine Schule abbrechen und arbeiten gehen. Er sei nicht auf uns angewiesen!

Meine zweite — und wahrscheinlich bessere, weil wirkungsvollere — Reaktion war Gebet. Ich bin in Christian Science aufgewachsen und habe gelernt, Probleme im Gebet zu lösen und mir so über den richtigen Weg bewusst zu werden. Sehr schnell kam der Gedanke: Du musst ihn mit Liebe überschütten!

Als nächstes erklärte ich meinem Sohn, dass er immer mein Sohn ist und ich immer für ihn da sein werde, aber dass es Dinge gibt, die ich nicht tolerieren kann, so wie z. B. Gewalt gegen Ausländer. Im Gebet war mir bewusst geworden, dass Gott Vater-Mutter-Liebe und das absolute Gute ist, dass mein Sohn — so wie jeder Mensch — ein Kind Gottes ist, Erbe aller guten Eigenschaften, wie Mary Baker Eddy in Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift erklärt. Ich wollte lernen, so zu lieben, wie Gott Seine Ideen, Seine Kinder — die Menschen — liebt: bedingungslos.

Nicht wegen seiner Einstellung liebte ich meinen Sohn, nicht weil er intelligent und gut in der Schule war, nicht weil er die Freunde hatte, die ich mir vorstellte. Nein, ich liebte ihn, weil er mein Sohn ist, ein Geschenk Gottes, ausgestattet mit allen Fähigkeiten, die er braucht, um friedlich und freundlich und tolerant seinen Weg zu gehen.

Meine zweite — und wahrscheinlich bessere, weil wirkungsvollere — Reaktion war Gebet. Sehr schnell kam der Gedanke: Du musst ihn mit Liebe überschütten!

Es stellte sich schnell heraus, dass mein Sohn nicht in Gewalt verwickelt und er nur als Zeuge vernommen worden war. Trotzdem hatten wir noch einen langen Weg vor uns, bis er seine rechtsradikalen Freunde aufgab. Ich musste meine Grenzen deutlich machen und ihm zeigen, wo seine Verantwortung lag.

Meine Tochter verhalf ihm zu einem Arbeitsplatz, wo er, neben der Schule, Verantwortung lernen musste und seine Qualitäten beweisen konnte. Und ich entdeckte mehr und mehr, welche Grundlagen wir unserem Sohn mitgegeben hatten.

Wir haben ihn gewaltfrei erzogen, und als Kind Gottes ist Gewaltfreiheit eine seiner Eigenschaften. Er wuchs in einer Familie auf, in der Menschen aus aller Welt ein- und ausgingen: Menschen mit unterschiedlicher Hautfarbe, unterschiedlichem Denken, unterschiedlichen Qualitäten.

Nachdem mein Vater als junger Mann den Zweiten Weltkrieg miterlebt hatte und ihm schon als Leutnant der Wehrmacht die Unsinnigkeit des Krieges bewusst geworden war, beschloss er mit meiner Mutter zusammen, uns zur Toleranz gegenüber anders denkenden Menschen, Menschen mit anderem kulturellen Hintergrund zu erziehen und unser Haus und unser Herz für Menschen aus aller Welt zu öffnen. Als Familie mit sechs Kindern hatten wir nicht genug Geld, um in die Welt zu reisen. Aber die ganze Welt kam zu uns ins Haus.

Später, als ich Tagesmutter arbeitete, betreute ich Kinder aus den verschiedensten Herkunftsländern. Alle diese Menschen, alle diese Kinder waren Teil der Familie, die Gott uns geschenkt hat und die alle Menschen einbezieht und keinen ausgrenzt. In unserer Familie wird viel gelesen, diskutiert, gelauscht, geforscht und versucht, die Welt jeden Tag ein kleines bisschen friedlicher und freundlicher zu machen — in uns und in unserer Umgebung.

In dieser schwierigen Zeit mit meinem Sohn hörten wir nie auf, miteinander zu reden. Heiße Diskussionen wurden geführt, bei denen ich oft den Kürzeren zog. Ich musste mich gründlich mit seinen Meinungen auseinandersetzen, gut informiert sein und fundierte Antworten geben.

Nach und nach bemerkte ich, dass er meine Argumente benutzte, wenn er sich mit seinen Kameraden auseinandersetzte. Die Musik, die er spielte, wurde sanfter und unsere Diskussionen friedlicher. Nach einem Jahr war der Spuk genauso schnell wieder vorbei, wie er begonnen hatte.

In Christian Science bedeutet radikal sein, den neuen, den guten Menschen anzuziehen, den Menschen als Bild und Gleichnis Gottes, des Guten, zu sehen und falsche Auffassungen menschlichen Hasses auszuziehen.

Meine Liebe zu meinen Sohn, meine Bereitschaft, in ihm das Bild des Guten zu sehen, den Menschen, zu dem Gott ihn geschaffen hat, führte zum Erfolg. Nicht verblendet. sondern radikal, setzte ich mich mit der Wahrheit über den Menschen auseinander. Radikal sein bedeutet für mich, Probleme an der Wurzel zu packen.

In Christian Science bedeutet radikal sein, den neuen, den guten Menschen anzuziehen, den Menschen als Bild und Gleichnis Gottes, des Guten, zu sehen und falsche Auffassungen menschlichen Hasses auszuziehen.

Radikal sein bedeutet, meinen Nächsten gründlich zu verstehen, ausgestattet mit all den Eigenschaften, die Gott ihm verliehen hat, und das können nur positive, konstruktive Eigenschaften sein, die ihn einen wertvollen Beitrag zum Wohle seiner Mitmenschen leisten lassen.

Jeden Tag habe ich die Möglichkeit, neu zu beginnen, die guten Eigenschaften in mir und anderen zu entdecken und sie bewusst zu leben. Jeden Tag werden wir neu geboren und stehen für Werte wie Nächstenliebe, Sanftmut, Reinheit, Toleranz und Weisheit und wachsen in unserem geistigen Verständnis. Nicht nur ich bin eins mit Gott, in Gott sind alle Menschen eins. Je mehr ich göttliche, also gute Eigenschaften ausdrücke, umso mehr trage ich zur Einheit der Menschen bei.

Sie fragen sich, was mein Sohn heute macht? Im Herbst wird er erst einmal seinen Zivildienst leisten, in einer Schule mit behinderten Kindern. Sie werden ihn lieben, da bin ich sicher!

Und ich bin so dankbar, dass Liebe mich durch diese schwierige Zeit geführt hat — Liebe zu meinem Sohn, zu den Menschen und zu Gott.

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