Und es kamen einige zu ihm, die brachten einen Gelähmten, von vieren getragen. Und da sie ihn nicht zu ihm bringen konnten wegen der Menge, deckten sie das Dach auf, wo er war, machten ein Loch und ließen das Bett herunter, auf dem der Gelähmte lag. (Mk 2:3,4)
»Die Bewohner der modernen Städte des Westens sind natürlich an ihre dortigen Gebäude und Hochhäuser gewöhnt und können die angeführte Stelle kaum recht verstehen oder sich ein orientalisches Haus vorstellen, ... In den alten Städten Syriens und Palästinas sind die Häuser auch heute noch im gleichen Stil und mit Mauern aus unbehauenen Steinen, luftgetrockneten Ziegeln und Lehm erbaut wie zu Abrahams und Jakobs Zeiten. Sie sind quadratisch-schachtelförmig, ohne Fenster, aber mit einem Luftabzug in der Mitte des Flachdaches. ... Befinden die Wohnungen sich an einem Abhang, dann sind ihre Rückwände oft kaum einen Meter hoch, so dass man leicht — auch ohne Leiter — auf das Dach gelangt. ... Es besteht aus Balken, über die man zuerst Baumäste und dann Stroh legt, das seinerseits durch gestampfte Erde bedeckt wird. ...
Während des angeführten Vorfalls befanden sich viele Menschen im Haus, wodurch es den Männern unmöglich wurde, ihren Gichtbrüchigen durch die Türe hinein zu tragen. Andere, die auch ihre Kranken Kranken zu Jesus gebracht hatten, waren ihnen zuvorgekommen. Sie verloren jedoch die Hoffnung nicht und beschlossen — da sie auf dem normalen Wege nicht ins Haus gelangen konnten — es durch das Dach zu tun. Die vier Freunde trugen daher den Kranken hinauf, warfen einen Blick durch den Luftabzug oder ein Loch im Dach, um festzustellen, wo Jesus saß, und machten dann zwischen den Balken eine Öffnung, um dadurch den Kranken auf einer Matratze herabzulassen. Der Raum war so sehr mit Leuten angefüllt und der Lärm so groß, dass der Eigentümer des Hauses von dem Geschehen gar nichts merkte, bis er, und alle andern, voller Überraschung eine Matratze mit einem Menschen darauf in der Höhe entdeckte langsam dorthin herabschweben sah, wo Jesus sich befand. Die ganze Handlung war so geschickt ersonnen und ausgeführt, und das zuversichtliche Vertrauen der Männer kam damit so deutlich zum Ausdruck, dass Jesus dadurch gerührt wurde. Er ging zustimmend auf die Bitte ein und heilte den Gichtbrüchigen.« (Lamsa)
Nun aber ist Christus auferstanden von den Toten als Erstling unter denen, die entschlafen sind. (1. Kor 15:20)
Paulus hat das Trümmerfeld gezeigt, das dann entsteht, wenn die Auferstehung geleugnet wird. Nun stellt er gerade angesichts dieser Trümmer allen Fragen, Zweifeln und Leugnungen gegenüber triumphierend fest: ...>Christus ist auferweckt.< ... Jesus ist in seiner Auferstehung der >Erstling der Entschlafenen<. Das Wort >Erstling< bezeichnet nicht einfach einen zeitlichen Vorrang vor andern, sondern weist auf einen inneren, begründeten Zusammenhang hin. Dem >Erstling< folgt mit Notwendigkeit Weiteres. So ist der >Erstling< etwa die erste Garbe des großen Erntefeldes, die den Beginn der Ernte selbst anzeigt und darum die Fülle der weiteren Garben zur Folge haben muss. Damit wendet sich Paulus in besonderer Weise gegen die Anschauung der Korinther, die die Auferweckung Jesu selbst nicht bestritten, aber in ihr eine einzigartige Ausnahme sahen, ohne Beziehung zu unserem eigenen Todesschicksal. Mochte Jesus, der Sohn Gottes, immerhin aus dem Reich der Toten in neuer Lebendigkeit und Leibhaftigkeit hervorgegangen sein, das bewies noch nichts für die gewöhnlichen Christen, an deren Auferstehen man nicht glauben wollte! Paulus aber zeigt, wie der >Erstling< nur der Anfang einer ihm notwendig folgenden Reihe ist und wie darum mit seiner Auferstehung eine immer weiter ausgreifende Bewegung beginnt. So geht dieses Ereignis des Ostermorgens die Korinther (und uns!) unmittelbar an und schließt ihre (und unsere!) eigene Auferstehung ein. Mit dem Glauben an Jesu Auferstehung bejahen sie zugleich ihre Zukunft, ja, die Zukunft der ganzen Schöpfung.« (WStB)
Am zehnten Tag des siebenten Monats sollt ihr fasten und keine Arbeit tun, weder ein Einheimischer noch ein Fremdling unter euch. Denn an diesem Tag geschieht eure Entsühnung, dass ihr gereinigt werdet; von allen euren Sünden werdet ihr gereinigt vor dem Herrn. (3. Mose 16:29,30)
»Der Große Versöhnungstag war ein so hoher Festtag, dass ganz Israel zu fasten hatte ... Der >siebente Monat< ist der Monat Etanim oder Tischri. Er dauerte von Mitte September bis Mitte Oktober. Der Tischri war ein richtiger Festmonat: in ihm begann das Erlassjahr, sein erster Tag war das Neujahrsfest oder der Tag des Posaunenblasens, sein zehnter Tag war der Große Versöhnungstag, und vom fünfzehnten bis zum zweiundzwanzigsten Tag feierte man das Laubhüttenfest. Vielleicht spielt die heilige Zahl sieben eine Rolle bei dieser Konzentration der Feste auf den siebenten Monat. ...
Die anderen Feste Israels waren Freudenfeste ... Nur der Große Versöhnungstag war >ein Tag des gemeinsamen Fastens und nicht des Festens<. ... So ungewöhnlich war die Anordnung des Fastens ..., dass der Versöhnungstag in Apg 27,9 nur den Namen >Fasten< trägt. In der Tat ist ja dieses Fasten nicht nur das einzige, das für einen israelitischen Festtag vorgeschrieben ist, sondern zugleich auch das einzige, welches im mosaischen Gesetze überhaupt vorgeschrieben wird. ...
V. 30 begründet Fasten und Ruhe ausdrücklich mit dem Geschehen der >Entsühnung< ...
Die Jüdischen Ausleger zur Zeit der Apostel waren bestrebt, den Missbrauch des Versöhnungstages zu verhindern. Man darf, so betonten sie, nicht sündigen, indem man von vornherein mit der Versöhnung am Versöhnungstag rechnet ... Im Anschluss an 3. Mose 16,30 lehrte z.B. Rabbi Elasar ben Asarja (ca. 100 n. Chr.): >Übertretungen zwischen einem Menschen und dem Allgegenwärtigen sühnt der Versöhnungstag; Übertretungen zwischen einem Menschen und seinem Gefährten (=Mitmenschen) sühnt der Versöhnungstag nicht, bis er seinen Gefährten besänftigt.< Die ständige Wie derholung des Versöhnungstages erweckte in Israel die Sehnsucht nach einer endgültigen Sühne. Gott versprach durch die Propheten, diese endgültige Sühne zu schaffen. In Jesus ist dieses Versprechen eingelöst.« (WStB)
Meine Brüder, ich schätze mich selbst noch nicht so ein, dass ich's ergriffen habe. Eins aber sage ich: Ich vergesse, was dahinten ist, und strecke mich aus nach dem, was da vorne ist, ... (Phil 3:13)
»Paulus empfand, dass Jesus, als er ihm auf dem Wege nach Damaskus in den Weg trat, einen Traum, eine Vision von dem gehabt habe, um dessentwillen er Paulus ergriffen habe; und Paulus empfand, dass er sein ganzes Leben lang diesem Ziel nachjagen müsse, um Jesus nicht im Stich zu lassen und die Absicht zunichte zu machen, um derentwillen Jesus ihn ergriffen habe. ...
Im Hinblick darauf sagt Paulus nun zweierlei. Er vergisst, was hinter ihm liegt. Das heißt, er wird sich nie seiner Verdienste rühmen; er wird keine seiner Taten und keine von ihm bereits erfüllte Aufgabe als Entschuldigung dafür benutzen, in Zukunft zu erschlaffen. In Wirklichkeit sagt Paulus also, dass Christen alles vergessen sollen, was sie bereits getan haben und nur das bedenken sollen, was ihnen noch zu tun bleibt. Im Leben des Christen gibt es keinen Platz für Menschen oder Gemeinden, die sich auf ihren Lorbeeren ausruhen möchten. Weiter sagt Paulus, er strecke sich nach dem, was vor ihm liege. Das griechische Wort epekteinomenos, das er an dieser Stelle benutzt, ist ein sehr anschauliches Wort, das im Zusammenhang mit einem Läufer verwendet wird, der sein Äußerstes hergibt, um das Ziel zu erreichen. Er hat nur das Zielband vor Augen. Mit Armen, die die Luft zu zerkratzen scheinen, mit vorgestrecktem Kopf und vorgebeugtem Körper jagt er dem Ziel entgegen. Mit diesem Wort wird ein Mensch bezeichnet, der mit äußerster Kraftanstrengung zum Endspurt ansetzt. Paulus sagt also, wir Christen sollen nicht an das denken, was wir bereits erreicht haben, sondern nur an das vorgesteckte Ziel.« (Barclay)
Klage und Trost eines Leidenden (Klagelieder 3. Kapitel)
»Am Schicksal des einen Mannes ... [Es dürfte nicht schwer sein, hinter dieser ... Gestalt mit ihren besonderen Leiden den Propheten Jeremia zu sehen], macht der Beter die Totalität der Katastrophe Jerusalems deutlich. Aber es geht ihm nicht um die schaurigen äußeren Ereignisse, sondern um die entsetzliche Tatsache, dass Gott selbst darin richtend und strafend am Werk war. ... Indem der Beter sich Gott zuwendet, nicht mehr in abwehrender Anklage, sondern im Loslassen seiner selbst, bekommt der Unheimliche ein Gesicht. Die Spannung wird leichter. Wer sich selbst loslässt, kann den anderen besser wahrnehmen, auch in der Tiefe der Depression. So ist es möglich, dass Gott Einsicht in sein Grundwesen schenkt: Gott bleibt treu, mit ihm kann jeder rechnen, und sei seine Lage noch so aussichtslos.
Die Erkenntnis der bleibenden Güte Gottes schließt umgekehrt die Einsicht in die eigene Schuld ein. Wer seine Sünde vor Gott offen legt und vertrauensvoll zu ihm umkehrt, der bleibt sich Gottes vergebender Güte gewiss. ... Gott hält seine Liebe zu uns auch in der Tiefe durch.
Das Vertrauen auf Gott und das von Herzen kommende Ja zu seinem Willen schließen unsere Trauer, Klage, Tränen und Bedrücktheit nicht aus. Wo wir jedoch ihm ergeben sind, hat unser Leiden einen anderen Grund. Es geht nicht mehr um uns, sondern es geht um den Herrn und seinen Plan, seine Herrlichkeit. Gott mit seiner Gerechtigkeit, Heiligkeit und Barmherzigkeit soll zum Ziel kommen. Wir werden aus dem Verkrümmt sein in uns selbst befreit und damit frei zum Dienen.
Wer mit schlechtem Gewissen vor Gott auf der Flucht ist, kann nicht recht mit dem Gnadenangebot rechnen. Wer sich ihm rückhaltlos ausliefert, dessen Leben bekommt eine andere Qualität, weil er in jeder Lage gewiss sein kann: Gott ist nahe und spricht: Fürchte dich nicht.« (WStB)
Quellenangaben
Barclay = William Barclay,
Auslegung des Neuen Testaments
Lamsa=Georg M. Lamsa, Die Evangelien in aramäischer Sicht
WStB-Wuppertaler Studienbibel