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Helfen, heilen, einander achten

Aus der März 2006-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Herold: Können Sie zunächst einmal ihren Tätigkeitsbereich beschreiben?

Dr. Rüdiger Schley: Wir haben jetzt seit 20 Jahren im Süden Berlins, in Lichtenrade, eine hausärztliche Praxis und die Patienten, die zu uns kommen, sind ganz treue Menschen, auch ganze Familien. Sie nutzen unsere Praxis als Anlaufstelle. Also, wenn gesundheitlich etwas nicht in Ordnung ist, dann kommen sie zu uns, schildern das, dann sprechen wir darüber. Und wenn es etwas ganz Spektakuläres ist, ein Notfall, dann können wir sofortige Hilfe organisieren. Aber das ist meistens nicht der Fall. Es gibt ja oft Beschwerdebilder, da kommen die Patienten und klären das mit uns und es gibt manchmal auch Gesprächsbedarf, und weil man sich halt kennt und wir oft die ganze Familie betreuen, gibt es manchmal auch das seelsorgerische Gespräch.

Herold: Wie sind Sie in Kontakt zu Christian Science gekommen?

Dr. Schley: Ich habe meine jetzige Frau 1998 kennengelernt über eine gemeinsame Freundin. Meine Frau ist Tanztherapeutin und macht Bauchtanz und therapeutischen Tanz. Sie suchte damals einen Tanzpartner. Da ich selbst gern tanze, sagte ich, wir können uns doch mal treffen. So haben wir uns kennengelernt und das hat sich dann für uns beide weiterentwickelt bis zur Ehe. Durch sie habe ich auch Christian Science kennengelernt, was mich zu Anfang sehr erschreckt hat. Ich hatte Freunde, die verschiedenen Sekten angehörten und das konnte ich gar nicht unterscheiden und da war ich sehr nachdenklich. Ich habe gedacht, diese Frau liebst du, nun wirst du dich auf diese Gedankenwelt gern einlassen. Ich habe dann viel gelesen, bin in die Mittwochabend-Versammlungen gegangen und auch sonntags in den Gottesdienst und habe festgestellt, dass Christian Science eine christliche Glaubensrichtung ist, die dem Menschen auch viel Verantwortung aufbürdet, etwas für sich zu tun.

So etwas habe ich immer gesucht und dass man den Glauben in der Gemeinde, in der Gemeinschaft, pflegt. Das hat mich sehr fasziniert. Es ist für mich auch eine rebellische Glaubensausrichtung, bei der man niemandem untertan und niemandem hörig ist. Dieser Glaube ist ganz klar getrennt von Institutionen. Und die Institution selbst achtet darauf, dass sie nicht zur Hierarchie wird. Das habe ich als sehr positiv erlebt. Auch junge Leute oder Kinder, die ich kennengelernt habe, strotzen nur so von Fröhlichkeit und Initiative. Das ist die Grundidee des Christlichen, das ist mir immer nahe gewesen. Das habe ich für mich immer sehr hochgehalten und immer danach gelebt. Diese Glaubensgemeinschaft praktiziert diese Werte in einer tollen Art und Weise. Es hat mich fasziniert und mich und meine Frau immer noch mehr zusammengebracht. Weil wir uns über die Eigenschaften, die Gedanken, gefunden haben. Es hat ja eine große Bedeutung, was man im Herzen fühlt und im Glauben sucht.

Herold: Wie Können Sie Ihre medizinische Praxis und Christian Science in Einklang bringen?

Dr. Schley: Für mich war das anfangs schon ein Konflikt, wenn ich in der Mittwochabend-Versammlung war und die Menschen von Heilungen berichteten, die ich auch akzeptieren konnte. Das war für mich ganz toll. Und wenn ich dann hörte, da ist aber jemand wirklich ganz krank gewesen und dann hat er das mit Gebet und mit dem Glauben bewältigt, das hat mich sehr fasziniert. Ich habe auch einen Christian Science Lehrer kennengelernt und habe mit ihm auch ein sehr herzliches Verhältnis und wir haben uns immer viel zu erzählen. Wir respektieren uns auch sehr, sonst geht es ja auch gar nicht. Ich habe immer gedacht, dass die innere Kraft des Menschen, also auch der Glaube, für die Heilung von entscheidender Bedeutung ist. Also, wenn jemand krank ist, warum auch immer, da gibt es ja viele Möglichkeiten, was sich da aus falschem Denken entwickelt hat. Dann muss er eben in sich gehen und es ist immer ganz wichtig, dass der Patient den Willen hat, etwas zu verändern und auch wieder gesund zu werden. Sonst kann ich auch als Arzt nichts machen. Das wusste ich immer schon. Von der Warte bin ich ausgegangen. Das hat mir beruflich immer sehr geholfen. Der Arzt ist ja nicht der liebe Gott — Gott sei Dank! Viele Ärzte haben sich ja so gesehen früher. Das war eine schreckliche Zeit für einen Arzt, der dachte, er wäre ein Halbgott in Weiß. Was ist das für ein armer Mensch eigentlich. So habe ich nie gedacht.

Ich habe erlebt, dass in vielen Fällen allein durch Gebet und richtiges Denken, durch Richtigstellen, jemand gesund geworden ist. Die Heilung ist für mich keine Frage der Zeit. Das kann ganz schnell gehen. Und wenn es einmal nicht so schnell geht, dann tun wir gut daran, dass wir im Gebet sind. Das ist manchmal eben auch ein langer Weg. So habe ich versucht, mich in die Lage der Christian Science Mitglieder hineinzuversetzen, die sich auf Gebet verlassen. Ich habe manchmal nachgefragt und habe sehr schöne, sehr offene Gespräche geführt.

Viele Patienten sprechen darüber, dass sie Bedenken hätten bei all den Tabletten, die angeboten werden. Und das ist auch die Kritik, die wir heute äußern müssen. Die bloße Verabreichung von Tabletten ist dermaßen in den Vordergrund geschoben worden, dass die seelische Seite unterbleibt. Das ist ein schwerer Fehler. Und umgekehrt ist es für mich, der ich beide Seiten gut kenne, wichtig, dass man als gläubiger Mensch erst einmal versucht, im Gebet Probleme zu bewältigen und Gesundheit wiederzuerlangen.

Es ist andererseits keine Schande, sich aufwohltuende ärztliche Hilfe zu berufen. Wir haben wissenschaftliche Erkenntnisse, Apparate und Medikamente, die segensreich sein können. Wir wenden sie nicht immer richtig an. Aber auch das ist unsere Entscheidung. Das Leben ist halt so, dass die eine oder anderean sich segensreiche Sache falsch angewandt wird. Oder auch in einem kommerziellen Maße angewandt wird, dass das Liebevolle und Schöne dabei verlorengeht. Aber wir entwickeln uns immer weiter in unserem Wissen. Wir werden mehr Einsicht in unser Tun bekommen und das ist etwas, was Gott uns gegeben hat. Das können wir als Geschenk annehmen.

Die moralische Bewertung, die mussten die Menschen schon vor 5000 Jahren machen, und das müssen wir heute wahrscheinlich noch viel mehr machen.

Herold: Erleben Sie manchmal einen moralischen Zwiespalt, wenn Sie Patienten begegnen und eine Diagnose stellen, die vielleicht sehr schlimm ist? Ist es immer gut, dabei völlig ehrlich zu sein?

Dr. Schley: Ich habe die Erfahrung gemacht, es ist immer gut. Es gibt wenige Umstände, wo es vielleicht nicht sinnvoll ist, dass man ihm den Befund direkt ins Gesicht sagt. Wenn zum Beispiel jemand geistig verwirrt ist und dadurch sehr ängstlich und unsicher ist. Das hilft dann auch nicht. Ich versuche immer so zu sprechen, dass jemand ermessen kann, was er hat. Da ist es uneingeschränkt wichtig, die Wahrheit zu sagen. Wenn man das nicht tut, besteht die Gefahr, dass dieser Mensch vereinsamt. Er bekommt das relativschnell mit, dass man ihm nicht die Wahrheit gesagt hat. Er fühlt ja, dass es ihm nicht gut geht. Ich bin auch der Meinung, dass der Weg zur Linderung oder Heilung über die Wahrheit führt.

So bitter das auch sein kann. Es heißt ja auch nicht, wenn jemand eine schwere Diagnose gestellt bekommt, dass sein Leben damit zur Neige geht. Man kann das ja auch im Gebet bekämpfen. Aber selbst, wenn es so sein sollte, dass diese Krankheit irgendwann zum Weitergehen führt, dann ist es eine ganz wichtige Aufgabe, dass man den Menschen ehrlich begleitet. Und dass man ihm sagt, ich bin an deiner Seite. Man bespricht etwas Ernstes mit dem Patienten und sagt, es gibt diese oder jene Möglichkeit. Gerade viele ältere Menschen sagen, ich möchte da nichts weiter machen, ich warte erst einmal ab. Das kann man in vielen Fällen auch vertreten. Aber ich betone immer, dass es ganz wichtig ist, dass man weiß, wo man steht, und weiß, was Krankheit und Gesundheit bedeuten, und man auch weiß, was Gebet bedeutet. Das kläre ich immer mit den Patienten. Das spielt eine große Rolle. Ich weiß auch bei den meisten Patienten, dass sie einer Glaubensrichtung anhängen oder ob sie das ganz ablehnen. Es gibt Menschen, für die ist Religion ein rotes Tuch, weil es negativ belegt ist, aber das heißt nicht, dass sie nicht gläubig sind. Wenn ich weiß, dass da eine Tür offen ist im Bewusstsein, dann gehe ich da auch durch, mit ihnen zusammen. Der seelsorgerische Aspekt ist immer dabei. Ob man das verbalisiert oder nicht, er ist auf jeden Fall immer dabei und ich halte das auch für unverzichtbar. Der Arzt muss auch Seelsorger sein.

Herold: Finden Sie bei Ihren Ärztekollegen Verständnis für diese Haltung?

Dr. Schley: Das Schöne an Berlin ist, es ist eine riesige Stadt und es gibt auch immer Gruppen, die sich finden. Das ist auf dem Lande oder in der Kleinstadt manchmal ganz grausig, weil man auch ziemlich einsam ist. In Berlin ist das gar kein Problem. Wir sind in unserem Gebiet rund 30 Kollegen, wir haben 80.000 Einwohner in dieser Gegend und da sind bestimmt zehn Kollegen, mit denen das so klappt. Wir haben keine Gespräche über Christian Science geführt, aber da ist eine Basis. Es ist uns ganz klar, dass diese seelsorgerische Komponente sehr wichtig ist. Da gibt es unter den Kollegen durchaus Verständnis, wenngleich vielleicht dieser religiöse Aspekt als solcher nicht verbalisiert wird. Aber das ist nicht das Wichtige. Wir sind hier der Meinung, es ist nicht wichtig, was man sagt, sondern, was man tut. Das ist entscheidend. Wie das Kind mit Namen heißt, ist nicht wichtig. Es ist wichtig, dass man sich auf dem richtigen Weg befindet. Und man bekommtvon den Patienten sehr viel Schönes zurück.

Herold: Man ist ja als Mediziner wahrscheinlich ungeheuren Erwartungen ausgesetzt?

Dr. Schley: Ja das ist so. Man fragt sich manchmal, warum kommen die Leute zu einem? Es ist ja fast immer so, dass da irgendwelche Probleme sind, und die machen sich manchmal am Magen fest oder am Herzen. Das kennen wir ja alles und dann sagen die Leute sich, jetzt muss ich mal zum Arzt. Oder der Mann sagt seiner Frau, du musst da jetzt mal hingehen. Und dann kommen die Leute zu uns in der Hoffnung, dass wir ihnen genau sagen, was sie machen sollen. Sie glauben, da gibt es irgendwo eine Pille und dann wird alles wieder gut. Das muss man halt durchbrechen.

Unsere Patienten kennen das schon und sprechen über sich. Dann werden sie auch angefasst und untersucht. Und wenn es vielleicht nötig ist, wird ein wenig Blut abgenommen. Das dient dazu, dass bestätigt wird, dass der Patient gesund ist. 90 Prozent der Patienten, die zu uns kommen, haben nichts Schlimmes. Und trotzdem sind sie ganz froh und glücklich und der Arzt ist glaubhaft, wenn er ein bisschen Blut abnimmt und dann ist das geklärt. Beim zweiten Mal wird noch gefragt, wo der Schuh drückt und sie kommen langsam aus sich heraus und erzählen. Und beim dritten Be Besuch, da haben sie schon über vieles nachgedacht. Das verkehrt sich von ganz allein. Zuerst heißt es: Doktor, mache du! Und dann, mit der Zeit, weil man sich besser kennt, wissen sie oft selbst, was falsch ist und was sie ändern können.

Es gibt manchmal körperlich falsche Dinge, die sie machen. Falsches Essen, zu wenig Bewegung, falsches Sitzen oder es sind soziale Dinge, die zu Magenschmerzen führen wegen der Familie. Und dann kommt es im Verlaufe von drei Begegnungen normalerweise dazu, dass der Patient erkennt, woran es liegt und der Arzt nicht unbedingt sagen muss: du musst jetzt selbst etwas tun. Es wächst natürlich ein Zutrauen, und wenn dann Dinge nicht in Ordnung sind, dann geht man wieder einmal zum Schley, man muss noch einmal darüber reden. Oder man kommt mit der Tochter, die nicht mehr richtig isst und dünn ist. Oder mit dem Sohn, weil er zu viel isst und dick ist. So kommt man zusammen und man kann die Sachen auf den Tisch legen. Das ist eigentlich sehr schön.

Herold: Sie bieten also ein Forum, wo man über sich selbst nachdenken kann?

Dr. Schley: Ja, genau. Das machen die Patienten ganzvon allein. Die Leute kommen zu ihren eigenen Erkenntnissen, was in ihrem Umfeld oder mit dem Kind los ist. Sie beschäftigen sich mit vielen Sachen, auch mit Essen. Viele stopfen sich eben voll, aus bestimmten Gründen. Und da kann man darüber reden, da geht man auch ganz praktisch heran und macht Essensvorschläge. Damit das wieder besser geht. Es geht viel um Gewohnheiten und die sind oft nicht so leicht zu ändern. Wenn nun jemand immer sein Quantum isst und sich abends dann vollstopft oder seine Flasche Wein trinkt und das 20 Jahre lang macht und dann sagt, damit kann er doch aufhören, dann ist es nicht immer leicht zu sagen, jetzt ändere ich das. Und daher ist es ganz schön, wenn man so einen Anlaufpunkt hat. Es gibt Missbefinden oder Nachdenklichkeiten, wo dann der Körper oder der Geist sagt: ich will jetzt etwas verändern. Wenn die Leute das nicht wollen, dann kann man nichts machen. Das gibt es auch, dass man sich manchmal trennen muss und sagt: Ich kann Ihnen da nicht helfen, aber denken Sie weiter darüber nach. Diese Trennung geht in der Regel ganz friedlich und der Patient sagt, ich habe Sie verstanden, aber ich kriege das nicht auf die Reihe. Aber auch das ist eine Erkenntnis, wenn jemand geht und sagt, ich weiß, woran es liegt, aber im Moment kann ich nicht anderes. Er kann ja wiederkommen.

Herold: Durch Ihr Verhalten erreichen Sie natürlich, dass der Patient selbst erkennt, was nötig ist, und sich nicht darauf beruft, dass der Arzt gesagt hat, was zu tun ist.

Dr. Schley: Tabletten sind nicht schlecht. Aber es darf eben nicht dazu kommen, dass man sagt, die Tabletten übernehmen alle Aufgaben. Sonst könnte man ja Suchtkranken nur Psychopharmaka geben. Ich bin überzeugt, dass das nichts bringt. Jedenfalls in der Regel nicht. Das ist nicht der Weg. Der Weg ist, zu sagen, du musst zu dir stehen. Bei allen Krankheiten muss er sagen: Ich muss dazu stehen. Dann steht er auch wieder auf. Und dass er nicht glaubt, Gott hat mich bestraft. Das ist ganz schrecklich, so zu denken. Man kann sich vorstellen, wie jemand sich fühlt bei solchen Überlegungen. Das ist doch entsetzlich. Da wieder aufzubauen und zu motivieren und zu helfen, dass er die schönen Seiten des Lebens wieder sieht, ist eine wichtige Aufgabe. Dazu können wir viel beitragen. Da kann man auch Hoffnung geben und Hilfe anbieten. Das ist ganz wichtig.

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