1962. Die Familie war zum Einkaufen in die Stadt nach Aurich gefahren. Vorher hatten unsere Eltern noch kurz etwas auf dem Finanzamt zu erledigen. Meine beiden jüngeren Schwestern und ich saßen im Auto und warteten und die Zeit wurde uns lang, sehr lang. Dann endlich kamen die Eltern zurück. Mein Vater setzte sich ins Auto und sagte: „Diese verdammten Tintenp...!“ Wir kinder waren begeistert! „Aber Werner, die kinder“, versuchte unsere Mutter eine gemäßigtere Wortwahl anzumahnen. Das jedoch steigerte unser Interesse zusätzlich. Leider wurde uns dann nur allzu knapp erklärt, dass es auf dem Amt nicht so geklappt hatte.
Dieses erste Erlebnis mit der Bürokratie ist nun etwa 45 Jahre her und von da an war mir jeder Kontakt mit Ämtern ein Graus. Vielen geht es wohl ähnlich — aber das muss nicht so sein.
Als ich jung verheiratet war, bekamen wir einmal einen amtlichen Bescheid, mit dem wir überhaupt nicht einverstanden waren. Ein Widerspruch hätte das Ausfüllen vieler Formulare erfordert. „So kann es nicht weitergehen“, dachte ich mir. Ich betete. In meinem Beruf hatte ich viel zu telefonieren und ich kam immer sehr gut zurecht, weil ich mir klar machte, dass jeder ein Gotteskind ist. So konnte ich die Leute freundlich behandeln und es herrschte eine Atmosphäre, in der konstruktive Lösungen möglich wurden. Mir kam der Gedanke, mein Anliegen auf dem Amt persönlich vorzutragen. Vorher betete ich ganz intensiv, aber ich legte mir auch Argumente gut zurecht. Nun passierte etwas, was damals außerhalb meiner Vorstellungskraft lag. Die zuständige Dame ließ mich reden. Nach einer Weile unterbrach sie mich und sagte: „Sie haben ja völlig recht“, und entsorgte den Stapel meiner mitgebrachten Formulare in den Papierkorb. Dann machte sie auf einem anderen Formular einige Kreuze, Stempel, Unterschrift — fertig! Das war genau das, was wir brauchten. — Ja, Gott ist eben wirklich überall, sogar in deutschen Amtsstuben! Das war für mich der Beweis.
Gesetze, Vorschriften, Bestimmungen, Beschlüsse, Anträge, Formulare sind allesamt menschengemacht und daher 1) veränderlich und 2) oft nicht passend für den individuellen Fall. Die Bürokratie, die oft keinen Ermessensspielraum zu bieten scheint für individuelle Lösungen, ist nichts weiter als ein von Fachleuten zusammengetragenes, höchst kompliziertes System, um die Dinge gerecht und nachvollziehbar festzulegen. Aber es gibt kein Gesetz der Bürokratie, dem wir ausgeliefert wären. Wir sind immer Gottes Gesetz unterstellt und Gottes Gesetz wirkt aus sich heraus. Es ist unkompliziert und schließt alle ein. Es ist unveränderlich und allumfassend und gerade deshalb auf jedes individuelle Bedürfnis anwendbar. Denken wir nur an die Zehn Gebote. Die sind ja deshalb so kurz und einfach, so allumfassend und in ihrem Geist so unveränderlich, weil sie direkt von Gott kommen. Keine Expertenkommission hat daran herumgewerkelt. Und so gibt es da keine Bürokratie und keine Bürokraten, sondern es gibt das göttliche Gesetz und es gibt Gottes Kinder. Auf dieser geistigen Ebene können alle individuellen Bedürfnisse befriedigt werden.
„Weist euch aus durch ein Wunder“ (2. Mose 7) — diesen Rat gab Gott Aron und Mose, als er sie zum Pharao schickte. Und dieser Rat gilt auch heute für uns, wenn wir auf einem Amt (oder auch woanders) etwas zu regeln haben. Nur den Ausweis vorzuzeigen genügt nicht. Diese Identitätskarte sollte uns daran erinnern, uns mit Gott zu identifizieren und — ganz wichtig — unser Gegenüber auch. Wer seine Identität fest in Gott verankert weiß, dessen Individualität strahlt aus. Er wird wahrgenommen. So wird effektive Kommunikation überhaupt erst möglich und individuelle Lösungen zeigen sich.
Ich musste mich melden bei der Stadtverwaltung meiner Schweizer Wohnstadt jenseits der Isoglosse (Sprachgrenze, Röstigraben). Ohne französische Sprachkenntnisse zu einer zum großen Teil französischsprachigen Behörde zu gehen, da war vorher besonders intensives Gebet angesagt. Als ich an der Reihe war, hatte ich aber noch keine Idee, wie ich mich „durch ein Wunder ausweisen“ sollte. So zeigte ich als Ersatz erst einmal meinen Ausweis und einige andere Papiere vor.
Wir sind immer Gottes Gesetz unterstellt und Gottes Gesetz wirkt aus sich heraus. Es ist unkompliziert und schließt alle ein. Es ist unveränderlich und allumfassend und gerade deshalb auf jedes individuelle Bedürfnis anwendbar.
Die französisch sprechende Dame nahm diese und tippte wortlos alles in ihren Computer. Dann schaute sie etwas von ihrem Bildschirm hoch und fragt (mit heftigem Akzent): „Sind Sie ver-eiratet?“ — Oh Schreck! „Ja, ... ja, aber ich hab heute Abend schon was vor.“ Sie schaute fragend, hatte mich offensichtlich nicht verstanden. Sofort kam eine Kollegin aus dem Nebenraum hinzu, die meine Worte übersetzte, und es herrschte große Heiterkeit. Jetzt hatte ich mich — durch ein „Wunder“ — ausgewiesen. Mit beiden Damen wurde alles in sehr freudiger Atmosphäre zu Ende besprochen.
Als ich sieben Wochen später wieder auf dieses Amt kam, wurde ich sofort begrüßt, mit Namen, wie ein alter Bekannter — Ausweis vorzeigen — nicht nötig! Wer sich einmal durch ein Wunder ausgewiesen hat, den kennt man eben.
Auf dem nächsten Amt derselben Schweizer Stadt sprach der zuständige Herr deutsch. So hatte ich die Möglichkeit, mich — getreu dem Motto: Weist euch aus durch ein Wunder! — für die besonders freundliche Behandlung zu bedanken. Das war ihm wohl noch nie vorgekommen, denn er war sichtlich gerührt, gab mir seine Visitenkarte mit der Aufforderung, ihn bei „allfälligen“ Schwierigkeiten anzurufen. Zur Verabschiedung gab er mir sogar die Hand, was nun wahrhaftig nicht vorgesehen ist — er musste sie dazu erst mühsam durch den schmalen Schlitz für die Akten unten an der Trennscheibe stecken.
Auf dem dritten Amt bedankte ich mich für die freundliche Aufnahme in der Schweiz. Der extra herbeigeholte Chef der Abteilung fand für mein Anliegen eine sehr günstige Lösung.
„Weist euch aus durch ein Wunder“ heißt also nichts anderes als: Zeigt eurem Gegenüber, dass Gott euch geschickt hat. Zeigt, dass ihr mit Gott in Verbindung steht. Weist euch aus durch göttliche Identität und lasst so eure Individualität leuchten. Alle Beteiligten sind Gottes Kinder und handeln deshalb mit göttlicher Autorität. Es ist daher unnötig, sich über mangelnde Flexibilität zu ärgern oder sich über Bestimmungen zu beschweren, die durch Expertenkompromisse zu einem Formelsalat verwurstet wurden, den keiner mehr versteht. „Gott hat dem Menschen unveräußerliche Rechte verliehen, unter anderem Selbstregierung, Vernunft und Gewissen.“ (Wissenschaft und Gesundheit S. 106) Das führt auch dazu, dass wir den anderen als Gottes Kind sehen können.
Vor einigen Monaten wurde ich angerufen von dem Buchprüfer einer Versicherung. Meine Frau sei falsch eingestuft, da ich in einer bestimmten Kategorie versichert sei. Es sollten ca. 3000 EUR nachgezahlt werden und in Zukunft erhöhe sich der Beitrag pro Jahr um 1500 EUR — gesetzliche Bestimmungen eben. Da sich meine Begeisterung stark in Grenzen hielt und ich etwas pampig wurde, erklärte er mir, dass er das Geld auch per Inkassobüro eintreiben könne. Stop! Jetzt wurde es höchste Zeit, „mich durch ein Wunder auszuweisen“. „Finden Sie selbst denn das alles richtig so?“ „Na, in Ihrem Fall fühle ich mich dabei schon unwohl. Aber das Gesetz ... — und in anderen Fällen ...“ — Aha. Nun suchten wir gemeinsam eine Lösung, wie in meinem ganz speziellen Fall die Bestimmungen eingehalten werden konnten, ohne die geschilderten Nachteile heraufzubeschwören. — Ergebnis nach 30 Minuten: Der junge Mann: „Jetzt bin ich aber sehr froh darüber, dass wir so elegant die Kurve gekriegt haben.“ Ein paar Telefonate, ein paar Bescheinigungen einreichen. Keine Nachzahlungen oder Prämienerhöhung für meine Frau, deutliche Prämiensenkung für meine eigene Versicherung.
Menschengemachte Gesetze beruhen auf unsicheren Informationen und sind oft das Resultat von Kompromissen. Gottes Gesetz ist allumfassend und basiert auf Wirklichkeit.
Also, weist euch doch auch aus durch ein Wunder!
