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„Heim ist kein Ort ...“

Aus der Juni 2007-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Während vieler Jahre meiner Kindheit im Zweiten Weltkrieg und die ganze Schulzeit hindurch war meine Familie dauernd unterwegs. Die Städte in Deutschland wurden bombardiert und Familien mit Kindern, so auch wir, wurden aufs Land evakuiert. Gegen Ende des Krieges mussten wir fast durch ganz Deutschland flüchten, zogen 1950 dann zu meinen Großeltern nach Potsdam und 1952 schließlich von Ost- nach Westdeutschland. Wenn ich an einer Schule begonnen hatte Fuß zu fassen, hieß es oft schon wieder: Weiter! Immer wieder musste ich Freunde zurücklassen und neue finden. Und es war auch schwer, die Wissenslücken auszugleichen und mich dem Lehrstoff anzupassen in den jeweiligen unterschiedlichen deutschen Ländern.

Aber trotz dieser Schwierigkeiten gab es immer etwas, das stabil war: das Heim. Obwohl wir am Ende des Krieges all unser materielles Hab und Gut verloren hatten, wusste meine Mutter, dass der wichtigste Bestandteil eines Heimes Liebe ist — und immer wieder Liebe. Einige Wohnungen waren spärlich möbliert oder schwer zu beheizen. Während eines Winters mussten meine Mutter, meine Schwester und ich gemeinsam im selben Bett schlafen, nur um uns warm zu halten. Aber wir waren zusammen und Gott, den wir als Liebe kennengelernt hatten, umgab uns. Darum beschwerten wir uns nie.

Durch ihr Beispiel zeigte uns unsere Mutter auch, wie man betet. Sie brachte uns bei zu beten, wie sie es gelernt hatte in ihrem Studium der Christlichen Wissenschaft — mit Gewissheit und Erwartung und festem Vertrauen, im Wissen, dass Gott unsere Nöte kennt und stillt, oft bevor wir Ihn darum baten. Nachdem mein Vater 1946 gestorben war, lag die ganze Last der Erziehung und Versorgung bei meiner Mutter.

Während dieser schwierigen Nachkriegsjahre wurden wir jedoch wunderbar versorgt. Und im Laufe der Zeit entfaltete sich mein Begriff von Heim immer mehr. Dies half mir, mich wohlzufühlen, ganz egal, wo ich lebte, ob in Berlin, später in England, Frankreich oder in den USA. Dies bestätigte einen Lieblingsspruch meiner Mutter: „Nicht der Stuhl ist wichtig, sondern wer darauf sitzt!“

Hieran musste ich im Sommer 2003 denken, als meine Schwester, mein Bruder und ich beschlossen, nach Polen zu fahren, um das frühere Haus meiner Eltern in Stettin (jetzt Szczecin) zu finden. Dies sollte unser erster Besuch sein, seit wir Stettin als Kinder im Jahr 1943 verlassen hatten.

Es war nicht so einfach, das Haus zu finden, denn natürlich waren die Straßennamen und sogar die Hausnummern geändert worden. Irgendwann fanden wir das Haus, aber keiner war da. Ein freundlicher Nachbar, der gut deutsch sprach, half uns und zeigte uns sogar den Garten des Hauses, in dem wir als Kinder immer gespielt hatten. Er lud uns zu einer Tasse Kaffee zu sich ein. Im Gespräch erwähnte er, dass seine Familie 1945 aus einem weit östlich gelegenen Teil Polens ausgewiesen und nach Stettin geschickt worden war.

Wir wollten auch noch das kleine Dorf nahe der Ostsee finden, in das wir seinerzeit wegen der Bombenangriffe evakuiert worden waren. Auf dieser abenteuerlichen Reise vor über drei Jahren fanden wir schließlich das kleine Dorf Dresow im ehemaligen Hinterpommern. Es hatte sich sehr verändert. Kaum ein Mensch war mehr dort. Die riesigen Gutsställe waren leer. Nicht einmal ein Huhn lief mehr herum. Und das Schloss des Barons war eine Ruine: die Fenster zerbrochen, die herrlichen Kachelöfen zerstört und der schöne Parkett-Fußboden herausgerissen. Ich war erfüllt mit eigenartigen Gefühlen. Ich hatte gehört, dass viele Deutsche, die ihre ehemalige Heimat in Polen oder in Russland besucht hatten, mit Trauer, einem Gefühl von Verlust und sogar mit Zorn zurückgekommen waren.

Ich konnte jedoch nach unserer Reise nur dankbar feststellen, wie wenig meine Auffassung von Heim mit irgendeinem Ort zusammenhängt. Ich empfand weder Wehmut noch Trauer. Immer wieder musste ich daran denken, was Mary Baker Eddy einmal gesagt hat: „Heim ist kein Ort; Heim ist eine Macht!“ (Powell, S. 237, engl.). Ich weiß jetzt, dass diese Macht einzig von Gott kommt, der die Quelle aller Zufriedenheit und des Friedens ist.

Ich mag auch die Bibelstelle sehr, wo Gott dem Propheten Jeremia sagte: „Ich habe dich je und je geliebt; darum habe ich dich zu mir gezogen aus lauter Liebe.“ (Kapitel 31) In einer englischen Bibelübersetzung heißt dies sinngemäß: „... sanft nach Hause gezogen“ (Moffat). Für mich bedeutet dies ganz klar, dass man sanft nach Hause geholt wird, zum Frieden, zur Sicherheit und zur Liebe unseres einzigen VaterMutter Gottes!

Vor einiger Zeit fiel mir diese Stelle in Wissenschaft und Gesundheit auf: „Wenn die groben Fußspuren der Vergangenheit von den sich entwirrenden Pfaden der Gegenwart verschwinden, werden wir die Wissenschaft, die diese Veränderungen regiert, besser verstehen und unsere Füße auf festeren Grund stellen.“ (S. 224)

Welch eine Aufgabe! Aber eine, die sich lohnt. Ich habe festgestellt, dass diese Tätigkeit etwa so ist, als wenn man eine ganze Ladung Steine, die man immer herumgeschleppt hat, los wird und sich nun wieder frei fühlt. Für mich bedeutet das Verschwinden der „groben Fußspuren der Vergangenheit“ auch, dass man vergibt, einschließlich sich selber. Vergebung bestätigt die Tatsache, dass Gott immer derselbe gewesen ist und immer dieselbe Liebe, Wahrheit und dasselbe Leben sein wird, — und dass wir in diesem Wissen Sicherheit, Frieden und Zufriedenheit finden können.

Darum ist Heim tatsächlich keine Räumlichkeit, kein Ort. Es ist ein Bewusstseinszustand, der nie begrenzt ist, für den keine Kündigung ausgesprochen werden kann, den wir immer so gestalten können, wie es uns unsere höchste Auffassung von Schönheit und Klarheit empfiehlt. Und darum ist unser Heim immer bei uns und kann niemals verloren gehen.

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