Davids Gebet: „Verzeihe mir die verborgenen Fehler”, scheint ganz besonders passend, wenn man bedenkt, wie schwer er gegen „das Licht”, gegen die von Mose verkündete Wahrheit gesündigt hatte, als er sagte: „Denn unsre Missetat stellest du vor dich, unsre unerkannte Sünde ins Licht vor deinem Angesichte.” Wie unsre Väter, so müssen auch wir heute einsehen lernen, daß „nichts verborgen” ist, „das nicht offenbar werde, und ... nichts heimlich, das man nicht wissen werde.”
Die Geschichte wird ohne Zweifel die Tatsache verzeichnen, daß der Stolz des sterblichen Sinnes sich nie in höherem Maße auf seine Geschicklichkeit zu verlassen schien, als am Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts, und daß die daraus entstehende Versuchung, heimlich unedle Dinge zu tun und die Lebensführung mehr mit Rücksicht auf die Unwissenheit der Nachbarn als auf das „allsehende Auge” einzurichten, scheinbar nie stärker war. Hingegen wissen wohl die denkenden Gläubigen unsrer Tage weit besser als die Gläubigen des Altertums, daß Übeltaten im Lichte der Wahrheit kein Versteck finden können, mögen sie auch noch so listig ausgeführt worden sein und möge man sie auch noch so sorgfältig zu verbergen suchen; daß man wohl den Mitmenschen aber nie Gott täuschen kann.
Und dennoch, wie oft lassen sich die angeblichen Nachfolger des Nazareners dazu verleiten, das Christus-Ideal, ja oft sogar das allgemeine Sittengesetz zu mißachten, im Privatleben wie im Geschäftsleben, so lange nur das fragliche Verfahren allgemein üblich ist und so lange sie einigermaßen sicher sind, daß ihre Taten nicht ans Licht kommen werden. Sie scheuen sich nicht vor dem Urteil Gottes, so lange sie sicher sind, daß sie nicht dem Urteil der Menschen verfallen. Das Resultat dieser maskierten Lebensweise wird von dem Meister in den folgenden Worten treffend beschrieben: „Wenn nun das Licht, das in dir ist, Finsternis ist, wie groß wird dann die Finsternis sein!” Der Mensch, dem es bei seinem Tun und Handeln mehr um seinen Ruf als um seinen wirklichen Charakter zu tun ist, beweist eine törichte Gleichgültigkeit gegen die Warnung des Apostels, daß Gott „das Verborgene der Menschen durch Jesum Christ richten wird”.
Die Christian Science hebt vor allem das Positive und Gute sowie den natürlichen Reiz des Rechten und Wahren hervor. Sie macht es für alle Zeiten klar, daß ein jeder seine Rechnung bis auf den letzten Heller bezahlen muß. Sie lehrt, daß schon jetzt nichts Geringeres als Vollkommenheit im Denken und im Handeln von uns verlangt wird. Ein ausgesprochener Christian Scientist, der wissentlich eine doppelte Existenz führen und sich zu Heuchelei und Täuschungen hergeben würde, und der sich schämen müßte, wenn man ihm ein Bild seiner Wünsche, Entschlüsse und Taten vorhielte — ein solcher würde dadurch die allereinfachsten Anforderungen des Glaubens verletzen, zu dem er sich bekennt.
Jeder Unwahrheit, jeder geheimen Sünde, jeder hinterlistigen Handlungsweise im Geschäftsleben liegt der Gedanke zugrunde, daß ein durchaus rechtschaffener und nach den Lehren Jesu eingerichteter Lebenswandel unpraktisch sei. Wenn die Worte unsres Meisters wahr sind, so gewinnt der Mensch nichts durch ein Leben, in welchem es irgend etwas zu verbergen gibt, in welchem irgend etwas „hinter dem Vorhang” geschieht. Ein jeder, der die Lehren Jesu, wie die Christian Science sie erklärt, in Wahrheit annimmt, wird sich über die Versuchungen zum Betrug oder zur absichtlichen Täuschung erheben. Die Christian Science führt eine ganz neue Denkart herbei; sie bringt den Menschen zu der Überzeugung, daß es sich lohnt, in Wort und Tat offen und wahr zu sein, und daß ein rechtschaffenes Leben uns alle unsre Bedürfnisse sichert. Diejenigen, welche dies vollkommen eingesehen haben, erlangen die Inspiration und die Kraft, ein christusähnliches Leben zu führen. Sie hegen keine hinterlistigen Gedanken, haben kein Furcht vor dem Tag, da alle verborgenen Dinge offenbar sein werden.
Die Christian Science ist gekommen, um uns volle Klarheit zu bringen und ein reines, unbeflecktes Leben möglich zu machen. Es ist dies die Erfüllung der prophetischen Worte: „Gott [das Gutes] wird alle Werke vor Gericht bringen, das verborgen ist, es sei gut oder böse.”