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Was wir von einem der ersten Jünger lernen

Aus der Oktober 1910-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Sagt’s seinen Jüngern und Petrus, daß er vor euch hingehen wird nach Galiläa”. Wurde wohl jemals einem treulosen Nachfolger eine beglückendere Botschaft zuteil, als diese am Morgen der Auferstehung gegebene? „Und Petrus”! Warum wurde Petrus von dem Engel, der den Frauen am Grabe erschien, besonders genannt? Sie waren gekommen, um den Herrn zu suchen und es wurde ihnen gesagt, er sei nicht da. Er hatte bewiesen, daß der Tod über Gottes geistige Idee keine Macht hat, und war hingegangen, um sich seinen betrübten Jüngern wieder zu zeigen. In Anbetracht des feigen Verrats des Petrus nach der Gefangennahme seines Meisters könnte man seine gänzliche Trennung von der kleinen Schar derer erwarten, die treu zu Jesu hielten. Was war aus all seinen feurigen Erkläklärungen der Treue und des Gehorsams geworden? Es hat wohl niemals einen Jünger gegeben, der mehr Unannehmlichkeiten verursachte als er. Er war eigensinnig, heftig, unbedacht, und ließ sich gerade in wichtigen Augenblicken vom irdischen Sinn beherrschen. Beteurungen der Treue wechselten mit Handlungen, welche bewiesen, wie unreif seine geistige Erkenntnis war. Dies war Petrus der Jünger, welcher sich Jesu gegenüber oft als sehr unlenkbar erwies.

In den kommenden Jahren wurden des Meisters Lehren von unschätzbarem Werte für Petrus, der sich zu einem der tapfersten unter den ersten Christen entwickelte. Aber als Schüler, während des dreijährigen Liebesamtes Jesu, wurde er häufig gescholten und ermahnt. Seine Verirrungen erwuchsen häufig aus seiner Vertrauensseligkeit. Er legte die ganze dogmatische Bestimmtheit an den Tag, die für den jungen Anfänger so bezeichnend ist. Dem jungen Christen, welcher von der neuen Auffassung geistiger Wirklichkeit beseelt und von einer klareren geistigen Wahrnehmung ganz durchglüht ist, scheint es leicht, die Macht der Wahrheit zu demonstrieren und über die Irrtümer des sterblichen Sinnes zu siegen. So schien es dem Petrus, so daß er z. B. in seinem heißen Eifer, Jesu nachzufolgen, den Versuch machte, auf dem Wasser zu wandeln. Er mußte eine Lehre nach der andern erhalten, ehe er im Geiste wahrer Demut seine wirkliche Selbstheit fand. Er hatte nicht einmal die Anfangsgründe jenes geistigen Gesetzes erfaßt, welches Jesum befähigte, sich über die falschen Ansprüche des materiellen Gesetzes zu erheben. Als er furchtsam um Hilfe rief, traf ihn der folgende Vorwurf, welcher von universeller Bedeutung ist und welcher wohl auch heute einen jeden von uns angeht: „O du Kleingläubiger, warum zweifeltest du?” Es wird uns nicht erzählt, daß der Jünger irgendeine Antwort gab, doch sein späteres Leben rechtfertigt die Annahme, daß er den inneren Entschluß faßte, sich von nun an mehr von dem Glauben anzueignen, der für die vollkommene Demonstration notwendig ist.

Man hört zuweilen von Leuten, die schwer von Begriff sind. Hat es wohl jemals einen Menschen gegeben, der schwerer begriff, als Petrus? Welch herrliche Gelegenheiten hatte er doch, in der geistigen Erkenntnis zu wachsen! Er hatte all die wunderbaren Werke des Meisters gesehen, die Beweise, welche dessen göttliche Sendung über allen Zweifel erhoben. Er war bei der Verklärung zugegen gewesen, als ihm samt zwei andern Jüngern die Vision zuteil wurde, welche ihm des Meisters Sohnschaft offenbarte — eine Vision, wie sie in ähnlicher Weise jedem demütigen Nachfolger Christi — der Wahrheit — zuteil wird, der in Gebet, Wachsamkeit und Gehorsam sich auf das göttliche Prinzip alles Seins gründet. Er war Zeuge des Vorgangs im Garten Gethsemane, wo er des Meisters Bitte, nur eine Stunde mit ihm zu wachen, unerfüllt ließ. Er hatte die Warnung zurückgewiesen, daß er sich treulos erzeigen werde, obwohl Jesus ihm gesagt hatte, daß Satanas seiner begehre. Jesus sah die Probe voraus, die seinem ungestümen Jünger bevorstand, und er kam ihm so weit zur Hilfe, daß er ihm sagte, er habe gebetet, daß sein Glaube nicht aufhöre.

Es ist doch eigentlich erstaunlich, daß Petrus noch all den empfangenen segensvollen Lehren, nach den vielen Beweisen der Macht der göttlichen Liebe, die sich bei Heilungen und Totenerweckungen kundtat, nach all den Warnungen, die er erhalten hatte — daß nach all diesen Erfahrungen sein moralischer Mut ihn schließlich doch verlassen konnte. Wie sollen wir uns das erklären? Der Grund liegt hauptsächlich darin, daß er sich mehr auf die Persönlichkeit verließ als auf das Prinzip. Er sah auf Jesum, den Menschen, und nicht auf Christum, den ewigen Sohn des Vaters. Dieser Begriff von Persönlichkeit mußte dem Bewußtsein von der geistigen Idee weichen, ehe er die heilende und erlösende Erkenntnis der Wahrheit erlangen konnte. In aufrichtiger Ergebenheit, in Treue, in Gehorsam, in unerschütterlichem Festhalten an des Meisters Lehren und Beispiel wurde Petrus späterhin vorbildlich. Er hatte die erhaltene Lehre richtig erfaßt. „Der göttliche Geist (Mind)”, sagt Mrs. Eddy in „Science and Health“ (S. 183), „fordert mit Recht des Menschen ganzen Gehorsam, seine ganze Liebe und Stärke. Keine geringere Treue ist zulässig.” In Worten, die die Erfahrung jedes wahren Christian Scientisten bestätigt, fügt sie hinzu: „Gehorsam gegen Wahrheit verleiht dem Menschen Macht und Stärke. Unterwerfung unter den Irrtum führt Machtverlust herbei.”

Die Fehlschläge der Anfänger im Studium der Christian Science entstehen nicht aus Mangel an ernstem Verlangen nach Erkenntnis der Wahrheit, sondern aus Mangel an jener Weisheit, die geduldig wartet, um Führung bittet und sich bemüht, Gott recht zu verstehen; die zugleich willens ist, jedweden falschen Begriff aufzugeben, der das Wachstum zurückhält und das wahre Verständnis des Geistigen hindert — sowohl in Bezug auf das Prinzip als auf den wirklichen Menschen. Petrus geriet deshalb auf Irrwege, weil er so lange blind war gegen die höhere Bedeutung jener segensvollen Werke, deren täglicher Zeuge er war. Für ihn und seine Genossen waren sie nicht die Beweise der göttlichen Liebe, welche die Menschheit heilt und segnet, sondern die Kundgebung einer Macht, die der Errichtung und Aufrechterhaltung eines irdischen Königsreichs dienen sollte. Darum flohen sie alle, als der Meister gefangen genommen wurde. Bald darauf aber kam die Zeit, da ihnen die Schuppen von den Augen fielen und sie geistig sahen — da sie Christum, der gen Himmel gefahren war, als den Heiland der Menschheit erkannten. Dem Petrus begann diese Erkenntnis unmittelbar nach seinem letzten beklagenswerten Fehltritt aufzugehen — nach dreimaliger Verleugnung dessen, dem er kurz zuvor gesagt hatte, er wolle mit ihm sterben.

Diese Geschichte ist von der tiefsten Bedeutung für die leidende, sündige Menschheit. Auf der einen Seite sehen wir den wankelmütigen, verräterischen, feigen irdischen Sinn, der zeitweise selbst einen ernsten, wahrheitssuchenden, liebevollen Jünger so beherrscht, daß er vor den Hohn- und Spottreden einer Schar fauler Schwätzer zu Falle kommt. Auf der andern Seite steht die Gestalt dessen, der in tiefster Erniedrigung, angesichts des rohen Hasses und der teuflischen Bosheit sich umwandte und mit geistigem Scharfblick, der durch das äußerliche und Sichtbare hindurch in das Herz des Menschen schaut, Petrum ansah. Welch eine Schönheit liegt in der Einfachheit und Kürze der Erzählungen in den Evangelien. Nirgends finden wir überflüssige Beschreibungen. Ohne daß es uns gesagt wird, wissen wir, daß dieser Blick, obwohl er tief vorwurfsvoll war, die innigste Liebe ausdrückte.

Die Wirkung war wunderbar. Der Schuldige wurde von tiefer Reue erfaßt, und ging, wie jemand richtig gesagt hat, „hinaus in die Nacht; jedoch war es nicht, wie bei Judas, die sonnenlose Finsternis elender Selbstverdammung, nicht die Mitternacht der Gewissensbisse und Verzweiflung, sondern die Nacht, auf welche die Morgendämmerung folgt.” Die Gnadenzeit der Buße war gekommen — der „Zustand des Zerschlagenseins im menschlichen Bewußtsein, in welchem die Sterblichen ehrliche Einblicke in sich selbst tun, ein Gemütszustand, in welchem die Schleier zerreißen, die seelische Verunstaltungen verbergen” („Miscellaneous Writings“, S. 203). Danach kam die Taufe des heiligen Geistes, die von aller Sünde reinigt; und er, dessen Geisteszustand sich nunmehr auf den Glauben an Gott gründete, anstatt auf menschliche Weisheit, setzte die Mengen durch die Kühnheit in Erstaunen, mit der er verkündete, daß der Christus der Sohn des lebendigen Gottes sei, und daß die verheißene Erlösung ihnen und ihren Kindern gehöre, „und allen die ferne sind, welche Gott, unser Herr, herzurufen wird.”

Der Gegensatz zwischen dem Mißverhalten des Petrus einerseits und seiner beharrlichen Treue andrerseits sollte man im Licht der herrlichen Worte betrachten, die er am Ende seiner Laufbahn an Gottes Volk richtete. Wir wissen, wie er inmitten heißer Prüfungen und Verfolgungen an Demut und Liebe wuchs. Alle Schwachheit und alles rücksichtslose Ungestüm früherer Tage wich einem klaren Verständnis der Wahrheit, dem Besitz „eines unbefleckten und unverwelklichen Erbes”, einem geistigen Begriff vom Sein und einem liebevoll sorgenden Bemühen um die Erlösung der gefallenen Menschheit. Somit erfüllte er des Meisters Verheißung, der vorausgesehen hatte, welche Umwandlung im Herzen, in den Gedanken und Zielen seines Jüngers stattfinden würde. Jesus richtete die folgenden bedeutungsvollen Worte an ihn: „Und wenn du dermaleins dich bekehrest, so stärke deine Brüder.” Und der große „Apostel der Juden” gehorchte treulich seinem Auftrag. Dies war eine der Quellen seiner Kraft. Was nützt der Glaube ohne Werke? „Taten, die wir entwischen lassen, werden nie geschehen.” „Der Nachfolger Christi, der Wahrheit”, sagt Mrs. Eddy, „hat sich anwerben lassen, um Übel, Krankheit und Tod zu verringern” („Science and Health“, S. 450). Wenn er dem Ruf der Pflicht, der an ihn ergeht, Folge leistet, so wird es ihm nicht an Gelegenheiten fehlen, seine Treue zu beweisen — selbst wenn er nur ein geringes Verständnis von der rechten Quelle aller Kraft hat. Es wird ihm die Freude, die jede selbstlose, christliche Tat mit sich bringt, schon jetzt zuteil werden. Nach einem Leben voll heldenmütiger Arbeit konnte Petrus Gottes liebende Fürsorge für Seine Kinder bezeugen. Er konnte erklären: „Wer ist, der euch schaden könnte, so ihr dem Guten nachkommet?” Er wußte, daß Gottes Kinder selbst dann glücklich sein können, wenn sie um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden, und daß jeder eine Antwort bereit haben soll, wenn er um den Grund der Hoffnung, die in ihm ist, befragt wird. Er drückt in seinen Episteln mit wenigen Worten das aus, was dem geistig erneuerten Menschen, der Christum im Glauben geschaut und ihm sein Leben und seine Kraft geweiht hat, als täglicher Führer dienen kann.

Nur insoweit als wir unsre Gedanken und Ziele in Harmonie mit dem Prinzip bringen, unsre geistige Kindschaft und unsre Vorrechte als „Miterben Christi” erkennen und „die vergängliche Lust der Welt” fliehen — nur insoweit werden wir wachsen. Es wird dann eine unsrer schönsten Aufgaben, dem ängstlich Suchenden die Wahrheit in der rechten Weise darzureichen. Tag für Tag wird das Manna — die Unterweisung des Heiligen Geistes — auf uns herniederfallen; die Erkenntnis der Vollkommenheit alles dessen, was wirklich und ewig ist, wird uns stärken, so daß wir „nicht faul noch unfruchtbar” sein werden „in der Erkenntnis unsers Herrn Jesu Christi.”

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