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Gehorsam

Aus der Juni 1911-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Man hört da und dort die Klage, die Kinder würden in unsern Tagen nicht zum Gehorsam angehalten; ja selbst die Christian Scientisten seien sich ihrer Verantwortung in dieser Hinsicht nicht immer klar bewußt. Diese Beschuldigung scheint leider begründet zu sein. So sagte z. B. unlängst eine Mutter zur Entschuldigung für den Ungehorsam ihres Kindes: „Die göttliche Liebe wird mein Kind schon führen und leiten”, und dabei ließ sie es bewenden. Die Folge eines solchen Verhaltens ist, daß das Kind ganz seinen Neigungen nachgeht, eine hohe Meinung von dem eignen Urteil und den eignen Fähigkeiten bekommt und seinen Vorgesetzten sehr wenig Achtung erweist. Unter dieser Fahrlässigkeit seitens der Eltern haben ganz besonders die Lehrer zu leiden. Die Verfasserin hat eine langjährige Erfahrung als Lehrerin und liebt die Kinder sehr. Sie will nicht dahin verstanden sein, daß der obengenannte Fehler den Scientisten besonders eigen sei, hat aber leider gefunden, daß nicht alle von demselben frei sind.

In den Tagen unser Väter erzog man die Kinder dazu, sich im Denken, Reden und Handeln älteren Personen unterzuordnen; ja man ging darin so weit, daß das Kind fast seine Eigenart verlor. Sehr oft wurde Gehorsam durch Furcht vor der Strafe der Eltern oder eines erzürnten, rächenden Gottes bewirkt. Die strenggläubigen Eltern früherer Jahre mögen die allerbesten Absichten gehabt haben, verwechselten aber sehr oft ihre persönlichen Anschauungen und ihre Vorurteile mit dem Willen Gottes, dem sie ihren eignen Zorn über die Unarten der Kinder beimaßen. Leichte Vergehen gegen rein menschliche und willkürliche Anordnungen wurden so streng bestraft, daß Man hätte glauben können, es habe eine vorsätzliche Übertretung der Gebote Gottes stattgefunden. Das Kind sah folglich in den Anordnungen der Eltern und Vorgesetzten nichts weiter als Äußerungen eigenwilliger Machthaber. Es wurde nicht angehalten, über das Weshalb der erhaltenen Vorschrift nachzudenken, sondern man verlangte einfach absoluten, blinden Gehorsam.

Gegen eine solche Strenge und Engherzigkeit in der Erziehung hat in unsern Tagen begreiflicherweise eine Auflehnung stattgefunden. Nun ist aber die menschliche Natur sehr dazu geneigt, von einem Extrem ins andre überzugehen. Ihre blinden Impulse treiben sie oft an der sicheren Mittelstraße vorbei, ehe sie sich zurechtfinden kann. Deshalb begegnen wir in unsern Tagen dem unwürdigen Anblick, daß Eltern sich sozusagen unter die Gewaltherrschaft ihrer eignen Kinder beugen und dieselbe sogar begünstigen. Wie bereits aus dem Gesagten zu ersehen ist, will die Verfasserin keineswegs einer törichten und veralteten Anschauung über Kindererziehung das Wort reden. Sie ist jedoch sehr dankbar, daß man zur Zeit, als sie ihre Jugenderziehung genoß, Gehorsam für sehr wichtig hielt. Es hat sich schon sehr oft bewiesen, daß Eltern die ihre Kinder nicht zum Gehorsam anhalten, sich geradezu der Grausamkeit gegen dieselben schuldig machen. Dies ist ein verhängnisvoller Mangel in der Erziehung, was auch die Veranlassung oder die Entschuldigung sein möge. Schon ehe das Kind reden kann, muß es gehorchen lernen. Seine eigne Sicherheit und die Sicherheit derer, mit denen es im späteren Leben in Berührung kommt, erfordert Übung im Gehorsam. Es ist dies eine allgemein anerkannte Tatsache, die keiner weiteren Begründung bedarf. Wie können nun wir, die wir für Gesetz und Ordnung eintreten, die wir erkannt haben, daß man nur durch strengsten Gehorsam gegen das Prinzip irgend etwas Gutes erlangen kann, die wir in der Bibel und in unserm Textbuch fortwährend ermahnt werden, dem göttlichen Gesetze gehorsam zu sein — wie können wir die heilige Aufgabe versäumen, unsre Kinder im Gehorsam gegen die Wahrheit zu erziehen?

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